Risen
Gothic II, ahoi!
Ein Teil dieser Wesen sind alte Bekannte, reichen von Stachelratten und Wölfen über Skelette und Wildschweine, bis hin zu den im Untergrund lebenden Aschebiestern. Der andere Teil soll sich laut Angabe aus einer „einzigartigen Tierwelt“ zusammensetzen, kraucht durch Sümpfe, Wüsten und Co. Und sie alle folgen eigenen Angriffstaktiken, treten entweder allein oder im Rudel auf, erfordern spezielle Herangehensweisen. Könnt Ihr zum Beispiel dieses oder jenes Biest durch simples Malträtieren der Maus in die ewigen Jagdgründe bugsieren (ähnlich Two Worlds), spielt beim nächsten eine Kombination aus Timing und gezielter Schläge eine (überlebens-) wichtige Rolle. Und je weiter Ihr durch die vier Kapitel schlendert, umso mehr Tiefe soll das Kampfsystem erfahren.
"Die Monster halten sich an einen realistischen Rhythmus, sie schlafen und fressen. Und sie unterliegen zudem diversen Verhaltensmustern.“, betont Björn und demonstriert es anhand einer junger Stachelratte, die sich genüsslich an der Leiche eines Schiffbrüchigen labt. Nähert Ihr Euch dem bissigen Viech, dreht es sich kurzzeitig um, gibt einen warnenden Knurrlaut von sich und widmet sich abermals seinem Schmaus. Stört Ihr es erneut, müsst Ihr mit den Konsequenzen leben.
Stichwort Konsequenzen: Im Gegensatz zu den „Vorläufern“ beschränkt sich Risen nicht auf ein Rufsystem bei den Fraktionen. Ja, Ihr werdet weiterhin Gelegenheit haben, es Euch mit einer Gemeinschaft zu verderben respektive sie durch Eure Hilfsbereitschaft und heldenhaften Taten zu überzeugen. Aber viel wichtiger: Jeder einzelne Bewohner der so genannten „verbotenen Insel“ ist Ruf- und Gedächtnis-gebunden.
Verscherzt Ihr es Euch also mit dem Händler an der Ecke, durch Diebstahl, unfreundliche Worte, und so weiter, verweigert er Euch fortan jegliche Zusammenarbeit. Was nicht zwangsläufig für seine komplette Sippe gelten muss. Umgarnt Ihr eine holde Maid an anderer Stelle, ist sie Euch wohlgesonnen, senkt gegebenenfalls die Händlerpreise, berichtet jedoch nicht ihren Vettern davon.
Und damit einhergehend offeriert Euch Piranha Bytes auch ein stattlicheres Kontingent an Möglichkeiten in Bezug auf die NPCs. Ein schlichtes „so spielt man die böse Seite, so die gute“ a la Fable I & II wird nicht zum Zuge kommen. Dafür viele ineinander gesponnene Handlungsoptionen, die immer neue Seiten aufzeigen, Euch zum wiederholten Spielen einladen. “Ob bei Nebenquests oder der Hauptgeschichte, wir wollen, dass der Spieler es so spielen kann, wie er es möchte“, wirft Mattias Filler, Story- und Gamedesign, ein. Kleines Beispiel: Sara, die Dame vom Strand, bittet Euch, sie in Sicherheit zu bringen. In eine Stadt, eine Siedlung, was immer sich tief im Wald oder der Küste einfindet. Ihr habt nun die Wahl, ihrer Bitte Folge zu leisten und sie zur nächsten Hütte zu eskortieren. Oder Ihr zieht allein von Dannen und überlasst sie ihrem Schicksal.
Entscheidet Ihr Euch für die zuletzt genannte Alternative, eröffnen sich weitere Aktionsstränge. A) Ihr kümmert Euch nicht mehr um die Sache, verdrängt Sara aus Euren Erinnerungen. Das Resultat: Sie wird irgendwann vermutlich von streuenden schwarzen Wölfen vertilgt. B) Ihr marschiert zu einem späteren Zeitpunkt in das versteckte Lager der Rebellen/Banditen und erzählt einem dort Ansässigen von Sara. Selbiger macht sich auf, schnappt sich die verfrorene Frau – sofern sie nicht schon schnabuliert wurde - und teilt ihr eine Behausung und Arbeit zu. C) Ihr stattet den Bewohnern der Hafenanlage einen Besuch ab, haltet einen Schwatz mit den Ordenskriegern, das in einem ähnlichen Verlauf wie B resultiert. Außer dass Sara dementsprechend andere Tätigkeiten verrichtet.
Handwerkberufe sind natürlich auch in Risen mit von der Partie, regen Euch mitunter dazu an, der Schmiedekunst zu frönen und Eure eigenen Rüstungsgegenstände anzufertigen. Oder Euch in die naturverbundenen Künste der Alchemie zu begeben, um das Inventar mit nützlichen Tränken zu füllen. Über den Daumen gepeilt all das, was Ihr schon in den Weiten des Gothic'versums anstellen durftet.
Frisch hingegen ist der Umstand, dass Ihr nicht nur Monster sowohl über- als auch unterirdisch schnetzelt, Euch zu großen Heldentaten aufmacht, und eine breit gestreute Riege an Quests löst, sondern mal hier, mal da die Reize einer Romanze auskosten könnt. Wie man sich das Ganze vorstellen darf, behält Piranha Bytes aktuell noch für sich. Ebenso, ob und wie die PC-Version von Risen in punkto Achievements bestellt ist. Da gleichzeitig die Xbox 360-Fassung zustande kommt – wenn auch von einem anderen Team, einen Namen wollte man nicht verraten -, würde es sich schließlich anbieten. In Sachen Qualitätssicherung will Piranha Bytes wie angekündigt keine Fehler mehr machen und versucht mit Nachdruck, bereits in dieser Entwicklungsphase sämtliche Bugs und Ungereimtheiten auszumerzen. Nebst dem externen QA-Team von Deep Silver hat man intern eine Schnittstelle geschaffen, die jeglichen Fortschritt mit Argus-Augen überwacht und bei der kleinsten Misere Alarm läutet. Risen soll eben wie versprochen zum Release ein gänzlich „bugfreies Spiel werden“. So lange sich dieser auch hinziehen mag.
Heißt im Grunde für Euch: Stellt Euch auf ein Action-Rollenspiel ein, das zurück zu den Gothic-Wurzeln tigert. Eines, das sogar auf den ersten Blick und beim Probe-Spielen ein Stück weit wie Gothic II schmeckt. Und das ganz bewusst, wie uns die Piranha Bytes-Mannen verrieten. Weil man dieses Spiel „nach den Wünschen der Fans kreiert“. Also alles nur noch einmal aufgewärmt, versehen mit farbenfroher Grafik und einigen Änderungen hier und da? Das mag dem einen oder anderen sicherlich so vorkommen. Zum jetzigen Zeitpunkt und angesichts der kurzen Anspielzeit ist es allerdings noch zu früh, um ein abschließendes Urteil in Sachen Verwertung zu treffen. Und sollte es tatsächlich lediglich ein Gothic II in neuem Gewand sein, wäre das meines Erachtens auch nicht weiter schlimm. Denn letztlich ist es genau das, was viele von uns wollen.
Risen erscheint für PC und Xbox 360, wenn es „fertig ist“. Nebenbei erwähnt: Risen arbeitet auf eine USK 12 hin.