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EA Sports Rory McIlroy PGA Tour - Test

Alles noch mal von vorne.

Das Spiel beherrscht die Grundlagen, bietet gutes Spielgefühl, aber die Optionen oder vielmehr der Mangel daran sind teilweise ein Witz.

Alles passt perfekt. Zum einen befindet sich das geschasste Maskottchen Tiger Woods gerade im Formtief seines Lebens, zum anderen ist Rory McIlroy sicher ein Ausnahmetalent, aber eben auch noch jemand, der für eine echte Legendenbildung noch viel schaffen muss. Mit seinen jungen 26 Jahren gewann er zwar schon eine Open Championship, ein US Open und zwei PGA Championships und das ist brillant, aber für die ganz große Karriere muss da halt noch viel kommen. Was uns direkt zu EAs Rory McIlroy PGA Tour bringt.

Battlefield-Golf. Was leider einfach nur Par-3-Löcher mit Kriegs-Deko bedeutet.

Nachdem Tiger Woods mit dem versöhnlichen PGA Tour 14 in den Ruhestand geschickt wurde - Nummer 13 war eine Micropayment-Katastrophe -, baute man die damals schon in die Jahre gekommene Engine von Grund auf mit der hauseigenen Frostbite 3 Engine neu auf. Relaunch-Zeit also, nicht nur dem Namen nach. Und wie schon vor ein paar Tagen bei F1 2015 heißt "Relaunch", dass da große Teile früherer Spiele fehlen. Es ist fast so, als hätte man alle Erfahrungen mit der Serie aus den letzten zehn oder mehr Jahren einfach über Bord geworfen und wollte viele Räder neu erfinden. Nur kam man dabei noch nicht so richtig über die Grundform hinaus.

Die LPGA wurde wie so vieles andere gestrichen. Zum Beispiel die Möglichkeit einen eigenen Sportler gemäß der Standards der letzten zehn Jahre zu basteln. Immerhin sind weibliche Avatare noch erlaubt.

Der Karriere-Modus - die Substanz des Solo-Spiels schlechthin - ist ein zielloses Chaos, das euch von einem willkürlich verkürzten Turnier ins nächste befördert. Ohne zu wissen, was der Zusammenhang ist, was das nächste Turnier sein könnte, was dieses vom letzten so direkt unterscheiden soll und ohne jegliche Optionen, euer Schicksal zu beeinflussen spielt ihr vor euch hin. Da ist man auf Sawgrass auf den ersten vier Löchern, beendet mit einem über Par, wird für den zweiten Tag des Turniers auf das andere Ende der ersten Neun gebeamt, zwischendurch rechnete das Spiel aus, dass man aufgrund der eigenen Werte im Turnier dort mit in der Zählung auf Par startet. Das geht dann so über zwei weitere verkürzte Tage, am Ende derer man dann mehr oder weniger den Kurs einmal abspielte. Die Idee, so ein Turnier-Wochenende zu verschlanken und in einer halben Stunde handhabbar zu machen, ist sicher gut und die Umsetzung nicht mal so schlecht. Aber das sollte eine Option sein, keine Pflicht. Wenn ich zwei Stunden auf vier Runden verbringen möchte, sollte das meine Sache sein.

Der Aufbau des eigenen Charakters steht auch weit hinter Gewohntem zurück, selbst Tiger Woods 2003 hatte da mehr Struktur und Möglichkeiten. Ihr klickt euch aus ein paar wenigen Optionen einen mehr oder weniger ansehnlichen Golfer zusammen - Game Face gibt es nicht mehr, statt dessen gerade mal zwölf „Kopfformen"... -, gebt ihm eine Ausrichtung in Form eines Stats-Boosts und kleidet ihn in eine langweilige und natürlich auch hier stark reduzierte Auswahl an Klamotten. Die direkte Steigerung der Attribute ist in keiner Weise gezielt möglich. Jede Runde bekommt ihr Erfahrungspunkte und ein oder zwei scheinbar komplett willkürliche Attributspukte. Gezieltes Steigern durch Training oder eigene Punkteverteilung ist nicht möglich. Geld gibt es keines, stattdessen schaltet ihr einfach über den stetig steigenden Level neue Schläger frei, die dann kleine Attributs-Boosts mit sich bringen. Das ist leider nicht so übersichtlich wie früher, noch dazu über ziemlich lahm reagierende Menüs auszuwählen, aber wenigstens ist hier noch ein wenig gezielte Ausgestaltung möglich. Trophäen-Sammlungen, Tour-Abzeichen, all das wurde lieblos unter Statistiken verbucht. Dieser Karriere-Modus hat einfach kein Herz und auch keine Substanz, da waren EAs PGA Bemühungen schon mal so viel weiter.

