Road 96 ist ein kreativer Rebellen-Road-Trip mit angezogener Handbremse
Das Adventure erzählt vom totalitären Staat Petria in den 90ern und von einem spannenden Fluchtversuch über die Grenze - und so spielt sich dieser Trip!
Lust auf einen actonreichen Roadtrip im Sommer? Ihr wollt nicht nur entspannt am Strand herumlümmeln, sondern richtig was erleben? Dann haben wir hier die ideale Abenteuerreise mit Halbpension, Dosenfutter-Frühstück, Taxi-Service und Rebellion inklusive. Ihr solltet allerdings nichts gegen etwas wildere Fahrten, ein paar Einschusslöcher in der Fahrertür oder die eine oder andere Polizei-Durchsuchung haben.
Falls das alles zu euch passt, könnte Road 96 von DigixArt der perfekte Kurzurlaub auf PC oder Switch für euch werden. Ich habe diesen Ferientrip als virtuelle Reise-Bloggerin mal ein paar Tage ausprobiert und viel Spannendes auf dem Weg entdeckt, ganz und gar mitgerissen hat mich die wilde Fahrt auf der Road 96 aber noch nicht. Warum das Adventure trotzdem ein kurzweiliges Story-Game mit viel Wiederspielwert ist, folgt in meinem Reisebericht.
Willkommen in Petria, gar nicht mal so toll hier...!
Bei Road 96 handelt es sich um ein nonlineares Abenteuer aus zufällig ausgewählten Story-Kapiteln im knalligen Retro-3D-Stil. Gut, der ist auf den ersten Blick vielleicht etwas kantig, aber mit Absicht: Leuchtende Farben, nostalgische Szenerien und die passende Musikbegleitung versuchen nämlich ganz an das Freiheitsgefühl und die Nostalgie klassischer Roadmovies anzuknüpfen. Als Teenager im fiktiven Staat Petria 1996 versucht man nämlich aus einem totalitären Regime zu fliehen, mit jedem Verkehrsmittel, das zur Verfügung steht. Egal ob per Anhalter, Taxi oder zu Fuß, Hauptsache man erreicht die Grenze.
Auf dem Weg winken außerdem zahlreiche spannende Begegnungen, die zufällig generiert eine immer neue Story schaffen. Trefft ihr zwei Biker auf einem Motorradausflug? Einen unheimlichen Taxifahrer? Einen jungen Ausreißer fern von zu Hause? Oder eine landesweite Berühmtheit mit Autopanne? Ihr werdet überrascht sein, wie stark diese einzelnen Geschichten miteinander zusammenhängen! Doch die Straße ist auch voller Gefahren: Wilde Autorennen, Straßenräuber, Killer und die Polizei des strengen Staatsapparates sind genauso präsent wie Hunger und Geldmangel.
Mit Point-and-Click-artigen Mechaniken und zahlreichen Dialog-Entscheidungen hangelt ihr euch durch viele Einzelschicksale und Schauplätze, wie ein verlassenes Diner am Straßenrand, die einzige Tankstelle in der Prärie oder ein heruntergekommener Trailerpark im Outback. Überschattet wird das Ganze vom spannenden Präsidentschaftswahlkampf (Ähnlichkeiten zwischen dem protzigen Präsidenten und echten (Ex-)Politikern sind natürlich rein zufällig!) und von Anschlägen einer regierungsfeindlichen Terrorzelle.
Wenn eure Reise auf dem Weg zur Grenze endet - egal ob im Knast oder unter der Erde - keine Sorge: Dann wählt ihr einfach einen anderen Ausreißer-Teenie in Petria aus und es beginnt eine ganz neue Route, die andere Gefahren und Erlebnisse beinhaltet. Alle Entscheidungen im Spiel beeinflussen dabei aber die Welt, egal ob euer Teenie letztlich Erfolg hat oder ihr einen neuen jungen Flüchtling wählen müsst - das lässt die Welt ziemlich lebendig wirken.
Überfall mit der Nagelpistole...
Auf der Switch steuert ihr euren Roadtrip - und das ist ein kleines Manko des Spiels - vor allem mit einer Kombi aus dem linken Stick als Maus und den X/Y/A/B-Tasten zur Bestätigung und das ist etwas umständlich. Touch unterstützt das Spiel nicht und man muss immer erst den Cursor an die richtige Stelle fahren. Selbst durchs Menü könnt ihr euch nicht einfach mit dem Steuerkreuz navigieren. Aber keine Sorge: Außer in einzelnen Szenen und Minigames müsst ihr meistens nicht schnell reagieren.
Apropos Minigames: Zahlreiche kleine Spiele hauchen der halbstarken 90er-Atmosphäre noch mehr Leben ein. So könnt ihr euch zum Beispiel am Arcade-Automaten austoben, als Beifahrer auf dem Motorrad beim Lenken helfen oder auf einer Party eine Runde Air-Hockey zocken. Die Steuerung der Minispiele wirkt nicht immer 100-prozentig ausgereift - mit einem Switch-Stick zu schießen ist zum Beispiel wild, besonders wenn man mit der Nagelpistole feuert. Das ist aber nicht so schlimm: Die Minispiele sind oft nicht schwer und viele davon optional.
Einfach nur mit Luft und Liebe durch das Land reisen, Spiele spielen und der Polizei ausweichen ist aber auch drin, denn logischerweise müsst ihr dabei auf euren Geldbeutel und euren knurrenden Magen achten. Aber keine Sorge: An ein paar Münzen oder einen kleinen Snack kommt man immer... ob ihr dafür bereit seid, das Gesetz ordentlich zu verbiegen, entscheidet ihr selbst! Wirklich am Limit war ich in Sachen Gesundheit oder Essen bisher aber nie, vielleicht hatte ich da jedoch Glück mit den richtigen Szenen!
Abenteuerreise statt Schreckensvision
Wenn ich an den ersten Rundfahrten auf der Road 96 etwas gezielt kritisieren wollte, wäre es, dass das Abenteuer eine Weile braucht, um einen in den Bann zu ziehen. Trotz der aufregenden Reise, der vielen Figuren und der tollen Musik hat mich der Road Trip anfangs nicht so gefangen, obwohl Adventure und Rebellion förmlich nach mir schreien.
Man wird durch die prozedural ausgewählten Szenen einfach sehr schnell auf die Straße geworfen, weiß zuerst wenig über die Welt und muss eine Weile mit dem Setting warm werden. Die Lücken füllen sich aber nach und nach und man wird immer neugieriger. Was ist das zum Beispiel für ein geheimnisvolles Mordkomplott, von dem ich da gehört habe und wie komme ich dem auf die Schliche?
Als politisches Rebellen-Abenteuer ist Road 96 aber auch eher luftig angelegt. Das ganz große Drama oder die extremen Emotionen blieben bei mir erst mal aus, denn die Begegnungen waren trotz ernstem Rahmen und extremer Situationen fast zu "fluffig" und Comic-haft, um wirklich bedrohlich zu sein - mehr Teeniefilm als Tarantino. Spannung, Überraschungen und Spielspaß kommen trotzdem nicht zu kurz und das unbarmherzige Petria nimmt einen von Versuch zu Versuch mehr gefangen.
Bis zur Grenze habe ich es aber tatsächlich auch noch nicht geschafft, vielleicht lebe ich in diesem Spiel ja etwas zu sehr am Limit. Egal, auf eine neue Reise!