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Rogue Galaxy

Eine starke Erschütterung der Macht

Star Wars ist überall. Wie die alles durchfließende ’Macht‘, mit der Darth Vader seine Lakaien würgt oder Obi Wan die geistig Schwachen von seiner Meinung überzeugt, dringen die Motive und Themen von George Lucas Space-Oper durch weite Teile der Gesellschaft und Popkultur. Vor zwei Jahren hat der finale Teil der unsäglichen Prequel-Trilogie mit vielen unserer schönsten Kino-Erinnerungen ihr allerletztes Schindluder getrieben. Man könnte meinen, dass es so langsam Zeit wird, dass jemand unser Bild davon wieder gerade rückt: Weg vom seelenlosen Effektbrimborium und Schluss mit hanebüchenen Polit-Ränkelspielen und Alibi-Dialogen. Wir brauchen wieder Geschichten vom Jungen, der ins All hinaus zieht, um sich gegen ein mächtiges Imperium aufzulehnen. Jawohl!

Bei gewissen Spezialattacken müsst Ihr die eingeblendete Tastenfolge nachdrücken.

Dass Level 5 „nur“ eine hübsche Hommage an eine der fundamentalsten Film-Serien liefert, ist dabei gar nicht so wichtig. Was zählt ist das Herz, das in ihr schlägt, der Geist, der sie beseelt – und der könnte nun mal einer japanischen Version des George Lucas Anno 1977 entsprungen sein. Wie der Knabe aussehen könnte, möge sich jeder bitte selbst ausmalen. Das Spiel, das sich so charmant in unser Herz mogeln will, ist jedenfalls eine ziemlich attraktive Angelegenheit.

Jaster Rogue ist ein Waisenjunge, der sein bescheidenes Kopfjäger-Dasein auf einem kargen Wüstenplaneten fristet. Für jemanden wie mich, der unter derartiger Sonneneinstrahlung schnell einen krebsfarbenen Teint annimmt, nicht unbedingt eine Wahlheimat. Dennoch hätten die Bewohner des Planeten Rosa eigentlich gut Lachen. Für ausreichend Sun Blocker ist gesorgt und die wertvollen Rohstoffe unter der sandigen Pelle des unwirtlichen Gestirns versprechen zumindest wirtschaftlichen Wohlstand. Das Problem ist nur, dass das Commonwealth von Longardia dies zuerst begriffen hat. Und nicht nur das: Longardia hat auch die entsprechende Armee, um seine eigenen Pläne mit Rosa zu schmieden. Seitdem hocken die raffgierigen Besatzer nach allen Regeln der Ausbeuter-Kunst auf den Reichtümern, die Mutter Rosa eigentlich ihren Kindern vermacht hatte. Als Teil der ansässigen Null Bock-Generation ist Jaster also hauptsächlich damit beschäftigt, seinen Lebensunterhalt mit der Jagd auf Monster zu verdienen – und davon zu träumen, der kosmischen Wanderdüne irgendwann den Rücken zu kehren.

Piratenbräute in Action.

Wie der Zufall so will, geschieht natürlich genau das. Allerdings reist der Blondschopf nicht per Anhalter durch die Galaxis, sondern als Mitglied einer schrägen Truppe von Weltraumpiraten. Die ist in bester Videospiel-Tradition natürlich alles andere als böse – und während man schon beginnt, die Mannschaft nach fehlenden Gliedmaßen abzusuchen, räumt Zegrams verwegene Augenklappe die letzten Zweifel restlos aus: Die Kollegen müssen einfach Freibeuter sein. Mit Kurs auf‘s Abenteuer geht es also durch Universum. Und da gibt es viel zu tun.

Spieler, die 2003 Dark Chronicle gekauft haben (ja, alle fünf), wissen, dass Level 5 schon immer einen Faible für Action-Elemente hatte. Allen anderen liefert nun Rogue Galaxy den Beweis. Eure Dreier-Party schlachtet sich stets in Echtzeit sehr flott und dynamisch mit je einer Nah- und einer Fernwaffe durch Gegnermobs mit unterschiedlichen Konfektionsgrößen. Während Ihr mit einem Charakter Eurer Wahl kurioses Feindgekreuch zerdeppert, wehren sich Eure Kollegen recht selbstständig gegen ihre Angreifer. Und obwohl man auch jederzeit die hübsche Kisala, Hundegesicht Deego oder die Amazone Lilika kommandieren darf, legt man sich doch ziemlich freimütig auf Jaster fest. Die effektgespickten Massenkeilereien geraten zu Anfang noch recht hektisch. Beginnt man aber, die jederzeit verfügbare Pausenfunktion zu nutzen, sortiert, benutzt und befiehlt man mit sehr viel mehr Übersicht. Schön auch, dass Euch die Kollegen per Sprechblase um Erlaubnis fragen, bevor sie bestimmte Gegenstände einsetzen.

Ganz wild drauf los zu prügeln, ist allerdings weniger ratsam, da Euer Rhythmus neben den Trefferpunkten auch von den Aktionspunkten Eures Charakters bestimmt wird. Die Angriffe und Aktionen wollen also mit Bedacht getimed werden, will man am Ende seiner Kräfte nicht wehrlos niedergekeult werden. Sind die Aktionspunkte doch einmal aufgebraucht, hilft nur noch warten - oder das geschickte Blocken von Attacken. Neben den nur selten spürbaren Ladezeiten fällt vor allem auf, dass auch in dieser Galaxie die Gegner dort bekämpft werden, wo sie dem Spieler auflauern. Eine gesonderte Kampfarena wie in Okami oder ungezählten anderen Japan-RPGs gibt es nicht. Noch experimenteller geht es bei der Charakter- und Waffenentwicklung zu: Neue Fähigkeiten erlangt Ihr erst, wenn Ihr vorgegebene spezielle Items auf einem Revelation-Grid kombiniert, auf dem es für jeden Charakter eigene Skills zu entdecken gibt. Und in einer eigenen Waffenfabrik dürfen Schießprügel und Schwerter in einer Art Minispiel zu größeren Kalibern veredelt werden. Es ist einfach typisch Level 5, wie hier die Experimentierfreude des Spielers benutzt, gefördert und – schlussendlich – belohnt wird. Das muss man nicht mögen – ich für meinen Teil bin davon aber schon immer sehr angetan gewesen.

Nicht anders gewohnt ist ebenfalls die brillante Präsentation: Land und Leute wirken wie mit einem feinen Pinsel und einem zuverlässigen Näschen für Ästhetik auf die Mattscheibe gezaubert. Schillernd und farbenfroh sind die Attribute, die einem am häufigsten in den Sinn kommen, wenn man die Szenenbilder der Japaner bestaunt: Seit Dark Chronicle und Dragon Quest VIII, dem Level 5 im Auftrag von Square Enix Leben einhauchte, steht dieses Team für absolute Cel-Shading-Perfektion. Und Rogue Galaxy ist nichts anderes als ein weiteres Empfehlungsschreiben.

Ich jedenfalls konnte mich bislang noch nicht satt sehen und freue mich schon darauf, in der finalen Version die letzten Winkel der weit, weit entfernten Schurkengalaxie zu erkunden.

Wenn auch der genaue Termin noch aussteht: Im Juni ist es aller Voraussicht nach soweit.

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