Das Grün, wo sich wie immer Sieg und Niederlage entscheiden, ist durch die bewährte 'Fließrichtungsanzeige' gut lesbar.

Der Aufbau des eigenen Golfers kann aber nur hier stattfinden. Spielt ihr eine Runde mit Freunden, alleine oder online sammelt ihr keine Erfahrungspunkte und damit wird die Figur immer auf dem kläglichen Anfängerlevel hängenbleiben, der euch sicher keine 300+-Yard-Drives ermöglicht. Alternativ habt ihr eine sehr kleine Auswahl an Pro-Spielern, etwa ein Dutzend, die ihr für direkt verfügbare vernünftige Werte nutzen könnt. Tiger Woods ist natürlich nicht darunter.

In den Online-Championships spielt ihr die Runden und dann werden die Ergebnisse verglichen. Nur beim Head-to-Head spielt ihr direkt mit anderen auf dem Platz.

Genauso groß ist auch die Auswahl an Kursen. Klägliche 12 sind es, so wenige wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Gerade mal acht reale Plätze wie Sawgrass, Pinehurst und Bay Hill sind darunter - die Lizenz für Augusta wurde für dieses Spiel leider nicht erneuert -, dazu kommen vier Fantasie-Kurse. Der einzige echte „Fantasy"-Kurs wurde an die Battlefield-Insel-Map angelehnt, ihr schlagt hier also schon mal über brennende Flugzeugträger hinweg. Ganz niedlich, selbst wenn es ein spielerisch eher eintöniger reiner Par-3-Kurs ist. Egal, ein paar gute Löcher sind dabei. Das große Problem der wenigen Kurse, so gut sie für sich genommen auch sind, betrifft dann natürlich erneut die Karriere. Bei der werdet ihr nämlich sehr, sehr oft an den gleichen Abschlägen stehen, was die Sache nicht spannender macht.

Auch die restlichen Spieloptionen bekleckern sich nicht mit Ruhm. Gegeneinander habt ihr gerade mal die Wahl aus Stroke und Match Play. Online gibt es immerhin noch tägliche und wöchentliche Turniere, aber die eigenen Clubs fielen weg. Immerhin macht das Head-to-Head noch richtig Spaß, indem ihr gleichzeitig gegen die anderen Spieler antretet und ihre Positionen live seht. All die spaßigen Mehrspiele-Minigames sind ebenfalls Geschichte, stattdessen habt ihr einen Solo-Modus, der sich Nightplay nennt. Als wäre es Angry Birds könnt ihr bei jeder von einer Reihe an Challenges drei Sterne holen, indem ihr Schüsse präzise auf Punkt-Feldern platziert. Gewürzt wird das Ganze mit Gimmicks wie Boosts, Portalen und Klebe-Bällen und ist irgendwie ganz niedlich. Angesichts der Masse an Dingen jedoch, die in McIlroy PGA weit wichtiger wären und schlicht fehlen, hätte ich im Austausch dafür gerne auf so einen belanglosen Arcade-Modus verzichtet.

Der Nightplay-Modus schickt euch mit Boost-Power und Portalen durch Canyons und den Battlefield-Kurs. 180 Herausforderungen und trotzdem kein Ersatz für so vieles andere, was hier fehlt.

Aber, und das ist wichtig, es gibt auch ein paar sehr positive Aspekte hier. Erst einmal ist die Grafik wirklich hübsch. Die Kurse profitieren unglaublich von den Licht-Möglichkeiten Frostbites und wirken extrem lebendig und plastisch. Klar, hier und da darf gern noch optimiert werden, so gibt es zum Beispiel keine Zuschauerreaktionen, wenn man mal einen mit einem Ball erwischt, aber das ist Kleinkram. Dann gibt es keine Ladezeiten von Loch zu Loch. Ihr spielt durch. Wenn man jetzt noch die peinlichen und meist unpassenden Charakteranimationen nach jedem Shot ausschalten dürfte, wäre es ein fast perfekter Spielfluss. Das Kommentatoren-Gespann Lerner und Nobilo hatte offensichtlich Spaß bei den Aufnahmen, wirkt außerordentlich natürlich und sympathisch. Es hätten mehr Sätze sein dürfen, aber das ist ebenso wenig ihre Schuld, wie die Neigung des Spiels gerne mal den falschen Kommentar auszuwählen. Ein 30-Yard-Putt, der Zentimeter neben dem Loch landet, ist dann schon mal furchtbar, während ein sauberer Approach dann irgendwie wohl wieder nicht so toll war. Warum auch immer, da müssen die Routinen noch mal nachgebessert werden.

Eines der besten Features: Baut euch die Steuerung, wie sie euch gefällt.

