Rocksmith - Test
Echtes Gitarrenspiel für Pros und Noobs und keinen so richtig.
So, da ist es also. Jetzt in der Europa-Version. Das Gitarrengame der Stunde und schlechthin sowieso. Und immer noch muss ich fragen:
Warum? Warum? Warum? Warum gibt man nicht dem Spieler die Kontrolle? Warum? Warum? Warum?
Okay, vielleicht kann ich bei dieser Version ein oder zwei "warum" weglassen, aber trotzdem.
Wer die Vorschau, basierend auf der US-Version las, weiß, dass man in Rocksmith alles machen kann, was eine echte Gitarre kann. Weil es eine Echte ist. In der Box liegt ein Kabel für PC, PS3 oder Xbox 360, jede E-Gitarre (und jetzt auch jeder Bass) mit dem Standard-Klinkenanschluss passt sofort und es gibt technisch nicht die geringsten Probleme. Nicht nur das, auch die Übertragung der gespielten Noten und Akkorde an das Spiel ist absolut tadellos. Alles wird richtig erkannt, nichts geht verloren, rein von dieser spezifischen, technischen Warte aus betrachtet ist Rocksmith eine echte Leistung. Applaus bitte, die Entwickler haben ihn sich redlich verdient.
Über alles, was folgt, kann man sehr unterschiedlicher Meinung sein, deshalb versuche ich, das Spiel aus zwei Perspektiven zu beleuchten und es euch damit leichter zu machen, zu entscheiden, ob es was für euch sein könnte. Die Erste wäre meine Weltsicht, die eines weitestgehenden Gitarrenlegasthenikers. Die andere ist die eine Freundes, der dieses Instrument sehr ordentlich beherrscht. So viel vorweg, vom Start weg war keiner von uns beiden wirklich glücklich.
Fangen wir mit Leuten an, die zumindest ein paar nicht ganz vergessene Gitarrenstunden hatten: Die Anzeige auf dem Screen dürfte das größte Problem sein. Hier wanderten Noten farblich codiert und mit einer Bund-Nummer versehen auf euch zu. 2 Gelb ist A. Wenn ein Gitarrenspieler H sieht, weiß er was damit anzufangen, 2 Gelb erst mal im Kopf zu übersetzen und zu sehen, dass es H ist, stellt sich als gar nicht so einfach heraus. Aber das ist etwas, an das man sich gewöhnen kann. Es dauert, manchen fällt es leichter als anderen, aber diese Hürde kann jeder nehmen, selbst wenn eine alternative Anzeige für die Zukunft vielleicht keine schlechte Idee wäre.
Womit jedoch weder Einsteiger noch "Pro" zufrieden waren, das ist der nach wie vor nicht justierbare Schwierigkeitsgrad. Rocksmith glaubt zu wissen, wie gut ihr seid, und passt die Zahl der Noten an, angefangen von einzelnen Tönen mit langen Pausen bis zu den authentischen Akkorden eines Songs. Spielt ihr gut, geht es sogar schon mal innerhalb eines Songs nach oben und der letzte Refrain kann sich durchaus etwas anders spielen als der erste drei Minuten zuvor.
Das ist … ich wollte jetzt grad was Drastisches sagen, aber ich bin nett: Es ist keine schlechte Idee. Als zusätzliche Option. Als einzige Verfügbare? Nein. Nein und nochmals: nein. Selbst gitarrenerfahrene Spieler werden da von Zeit zu Zeit aus dem Konzept geworfen, aber für sie geht es noch. Für mich jedoch, der froh ist, dass er grad die eine Noten- und Akkord-Folge beherrscht und sie gerne zumindest bis zum Ende des Songs spielen möchte, um die Übung zu bekommen, werde überfahren am Straßenrand des Notenbretts zurückgelassen. Zumindest solange bis das Spiel einsehen hat und wieder ein paar Gänge zurückschaltet. Woraufhin ich dann erneut erst mal reinfinden muss, aber zumindest eine Chance habe. Bis ich wieder genug Treffer lande und das ganze Spielchen von vorn anfängt. Sorry, Rocksmith, einen Song zu spielen, macht mir so keinen Spaß. Null.
Warum ist das nicht optional? Warum gibt es nicht zusätzlich fünf oder so definierte Schwierigkeitsgrade? Vielleicht will ich gar nicht viel besser als der Erste oder Zweite werden, vielleicht habe ich nicht einmal die Zeit dafür? Pech gehabt, Rocksmith weiß, was gut ist und da ich weiß, was gut für mich ist, halte ich mich von den Songs fern. Schade, aber andererseits ist der Karriere-Modus sowieso ziemlich lieblos. Viel verpasst man da nicht, zumindest von spielerischer Seite. Die Songauswahl selbst, etwa 50 Tracks, ist solide, ein paar Überraschungen wie Sigur Ross, aber insgesamt eher auf sicher gespielt (hier findet ihr eine vollständige Liste). Die Extras drumherum dagegen sind stattlich und genaugenommen der eigentlich wichtige Teil des Spiels.
