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Risen 2: Dark Waters - Vorschau

Die Geschichte von Alkoholikern, Riesenkraken und Kampf-Papageien

Das erste Risen und ich sind nie so richtig Freunde geworden, was zum Großteil daran lag, dass ich nur die technisch unerträgliche Umsetzung für die Xbox 360 gespielt habe. Ein paar Stunden mit der verkrampften Steuerung reichten aus, bevor die Disc aus meiner Konsole flog. Aber auch der recht langatmige Start sowie die für mich uninspirierte Welt, von der man alles schon irgendwo viel schöner gesehen hat, verhalfen dem Titel nicht gerade zu einem guten Eindruck. Ich habe es als schlecht abgestempelt und nie vorgehabt, dem Spiel eine zweite Chance zu geben.

So sehr verwunderte mich die Freude, die beim Spielen der Vorschau-Fassung von Risen 2: Dark Waters in mir aufkam. Denn in den ersten zwölf Stunden des Abenteuers hatte ich mehr Spaß als mit jedem anderen westlichen Rollenspiel der letzten Jahre - Skyrim eingeschlossen. Direkt zu Beginn des Spiels macht Risen 2 nach meinem Dafürhalten alles richtig und verschwendet nicht meine Zeit mit einem Katalog an Informationen, die ich mir niemals merken könnte.

Erneut übernehmt ihr die Rolle des namenlosen Helden aus dem Vorgänger, der mittlerweile seine Zuflucht im Alkohol gefunden hat. Sein Selbstmitleid findet ein abruptes Ende, als ein Schiff mit wichtigem Proviant und Ausrüstung kurz vor der Bucht von Caldera einem Riesenkraken zum Opfer fällt. Schnell eilt ihr zum Strand und retten die Piratentochter Patty, die man bereits aus dem ersten Risen kennt. Zusammen mit der Inquisition spinnt die Truppe einen Plan, um an eine magische Waffe zu gelangen, die den Kraken erledigen könnte. Ihr sollt euch als Pirat ausgeben und zusammen mit Patty bei ihrem Vater Stahlbart anheuern.

Risen 2 - Deutscher Trailer

Mehr braucht ihr nicht zu wissen und mit mehr Hintergründen schüttet euch das Spiel auch nicht zu. Keine seitenfüllenden Monologe, die euch die politischen Standpunkte aller existierenden Fraktionen erzählen oder ein großes Wissen über die Welt zum Verständnis voraussetzen. Bis ihr Caldera verlasst und eure erste Insel ansteuert, auf der sich das Piratenlager befindet, vergehen keine zehn Minuten. Doch wer unbedingt will, darf diese Dinge gerne durch Gespräche mit den Bewohnern auf den Inseln erfahren. "Optional" lautet das Zauberwort.

Das Pacing in der ersten Stunde ist daher wundervoll, und auch wenn ihr zuerst einem festen Pfad über die Inseln folgen müsst, könnt ihr auf diesem tun und lassen, was ihr gerade wollt. Sobald ihr die kurze Einleitung hinter euch bringt, dürft ihr gerne die tropischen Wälder durchqueren, am Strand nach angespülten Schatzkisten suchen, den Anwohnern bei ihren Problemen helfen oder einfach der Handlung folgen.

Leider stört ein gewichtiges Element den ansonsten grandiosen Spielfluss aus fester Handlung und freier Erkundung. Gold ist in Risen 2 wichtiger als je zuvor und zumindest in den ersten Stunden rar gesät. Ihr benötigt die Münzen für fast alles. Waffen sowie Ausrüstungsgegenstände findet ihr zunächst bei keinem Gegner und keiner Truhe, weshalb ihr tief in die Tasche greifen müsst, um ein paar Klamotten zu besorgen. Anschließend muss natürlich eine Karte für das Gebiet her, für die ebenfalls geblecht werden muss. Da Monster bis auf billiges Fleisch kaum etwas fallen lassen und ihr in Missionen entweder gar nicht oder nur sporadisch bezahlt werdet, seid ihr so euer ohnehin mickriges Vermögen schnell los.

Und genau dann trifft euch der Schlag. Jedes einzelne Talent kann nur gelernt werden, wenn ihr zuvor einen ansehnlichen Haufen Münzen angespart habt. Egal ob Schleichen, Schlösserknacken, Stehlen oder Treten. Jede kleinste Fähigkeit erfordert Geld. Wäre alles halb so wild, wenn ihr nicht für viele frühe Aufträge eine dieser Talente erlernen müsstet und euch einfach die Kohle dazu fehlt. Nach den ersten vier Stunden hatte ich immer noch kein einziges Schwertmanöver gelernt, da ich zuerst die zuvor erwähnten Eigenschaften einkaufen musste, um die Aufträge zu erfüllen. Im Grunde ist es eine gute Idee, den Spieler weitere Fähigkeiten durch teure Bezahlungen erlernen zu lassen, um sie so zur Spezialisierung zu zwingen, doch zumindest die Basis-Skills sollten kostenlos sein.