Last, aber sicher nicht least, die Herangehensweise an die Steuerung ist hervorragend. Es gibt drei Grundspielvarianten. Klassisches Drei-Mal-Klicken, Arcade-Analog-Schwung mit viel Unterstützung und freier Pro-Schwung wie gehabt. Letzterer ist dabei zwar deutlich vergebender als es in den letzten Tigers der Fall war und wird Profis unterfordern. Für die breite Masse ist es jedoch eine gute Chance, sich gleich an die „richtige" Spielart heranzuwagen. Das Beste ist jedoch, dass ihr eigene Steuerungsarten kreieren könnt, bei denen ihr einfach die Aspekte auswählt, die euch an den jeweiligen gefallen. So mag ich den Pro-Schwung, hätte aber gerne die Ziel-Ansicht und die Putt-Vorschau aus der Arcade-Variante dazu. Kein Problem, schnell zusammengeklickt, fertig. Ihr möchtet Drei-Klick ohne Spielhilfen? Mixt es einfach mit den Pro-Optionen. Der einzige Modus, wo diese eigenen Varianten nicht erlaubt sind, ist natürlich der Online-Modus, der alle seine - wenigen - Spielmodi nach den drei Steuerungsarten sortiert. Dieses Schlag-Baukastensystem darf gerne in alle noch kommenden PGAs übernommen werden. Wo dann hoffentlich auch wieder die Swing-Style-Einstellungen zurückkommen, die hier natürlich fehlen.

Das generelle Spielgefühl ist dabei gut, aber nicht perfekt. Wie schon gesagt, die Schwungsteuerung meint es etwas zu nett, was natürlich für mehr gerade Schläge sorgt, aber es auch schwieriger macht, diffizile Abdriften zu veranstalten. Auch fehlt mir mein persönlicher Lieblingsschwung, bei dem ich den Stick loslasse und im Zentrum dann wieder mit dem Daumen „fange" und dann den Schwung beende. Sobald hier der Stick auch nur eine Millisekunde im Zentrum ruht, wird der Schlag abgebrochen. Ist jetzt für die meisten sicher kein Thema und irgendwie auch nachvollziehbar. Also, für alle anderen, ein sehr gutes Spielgefühl, das hier geboten wird und das ist keine Kleinigkeit.

Die Grafik ist gut, das grundsätzliche Gameplay gelungen, das nächste Mal bitte mit einem Spiel drumherum, dass es zumindest vage mit der eigenen Historie aufnehmen kann.

Es ist leider auch der Punkt, an dem Rory McIlroy PGA Tour zu einer etwas ärgerlichen Angelegenheit wird. Das Grundgerüst, das Schlaggefühl, die Grafik, das ist alles da. Selbst damit, dass es nicht so viele Plätze gibt oder nur wenige Pros lizensiert wurden, kann man noch leben, auch wenn es nicht sein sollte. Aber der lausige Charaktereditor, die ebenso willkürliche wie eingeschränkte Spieler-Entwicklung, die orientierungslose Karriere, die gestrichenen Multiplayer-Party-Spiele, die fehlenden Online-Clubs, die wieder abgezogene LPGA... Ihr könnt praktisch ein beliebiges Feature aus mehr als zehn Jahren Tiger Woods nennen und es wird in Rory McIlroy fehlen, ohne dass es dafür einen Ersatz gäbe. Okay, da ist das ganz niedliche Boost-Gebolze des Nightplay-Modus, aber bitte, das würde ich sogar für zwei Fantasie-Kurse mehr sofort eintauschen. Immerhin, im Gegensatz zu den dem unsäglich aufdringlichen Tiger Woods 13 nervt es euch nicht mit Micropayment-Genöle, das ist immerhin etwas, nehme ich an.

Derzeit kostet Rory McIlroy die üblichen ungefähr 60 Euro. Hätte ich es privat gekauft, ich hätte mich nicht zu sehr geärgert, schlicht, weil das eigentliche Spielen auf dem Platz dank der guten Steuerungsoptionen, Technik und Spielgefühl wirklich gelungen ist. Man kann hiermit viele gute Golf-Stunden verbringen, trotz allem. Ahahahaber... Tiger Woods PGA Tour 12 kostet weniger als 10 Euro, spielt sich genauso gut, wenn nicht noch besser, hat weit mehr Optionen, mehr Kurse und sieht halt nur nicht so nett aus. Und so wichtig ist die Grafik in einem Golfspiel dann wirklich nicht. Rory McIlroy ist als Golfer auf dem richtigen Weg, einer der ganz Großen des Sports zu werden und auch dieser Titel hat durchaus die Möglichkeit, eines Tages in entsprechende Regionen vorzustoßen. Aber aktuell muss das Spiel daran noch weit härter arbeiten als der Golfer.

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