Ride 3 - Einfach mal Gas geben
Mehr Arcade-Action, weniger Simulation: Der Serienumbau geht in genau die richtige Richtung.
An frischem Futter für passionierte Zweirad-Enthusiasten mangelt es eigentlich nicht: Alleine in diesem Jahr haben die Motorsport-affinen Milestone Studios mit MotoGP 18, MXGP Pro und Monster Energy Supercross bereits drei Motorrad-Simulationen abgeliefert. Die Resonanz war allerdings mit Bewertungen zwischen "geht so" und "ganz OK" im gewohnt verhaltenen Mittelmaß angesiedelt. Entsprechend gedämpft war meine Vorfreude, als sich mir die Möglichkeit bot, Ride 3 anzuspielen, das am 30. November das Motorrad-Quartett aus Italien vervollständigt. Spoiler: Ich wurde angenehm überrascht.
Im dritten Teil der Ride-Serie geht es noch ein ganzes Stück weiter in Richtung Simcade und Komplettpaket für Motorrad-Fans. Satte 230 authentisch dargestellte Bikes sind im Hauptspiel enthalten und wenn euch das noch zu dürftig erscheint, bekommt ihr weitere 70 Maschinen per DLC nachgeliefert. Eingeteilt in sieben Motorrad-Kategorien könnt ihr euch auf aktuelle Geschosse, wie beispielsweise die Ducati 1299 Superleggera schwingen, eher gemächlich mit einer Moto Guzzi V9 Blobber ein paar Runden drehen oder euch auf Vintage-Modelle spezialisieren. Bevor ihr aber einen ansehnlichen Fuhrpark zusammenbekommt, steht erst einmal harte Arbeit bevor. Im Karrieremodus erstellt ihr in einem umfangreichen Baukastensystem einen eigenen Fahrer und backt kleine Brötchen. Habt ihr in den Rennen dann die ersten Preisgelder eingefahren, investiert ihr das virtuelle Zahlungsmittel in leistungsfähigere Maschinen.
Alternativ könnt ihr auch euer Lieblings-Bike in der Werkstatt ordentlich aufmotzen. Dabei beschränkt ihr euch nicht nur auf mechanische Verbesserungen, sondern könnt in einem Livery Editor Forza-Style die Boliden euren ästhetischen Bedürfnissen mit extravaganter Lackierung oder Aufklebern anpassen. Ob ihr nun ein Profi-Bike eures Lieblingsfahrers in Originalfarbe und den passenden Firmenlogos fahren oder euch lieber einen überdimensionalen Homer Simpsons-Kopf auf die Karosserie kleben wollt, ihr könnt das einfach machen und dabei aus einem Fundus von 500 Modifikationen schöpfen. Um den Karriereverlauf visuell abwechslungsreicher zu gestalten, haben sich die Mannen aus Mailand was ausgedacht: Nach dem Erreichen von Zwischenzielen, schaltet ihr Motorrad-Magazine frei, in denen sich interessante Hintergrundinfos zu Herstellern und Modellen finden und die gleichzeitig den Weg zu neuen Herausforderungen und Fuhrparkerweiterungen frei machen.
Zeit- und Meisterschaftrennen werden auf 30 internationalen Tracks, wie Laguna Seca in den USA, Brands Hatch, Isle of Man, Macau, Nordschleife oder dem Gardasee ausgetragen. Die Pisten wurden akribisch mit Drohnen gescannt und beeindrucken mit Detailreichtum und opulenter Optik. Bei der Fahrt rund um den Gardasee zeigen sich die Vorzüge der Unreal Engine 4, die in diesem Jahr endlich das bislang genutzte und sichtlich in die Jahre gekommene Grafikgerüst der Milestone Studios ablöst.
Die optischen Unterschiede zu den Vorgängern sind derart eklatant, dass ich vor einer Felswand der Strada Della Forra mitten in einer Runde Time-Attack eine Vollbremsung hingelegt und in den erstmals integrierten Fotomodus geschaltet habe, um mein Bike vor der Kulisse von malerischen Wasserfällen aus allen Richtungen abzulichten. Das Ergebnis ziert jetzt meinen Desktop als neues Hintergrundbild. Neu hinzugekommen sind Nachfahrten, die zwar nicht bei jeder Strecke zur Verfügung stehen, aber beispielsweise in den Straßenschluchten von Macau inmitten von blinkenden Neonlichtern für Abwechslung sorgt.
Im Gegensatz zu den Milestone-Simulationen, wie Moto GP oder MXGP, zeigt sich Ride 3 im Handling erfreulich einsteigerfreundlich. Schaltet ihr die gesamte Palette an Fahrhilfen ein, und davon hat das Spiel reichlich zu bieten, könnt ihr euch auch als Rookie gefahrlos auf den Bock schwingen und einfach richtig Gas geben. Klappt es mal nicht so richtig mit einer scharf angefahrenen Kurve und die Maschine landet abseits der Piste, könnt ihr mit der Rückspulfunktion die Scharte wieder auswetzen. Allerdings gilt die Regel: Je mehr Hilfen aktiviert wurden, desto weniger Punkte bekommt ihr für einen Sieg oder eine Platzierung. Trotzdem sollten Neueinsteiger erstmal nicht auf essenzielle Einstellungen, wie Anti-Wheelie oder besonders Tuck-In verzichten, damit sich der Fahrer automatisch mit dem Körper in die Kurve legt. Ansonsten landet ihr schnell außerhalb der Rennstrecke, kassiert Strafsekunden oder rast gleich mit Vollgas in die Botanik.
Bei einem Crash mit Tempo 100 aufwärts fliegen Motorrad und Fahrer wie Geschosse durch die Gegend, sind dann aber sofort wieder am Start, als sei nichts gewesen. Es gibt schlichtweg kein Schadensmodell im Spiel, weder zeugen Kratzer oder Beulen in der Karosserie noch mechanische Probleme davon, dass ihr noch vor ein paar Sekunden spektakulär im Straßengraben gelandet seid. Das ist Schade, denn nach einem brutalen Crash einfach weitermachen, als ob nichts geschehen wäre, durchbricht für mich die Immersion, die von den authentischen Motorrad-Modellen und Strecken vorher aufgebaut wurde.
Trotz des fehlenden Schadenmodells sind die Entwickler mit Ride 3 meiner Meinung nach aber genau auf dem richtigen Weg: In dem Spiel stecken genügend Fahrhilfen, die einen frustfreien Einstieg erlauben, ohne Hardcore-Fans die Herausforderung einer ernsthaften Simulation zu nehmen. Deaktiviert ihr alle Annehmlichkeiten, wird aus dem gutmütigen Arcade-Racer ein echtes Biest von Rennspiel, bei dem ihr die Maschinen wirklich beherrschen müsst, damit ihr das Fahrerfeld nicht nur von hinten zu sehen bekommt.
Entwickler/Publisher: Milestone / Bandai Namco Entertainment Erscheint für: PS4, Xbox One, PC - Geplante Veröffentlichung: 30. November 2018 - Angespielt auf Plattform: Xbox One