Abgesehen von dieser Tatsache, die sich nach dem Start wieder auflöst, sobald ihr die Grundfertigkeiten kennt, gibt es fast nur ein paar technische Schwierigkeiten, die dem Spielerlebnis im Wege stehen. In der Vorschau-Version gibt es noch Tearing und eine nicht ganz so weite Weitsicht, die in den optisch vollgepackten Gebieten aber nur auffällt, wenn ihr ein sehr offenes Areal betretet. Dass Risen 2 offenbar grafisch hinter The Witcher 2 zurückfällt, kann ich dem Titel wegen seiner lebendigen und glaubhaften Welt gerne verzeihen und bis zur finalen Version dürfte sich eh noch einiges ändern.

Eine zusätzliche Sache, die wahrscheinlich nur mich stört, ist die groteske Sprunganimation, bei der euer Held wie ein kleines Mädchen ein Bein im Sprung anwinkelt. Dabei erinnert er mich nämlich an Dorothy, die gerade sorgenfrei über die Yellow Brick Road hüpft. Nicht gerade männlich und es verhindert ein wenig die vollkommene Immersion. Wie gesagt, handelt es sich eher um ein persönliches Problem. Dafür ähnelt er durch seine Frisur und die Augenklappe Vyse aus Skies of Arcadia. Ganz klar ein starker Pluspunkt.

Sämtliche Fehler lasse ich jedoch gerne in meinem Hinterkopf versauern, sobald ich mich den eigentlichen Missionen, der Welt und den Charakteren zuwende. Vor allem Letztere überzeugten durch ihre verschiedenen Persönlichkeiten und verstärken nicht zuletzt durch ihre unterschiedlichen Probleme die Glaubhaftigkeit. Alle Personen auf einer Insel sind irgendwie miteinander verbunden und man lernt daher mehrere Seiten von ihnen aus verschiedenen Perspektiven kennen.

Die Missionen gestalten sich angenehm abwechslungsreich und erfordern den Einsatz aller Gameplay-Mechaniken. Warum jedoch eine Mini-Map weiterhin fehlt, bleibt ein Rätsel. Ich verstehe ja den Grund für diese Entscheidung. Der Spieler soll Dinge selbst herausfinden und die Beschreibungen der Bewohner zur Suche seiner Ziele benutzen. Dennoch sollte eine Mini-Map optional bleiben oder zumindest nur die Karte ohne Markierungen enthalten. Denn den ständigen Wechsel in das Menü hätte man sich so leicht sparen können.

Als größten Pluspunkt sehe ich das Kampfsystem, das sich wunderbar an das Piratensetting anpasst und die Lebenseinstellung eines Freibeuters zelebriert. So könnt ihr neben eurer Hauptwaffe beispielsweise eine Pistole in die andere Hand nehmen und eurem Kontrahenten während eines Schwertkampfes eine Kugel ins Gesicht jagen. Der richtige Zeitpunkt spielt hierbei genauso wie die Wahl des Munitionstyps eine wichtige Rolle. Oder ihr trainiert einen Papagei, der euch dann im Kampf hilft. Sogar der Einsatz schmutziger Tricks wie das Werfen von Sand ist erlaubt. Wem normale Waffen zu langweilig oder ineffektiv sind, bemächtigt sich der Voodoo-Künste und verzaubert seine Feinde, um sie so gegeneinander aufzuhetzen oder direkten Schaden zu verursachen.

Video: Risen 2 - Entwicklertagebuch: Creating Worlds

Im Schwertkampf mit menschlichen Kontrahenten benötigt ihr eine Portion Taktik, da sie sich nicht so leicht durch Todklicken erledigen lassen wie die Monster. Weicht nach hinten aus, wartet ihre Schläge ab, tretet sie zu Boden oder kontert beziehungsweise pariert mit dem richtigen Timing. Einzig und allein das automatische Wechseln eures Ziels wirkt wenig ausgereift, da ihr oft den nächsten Feind anvisiert, ohne es zu wollen.

Da ihr anstatt normaler Erfahrungspunkte für sämtliche Aktionen Ruhm erhaltet, eine Steigerung der Attribute schnell das Münzen-Konto leert und ihr Talente mit viel Gold bezahlen müsst, solltet ihr euch früh entscheiden, in welche Richtung ihr euren Charakter entwickelt. Gleiches gilt für die Gefechte mit eurem Säbel. Alle Fertigkeiten müssen erst durch viel Gold und Investition von Ruhm freigeschaltet werden. In den ersten Stunden gestalten sich die Kämpfe daher weniger abwechslungsreich. Habt ihr die verschiedenen Möglichkeiten aber erst einmal freigeschaltet, entwickelt sich eine willkommene Tiefe im Kampfsystem.

So sehr ich auch den ganzen Tag über zahlreiche Kleinigkeiten meckern könnte, verwandeln sie sich vor dem Gesamtbild in nichtige Probleme, die ich gerne verzeihe. Dazu gefallen mir das Szenario, die sympathischen Charaktere und das Kampfsystem zu sehr. Auch wenn ihr Letzteres erst nach ein paar Stunden mit dem nötigen Variantenreichtum füllt, kann es ab diesem Zeitpunkt voll und ganz überzeugen. Da machen mir selbst die Mädchen-Sprünge oder die fehlende Mini-Map nichts mehr aus. Denn auch wenn man ein Spiel systematisch in seine Einzelteile zerlegt und eine Liste aller Fehler erstellt, kommt es am Ende nur auf den Spaß an, den man dabei hatte. Und in diesem Punkte konnten die ersten Stunden von Risen 2 mich voll und ganz überzeugen.

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