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Rogue Legacy 2 – Test: Weniger Rogue als der Name vermuten lässt

Und das ist gut so!

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Die umfangreiche Charakterentwicklung ist angenehm motivierend und die prozedurale Spielwelt fühlt sich überraschend beständig an.

Vor mehr als zehn Jahren war Rogue Legacy ein Vorreiter, denn als eins der ersten Spiele ahmte es nicht einfach das 1980 erschienene Rogue nach, sondern machte dessen prozedurales Leveldesign auch außerhalb klassischer Top-Down-Rollenspiele populär. Auch den nach jedem Tod erforderlichen Neustart übernahmen die neumodischen Vertreter – erleichterten die folgenden Sitzungen allerdings, indem man einige Waffen und Verbesserungen über das Ableben hinaus behalten durfte. Das zieht manchem Game Over den Zahn und spornt mit einer zeitgemäßen Charakterentwicklung zum Dranbleiben an.

Um Spielern diese motivierende Wiederholschleife schmackhaft zu machen, bezeichnete Cellar Door Games sein erstes Rogue Legacy damals als Rogue-"LITE" (sic!) – ein Begriff, der im Handumdrehen zu einem der wichtigsten Aufkleber aktueller Indiespiele wurde.

Und was macht Cellar Door Games? Na, genau da weiter! Denn vor zwei Jahren startete Rogue Legacy 2 in den Early Access auf Steam, bevor es vor einigen Tagen auf PC und Xbox fertig veröffentlicht wurde. Nicht um erneut viel Neues einzuführen, aber um einmal mehr vieles verdammt richtig zu machen und den Rogue-Vettern zu zeigen, wie gut Zufallslevels und Rollenspiel zusammenkommen...

Auf den ersten Blick ist Rogue Legacy 2 ein ganz normaler Plattformer.

... samt einer guten Portion Metroidvania, denn im Kern ist Rogue Legacy ein Plattformer, in dem gefährliche Gegner warten sowie fiese Fallen und verschlossene Türen, die sich erst öffnen, wenn man anderswo die Fähigkeit erhalten hat, den Mechanismus zu bedienen. Immerhin startet man als ziemlich unbedarfte Abenteurerin oder Abenteurer und muss zunächst mal ohne Doppelsprung, Dash und andere Tricks zusehen, wie man die recht bissigen Feinde beseitigt bekommt, um irgendwann ihre Bosse niederzuringen.

Schleife der Generationen

Man will ja ein auf einer Insel gelegenes, verfallenes Königreich erkunden – wobei zunächst gar nicht klar ist, warum man das eigentlich tut und was dort geschehen ist. Über hinterlassene Nachrichten puzzelt man daher Stück für Stück die Historie einer Welt zusammen, die erstaunlich gut ausgearbeitet ist, wenn auch in den seltensten Fällen interessant geschrieben. Ich habe viele Texte jedenfalls schnell weggeklickt, zumal die Erzählung hier ohnehin nur in der zweiten Reihe sitzt.

Der erste Boss ist gleich Geschichte.

Auf jeden Fall wird man alle sechs Umgebungen, die es auf der Insel zu erkunden gilt, nicht beim ersten Mal gleich sehen, sondern recht bald das Zeitliche segnen und daraufhin tatsächlich tot sein. In Rogue Legacy wird man nämlich nicht wiedergeboren – wählt stattdessen aber einen Erben, mit dem man das Abenteuer fortsetzt. Drei davon stehen nach jedem Tod zur Wahl, von denen alle einer anderen Klasse angehören und besondere Eigenschaften besitzen. Die stellen oft eine zusätzliche Herausforderung dar, erhöhen dafür aber die Menge des einzusammelnden Goldes. So knifflig es etwa sein kann, dass alle Gegner nur als Schatten dargestellt werden oder die eigene Sicht bei jedem Treffer stark eingeschränkt wird: Über Gold werden die Abenteurer mit wachsendem Familienbaum immer stärker.

Umso besser also, dass die komplette Kohle nach dem Tod auf den Erben übertragen wird, sodass er oder sie das Anwesen ausbauen kann, von dem aus jeder Run gestartet wird. Jeder Ausbau des Anwesens bedeutet dabei das Freischalten weiterer Klassen, das Erhöhen des Lebensbalkens, das Engagieren eines Schmieds zum Herstellen neuer Ausrüstung oder vieles, vieles mehr. Dieser umfangreiche Ausbau ist klasse! Rogue Legacy 2 geht damit in Sachen Charakterentwicklung jedenfalls weiter als andere Spiele seiner Art und spornt so stärker zum Dranbleiben an.

Allein die Waffen und Rüstungsteile des Schmieds (man muss sie zunächst finden und anschließend dauerhaft freikaufen) ermöglichen ein sehr individuelles Abstimmen der Alter Ego. Hinzu kommen weitere Möglichkeiten verschiedene Werte wie den kritischen Schaden dauerhaft zu erhöhen, teils verbunden mit dem Meistern anspruchsvoller Herausforderungen, was dem Ganzen eine weitere motivierende Ebene verleiht.

In der umfangreichen Charakterentwicklung schaltet man neue Klassen frei, verbesserte zahlreiche Grundwerte und einiges mehr.