So lassen sich die zwei Dutzend verscheiden Gitarrentechniken und Fingergriffe üben. Sehr gut, sehr wichtig und wenn man das nicht als "Challenge" aufgebaut hätte, sondern zusätzlich noch als echten Endlos-Übungsmodus, dann wäre das auch noch besser als es so der Fall ist. Selbiges gilt auch für die Optionen zum Üben der Akkorde eines Songs. Ein Dutzend mal gespielt, dann ist die Übung zu Ende und ihr seid wieder im Menü, wo ihr die Wiederholung auswählen müsst, um erneut die 60 oder so Sekunden spielen zu können. Gebt mir doch einfach die Option, endlos zu spielen. Kostet das extra?
Etwas besser gestaltet sich nun der Riff-Repeater, in dem ihr einen Part eines Songs so lange wiederholt und das sogar mit ein wenig Einfluss auf das Tempo, bis das Spiel der Meinung ist, dass ihr gut genug seid. Dann werdet ihr wieder ins Menü gekickt. Wiederum, einfach eine Weile nach eigenem Gusto ungestört zu üben, das gibt es nicht.
Etwas, worüber sich alle freuen können, sind die Arcade- und der Amp-Modi. Im Ersteren habt ihr einen ganzen Schwung Minispiele, die alle auf das Anschlagen der richtigen Seite hinauslaufen. Sie starten locker, steigern sich im angemessenen Tempo und machen so Anfänger wie Profis gleichermaßen Spaß, auch wenn letztere natürlich weit höhere Scores erzielen werden. Aber trotzdem, auch für Anfänger ist das eine gute Übungsrunde. Hier wie auch beim Amp stört, dass praktisch alles über sehr lange Zeit freigeschaltet werden muss. Den Sinn, solche Dinge in so einem Spiel vorzuenthalten, sehe ich nicht. Lass mich Gitarre zupfen, wie ich will, es geht um Freiheit und so. Rocksmith jedoch hält gerne Dinge unter Verschluss, wie den Amp, mit dem ihr hunderte Gitarrensounds austesten und selbst und ohne Vorgaben spielen könnt, bis euch die Finger bluten. Anfänger experimentieren aus Spaß an den lustigen Tönen, Pros gucken, welche Sounds für sie und vielleicht sogar ihre eigenen Songs passen könnten, ohne viel Geld für echte Amp-Spielereien ausgeben zu müssen. Ein guter Bonus und einer, der nicht unter einem anderen Problem des praktisch ganzen restlichen Spiels leidet.
Dieses ist, dass ihr immer wieder die Gitarre loslassen und zum Pad greifen müsst. Es ist eine unwillkommene Unterbrechung, aber zum Glück bei Weitem nicht mehr die Bürde, die es noch in der US-Version war. Die Ladezeiten haben sich massiv verkürzt, bis zu dem Punkt, ab dem ich sagen kann, dass sie weitestgehend irrelevant sind. Auch die Überempfindlichkeit des Gitarren-Stimmens hat sich ein wenig entschärft. Ihr müsst jetzt nicht nach jedem Übungsakkord sofort nachregeln, alles bewegt sich in klanglich sinnvollen Maßstäben.
Gänzlich neu dazu kam der Bass und der ist eine echte Bereicherung. Bass macht Spaß! Vielleicht ist es nicht so glamourös, vielleicht kriegt man nicht alle Groupies, aber ja, ich kann verstehen, warum Leute gerne Bass spielen. Die Bassspuren wurden natürlich auch authentisch bis hinunter zu "sinnvoll für Anfänger" eingebunden, nur die restlichen Probleme bleiben auch hier bestehen. In den Multiplayer-Modus integriert sich der Bass sehr sinnvoll. Ein Spieler spielt Bass, der andere Sixstring und jeder mit seinem eigenen, auch hier wild schwankenden Schwierigkeitsgrad. Zwei Pros zusammen haben hier viel Spaß, sofern sie zwei Kabel haben. In der Packung liegt leider nur eines, ein Extra-Kabel ohne Spiel gibt es bisher nur in den USA und kostet dort 50 Dollar, also fast zwei Drittel des ganzen Pakets. Also, leider zwei Spiele holen, wenn man vor einer Konsole stehen möchte oder US-Import plus Zoll zahlen, es kommt fast auf das Gleiche hinaus. Nicht die besten Optionen.
Die europäische Version von Rocksmith ist ein kleiner Fortschritt, aber das ebenso offensichtliche wie geniale Konzept verkauft sich nach wie vor unter Wert. Die Idee ist da, die Technik funktioniert tadellos. Wenn jetzt in einer zukünftigen Version einfach noch die Freiheiten dazukommen, die mich wählen lassen, wie ich was spielen möchte und den selbstanpassenden Schwierigkeitsgrad zu einer Option statt des aktuellen Zwangs werden lassen, dann bin ich auch dabei. So ist es vor allem für Leute, die die ersten (vielen) Stunden an einer Gitarre hinter sich haben, die ein paar Griffe kennen und können. Für sie ist das der gangbare Schritt in den Musikspiel-Himmel. Der Rest muss sich erst mal hart bis an dessen Tore vorarbeiten. Das ist möglich, aber es könnte nach wie vor, mit ein paar einfachen Freiheiten mehr für den Spieler, ein so viel besseres Spiel sein, egal wie gut ihr an den Saiten zupfen könnt. Dann würde das Spiel seinem Motto "Jeder kann Gitarre spielen" auch gerecht werden.