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Der Pate

Next-Gen Corleone

Diese Xbox 360-Umsetzung hat ganz schön auf sich warten lassen. Schließlich wurden die im März erschienenen PS2-, PC- oder Xbox-Versionen bereits in diversen Wühltischen gesichtet. Die lange Wartezeit lässt vermuten, dass EA den Titel ordentlich aufbrezeln und somit „nextgentauglich“ machen wollte. Bis zu einem gewissen Grad tat man das auch, doch die paar Verbesserungen dürften Kenner der alten Versionen kaum zu einem Neukauf animieren.

Ihr schreibt Filmgeschichte

Während die Konkurrenten Saints Row und Just Cause an GTA erinnern, mussten wir beim Paten dauernd an Illusion Softworks’ Mafia denken. Nicht nur aufgrund der sehr ähnlichen Mobster-Thematik. Vor allem die Art wie EA die Hauptgeschichte erzählt, hat vieles mit Mafia gemein. Keine Witze und ironischen Seitenhiebe, sondern ziemlich ernst und dramatisch. Ihr erlebt die Geschichte als kleiner Gangster und seid anfangs nicht mehr als ein Laufbursche der Corleone-Familie. Im Laufe des Spiels nimmt die Wichtigkeit Eurer Aufgaben zu, Ihr steigt in der Hierarchie auf und werdet irgendwann zum Boss. Eure Geschichte basiert zwar auf Coppolas Film, ist aber keine 1:1-Kopie. Vielmehr laufen beide Storys parallel und kreuzen sich immer wieder. Ihr erinnert Euch an die berühmte Szene, in der Don Corleone (Marlon Brando) auf offener Straße niedergeschossen wird? Im Spiel seid Ihr live dabei. Eigentlich wollt Ihr nur einen Kollegen beim Friseur treffen, als draußen plötzlich Schüsse fallen. Also killt Ihr die Attentäter und sorgt dafür, dass der Don sicher ins Krankenhaus kommt. Ihr müsst sogar den Wagen steuern, in dem der schwer verletzte Pate liegt.

Das Spiel ist zwar blutig, aber der Teppich war schon vorher rot.

Viele vertraute Filmszenen werden Euch also nicht nur aus einer neuen Perspektive präsentiert, sondern durch interessante Details ergänzt. Wer hat dem Filmmogul Jack Woltz eigentlich den abgehackten Pferdekopf ins Bett gelegt? Wie gelangte die Waffe ins Klo, mit der Michael Corleone den Bullen McCluskey und Virgil Solozzo kalt machte? All diese Fragen werden im Spiel geklärt. Dabei ist die Antwort eigentlich immer dieselbe: Ihr wart es! Damit sind wir schon bei der größten Stärke des Titels. Euch wird das Gefühl vermittelt, ein Stück Filmgeschichte umzuschreiben. Hin und wieder wirkt das zwar aufgesetzt, aber unterm Strich funktioniert es recht gut. EA hat sogar einige der Original-Schauspieler als Sprecher verpflichtet und auch deren charakteristische Bewegungsmerkmale integriert. Das authentische Flair leidet allerdings unter der durchschnittlichen Optik. Die 360-Version sieht wie eine etwas aufgebohrte Xbox-Fassung aus. Ein paar neue Effekte, marginale Detailverbesserungen, höhere Auflösung und das war es dann im Großen und Ganzen. Fast hätten wir es vergessen: Auseinandersetzungen hinterlassen jetzt Spuren in den Gangstervisagen. Veilchen und dicke Backen sind ja nie verkehrt.

Unter Druck gesetzt

Spielerisch läuft alles nach bewährtem Genreschema ab. Ihr bewegt Euch einigermaßen frei durch eine Art abgespecktes New York und spielt Verbrecher. Neben den Storymissionen gibt es jede Menge Sidequests. Zum Beispiel finden sich Geschäfte, die Ihr um Schutzgeld erpressen könnt. Das geht am Besten mit Gewalt. Nahkampfattacken werden dabei mit dem rechten Stick ausgeführt. Fast so wie in EAs Box-Simulation Fight Night. Mit bloßen Fäusten oder stumpfen Gegenständen prügelt Ihr Eurem Gegenüber Vernunft ein. Ihr könnt die armen Schweine auch am Kragen packen und herumschleudern. Manchmal ist es aber effektiver, die Ladeneinrichtung zu zerstören oder einen Kunden durchs Schaufenster zu klatschen. Über eine kleine Bildschirmanzeige könnt Ihr jederzeit sehen, ob der Wille Eures Opfers gebrochen wurde. Ist das der Fall, erhaltet Ihr regelmäßig Schutzgeldzahlungen. Außerdem könnt Ihr Banken überfallen, Tresore vieler Geschäftsleute in die Luft jagen, LKWs samt Ladung entführen und so weiter. Aber bleiben wir noch kurz bei der Steuerung, denn die birgt weitere Überraschungen. Der Schusswaffengebrauch wurde ziemlich elegant gelöst. Anvisierte Gegner lassen sich sehr schnell außer Gefecht setzen, in dem Ihr direkt auf die Beine oder Arme zielt. Mit kaputten Pfoten lässt sich’s eben schlecht ballern und auf perforierten Latschen läuft man unbequem. So „gezähmte“ Gegner bestraft Ihr auf Wunsch mit heftigen Finishing Moves. Kurz: Nix für Weicheier!

Familien-Banden

Polizei-Verfolgungsjagden gibt es immer wieder mal.