Und da bin ich noch gar nicht auf die Charakterklassen eingegangen, die mit sehr unterschiedlichen Waffen sowie Talenten hantieren und über jeweils eigene Besonderheiten verfügen. Zauberer laden über normale Angriffe etwa die Mana-Leiste zum Ausführen magischer Attacken auf, während sich Attentäter kurz unsichtbar machen und Köche binnen Sekunden eine Suppe zum Heilen kochen. 15 solcher Klassen gibt es und es macht großen Spaß sie alle auszuprobieren und die zum Spielstil passenden zu verinnerlichen.

Zumal Rogue Legacy 2 nicht nur viele Bausteine des Rollenspiels anbietet, sondern sie auch sehr sinnvoll zusammenbringt. Ein Beispiel dafür ist die Tatsache, dass man das beim Schmied gewählte Set aus Waffe und Rüstungsteilen für jede Klasse separat speichern kann. Ich bin für solche durchdachten Handgriffe immer dankbar und freue mich außerdem darüber, dass man dieses Spiel über eine Reihe an Modifikatoren auch auf höchster Ebene für sich zurechtschneiden kann. Über diese Hausregeln ändert man die Gesundheit von Freund und Feind, kann beim Zielen die Zeit verlangsamen, dauerhaft fliegen und mehr.

Auch als Koch zieht man hier los. Dann kann man sich immerhin heilen - direkt im Kampf und sogar mitten in der Luft.

Prozedural und beständig

Die Sache ist: Das Rollenspiel ist in diesem Roguelike so präsent, dass sich die Welt angenehm beständig anfühlt, obwohl die einzelnen Levels wie gehabt mit jedem Run neu erstellt werden. Denn obwohl man den aktuellen Abenteurer auch während des Erkundens und Kämpfens verbessert, findet der Großteil der Charakterentwicklung über den steten Ausbau des heimatlichen Anwesens statt. Auch dass die sechs verschiedenen Umgebungen nicht stur nacheinander abgeklappert werden, sondern sternförmig und immer in denselben Himmelsrichtungen um eine zentrale Kapelle gelegen sind, vermittelt ein besseres Gefühl für die Räumlichkeit der Kulisse.

Und dann gibt es noch einen Kniff, der vor allem Bosskämpfe erleichtert, weil er den aktuellen Levelaufbau einfriert, sodass man sich nach jedem Tod im Handumdrehen zu dem einmal freigeschalteten Teleporter vor der Kammer des Oberbösewichts beamt. Man erhält beim Abgrasen einmal erledigter Flure dann zwar kaum noch Gold, sprich die Charakterentwicklung wird ebenfalls pausiert. Es nimmt mancher Hürde allerdings den ganz großen Schrecken und verleiht diesem Rogue-Nachahmer eine sehr willkommene Art von Beständigkeit.

Eine coole Idee ist das Einfrieren des aktuellen Level-Grundrisses. Das bringt zwar kaum Gold, erleichtert das Wiederholen anspruchsvoller Herausforderungen aber enorm.

Um kurz vor dem Ziel dann doch etwas zu kritteln: Der Plattformer selbst fühlt sich längst nicht so gut an wie zum Beispiel das grundsätzlich vergleichbare Dead Cells oder andere Vertreter. Tatsächlich hatte ich mich hier in den ersten Stunden sogar ziemlich schwergetan, weil die vergleichsweise trägen Bewegungen der Heldinnen und Helden sowie die relativ langen Abklingzeiten schon vieler normaler Angriffsschläge nicht gerade einen euphorischen Adrenalin-Kick auslösen.

Das wird zwar besser, sobald man Dash und Doppelsprung erhält, aber allein das Abspringen von bestimmten Objekten fühlt sich hakelig an, weil man dafür eine separate Taste verwenden oder gleichzeitig nach unten drücken muss. Das Umdrehen im Sprung, bevor man in die andere Richtung attackieren kann, dauert mir außerdem einen entscheidenden Tick zu lange, und ich finde es ärgerlich, dass sämtliche Beute verschwindet, sobald man den aktuellen Raum verlässt. So kann es schon mal passieren, dass man wichtige Gesundheit liegenlässt, weil man einer gefährlichen Salve ins Nachbarzimmer ausweichen musste.

Runen wie diese winken als Belohnungen in besonders gut bewachten Kisten.

Aber gut, irgendwann kommt man rein, zumal die Action zum Glück weit davon entfernt ist schlecht zu sein. Und spätestens dann, wenn sich eine Kiste öffnet, nachdem man eine besonders vertrackte Herausforderung gemeistert hat, fühlt sich das natürlich auch hier toll an.

Rogue Legacy 2 – Test-Fazit

Unterm Strich muss ich zugeben, dass ich Rogue Legacy 2 diesen motivierenden Schwung gar nicht zugetraut und stattdessen einen sehr gewöhnlichen Metroid-Verschnitt mit den üblichen prozeduralen Versatzstücken erwartet hatte – was auf den ersten Blick auch gar nicht so falsch ist. Auf den zweiten steckt hier allerdings viel mehr motivierendes Rollenspiel und eine bedeutend größere Entscheidungsfreiheit als in ähnlichen Plattformern. Das zusammen mit ein paar cleveren Design-Kniffen sorgt dafür, dass sich die Welt von Rogue Legacy 2 mehr nach einem beständigen Schauplatz anfühlt als die vieler ähnlicher Permatod-Schleifen. Und vielleicht ist das ohnehin das größte Kompliment, was man einem Roguelike machen kann.

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