Die Spielwelt ist recht groß, unterschiedliche Familien kontrollieren einzelne Stadtteile. Midtown ist Barzini-Gebiet, in Little Italy haben die Corleones das Sagen, New Jersey gehört den Straccis, Brooklyn den Tattaglias und die Cuneos regieren Hell's Kitchen. Sorgt Ihr in gegnerischen Gebieten für Ärger, reagieren deren Mitglieder dementsprechend. Wer es übertreibt wird mit einem Bleihagel begrüßt, sobald er nur einen Fuß ins Viertel setzt. Das sollte Euch aber nicht vom Wildern in feindlichen Territorien abhalten. Wer ordentlich Geld macht und das Corleone-Gebiet vergrößert, kassiert schließlich Respektpunkte. Diese werden rollenspielmäßig in Charakterwerte, wie zum Beispiel Eure Nahkampffähigkeit gesteckt. Sobald Ihr einen gewissen Rang erreicht habt, dürft Ihr sogar Begleiter anheuern. Das ist neben Online-Ranking und Gamerscore-Punkten so ziemlich die wichtigste Neuerung der Xbox 360-Version. Wer ordentlich Schmiergeld zahlt, wird sogar von Polizisten unterstützt, was in brenzligen Situationen hilfreich ist. Die Spielwelt an sich wirkt aber immer noch irgendwie steril. Zum Beispiel sind die einzelnen Viertel durch ewig lange Straßen verbunden, die langweilig aussehen und eigentlich überhaupt keinen Sinn machen. Grau in grau, ohne nennenswerte Randbebauung. Wollte man damit krampfhaft das Gefühl von Größe vermitteln?

Oldtimer-Parade

Wenn Ihr nicht gerade Leute verprügelt oder Konkurrenten mit Blei voll pumpt, heizt Ihr mit Oldtimern durch die Gegend. Die meisten Kisten sind recht lahm und kleben quasi auf der Straße. So waren die Autos damals eben. Es gibt zwar ein paar Karren, die zügiger vom Fleck kommen, aber letztlich nutzt Ihr die Fahrzeuge echt nur, um schneller von A nach B zu gelangen. Stunt-Kapriolen wie in GTA und Co fehlen gänzlich, doch hin und wieder finden Verfolgungsjagden inklusive um sich ballernder Beifahrer statt.

Was die Fahreinlagen an Rasanz und Abwechslungsreichtum vermissen lassen, wird durch die wirklich spannenden Kämpfe größtenteils ausgeglichen. Vor allem im späteren Spielverlauf gestalten sich Schießereien sehr taktisch und motivierend. Ihr tastet Euch Zentimeterweise voran, verschanzt Euch hinter Objekten und schlagt erst zu, wenn Gangster ihre Waffe nachladen oder die Deckung verlassen. Wer blind durch die Gegend stürmt, hat keine Chance, denn schon wenige Treffer können für Euch das Aus bedeuten. Ganz so schwer wie in den älteren Versionen ist es dank rekrutierbarer Schützenhilfe aber nicht mehr. Die KI ist übrigens recht gut. Feinde gehen in Deckung, geben sich gegenseitig Feuerschutz und auch Eure Mitstreiter stellen sich nicht total bescheuert an. Aussetzer gibt’s dennoch in ganz seltenen Fällen. Da steht ein Gegner etwa in der Ecke und tut gar nix, während Ihr ihm mit der Shotgun den Rücken massiert. Ein anderes Mal wollten wir einen Metzger packen und gegen die Theke klatschen, worauf beide Figuren einfach durch den Boden ins Nichts fielen. Strange!

Das ist nicht Michael Corleone

Am Kragen packen, abwatschen und schon rollt der Schutzgeldrubel.

Da Al Pacino anscheinend exklusiv in Vivendis Scarface -Umsetzung auftaucht, wurde er von EA nicht gerade originalgetreu nachgebildet. Um genau zu sein, sieht deren Michael Corleone nicht mal annähernd so aus, wie das Vorbild. Ansonsten fängt das Spiel die Stimmung des Films gerade in den Zwischensequenzen sehr gut ein. Ein weiterer Pluspunkt: Zu Beginn verändert Ihr die Optik Eures virtuellen Gangsters bis ins Detail. Ihr könnt also wirklich eine Spielfigur kreieren, die Euch einigermaßen ähnelt. Verschiedene Outfits gibt’s auch. Eure Kohle steckt Ihr in immer teurere Klamotten, die Euren Status unterstreichen. Dass die Grafik nicht wirklich rockt, erwähnten wir ja schon. Die Klangkulisse gefällt umso mehr. Die Filmmusik ist allgegenwärtig, die Sprachausgabe hervorragend und die Soundeffekte zahlreich und satt. Manchen der deutschen Sprecher mangelt es zwar an Hingabe, aber die Synchro ist sehr professionell und stimmig. Nett fanden wir auch, dass neu auftauchende Spielelemente erst durch Video-Tutorials erklärt werden. So wisst Ihr sofort, was Sache ist.

Mit ein paar gravierenden Neuerungen, hätte EA auch Kenner der alten Fassungen zu einem Neukauf animiert. So bleibt es aber nur eine leicht aufgebohrte Variante, die ein halbes Jahr zu spät erscheint. Trotzdem: Pate-Fans die sich den Kauf bisher verkniffen haben, erhalten die beste aller Umsetzungen. Just Cause ist Euch zu unrealistisch und abgedreht, Saints Row zu Hip-Hop-Ghetto-lastig? Dann könnte Der Pate genau Euer Ding sein.

Der Pate ist bereits seit März für PS2, PC und Xbox erhältlich. Die PSP-Version erschien am 20. September.

7 / 10

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