Runaway: A Twist of Fate
End of the Road
A Twist of Fate - eine Wendung des Schicksals. So ist der dritte Teil der Adventure-Reihe untertitelt. Und er beginnt mit dem wohl größten Twist, den einem das Leben so andichten kann. Nämlich mit dem Tod des Hauptcharakters Brian Basco. Jedenfalls sieht alles danach aus. Immerhin steht eine nicht eben heitere Gina Timmins in der Eröffnung des Spiels samt Trauerflor auf der Beerdigung ihres Liebsten. Und doch ist das ein gutes Zeichen. Denn wie jeder weiß, der das noch heute erzgeniale „Der Clou“ zu Beginn der Neunziger auf dem Amiga spielte, fangen die besten Spiele auf Beerdigungen an. Was kann da also schon noch schief gehen?
So wie es aussieht, steht einzig höchstens die Konsistenz der Reihe ein wenig zur Disposition, denn ob der reichlich abgehobene Cliffhanger, der im zweiten Teil verhinderte, dass die tropische „Jagd nach der Verlorenen Freundin“ eine befriedigende Auflösung erfuhr, noch irgendwie aufgegriffen wird, ist bisher noch unklar. Wir erfahren lediglich, dass Brian zwischen den Ereignissen von Dream of the Turtle und A Twist of Fate wegen eines Mordes, an den er sich nicht erinnern kann, zu einem längeren Aufenthalt in einer geschlossenen Anstalt verurteilt worden ist. Einen Fluchtversuch soll der Arme mit seinem Leben bezahlt haben. Weit und breit nichts zu sehen, vom Colonel, der tropischen Insel und der Schildkröte - aber das kann ja noch kommen.
Was man jetzt schon sagen kann ist, dass dieser „umgedrehte Cliffhanger“ im Gegensatz zum „Nicht-Ende“ von Runaway 2 eine echte Bereicherung ist. Vorgezogene vermeintliche Enden sind genau die Sorte „WTF“-Moment, die einem von Anfang reichlich Motivation bieten, sich der Ursachenforschung hinzugeben. Was ist wirklich passiert, und hat der gute Brian nicht vielleicht doch noch ein Ass im Ärmel seines Totenhemdes?
Um das herauszufinden, habt ihr sechs Kapitel Zeit, die sich über knapp 100 Bildschirme erstrecken. Erstmals in der Reihe übernehmt ihr dabei auch die Rolle von Gina, die natürlich gerne wüsste, was ihrer besseren Hälfte wirklich zugestoßen ist -und was wirklich hinter dem Verbrechen steckt, an das Brian beim besten Willen keine Erinnerung hat.
Knapp 50 Prozent soll man in der engen Kleidung der kessen Brünetten hinter sich bringen, während ihr den Rest der Zeit Brians Schicksal in spielbaren Rückblenden am eigenen Leib erfahrt. Eines dieser Rückblenden-Kapitel zeigte uns Crimson Cows Georg Hach. Hier sollen wir als Brian an einem Plan für den Ausbruch arbeiten. Der verhinderte Geisteskranke will in einen Raum gelangen, aus dem seiner Meinung nach eine Flucht möglich wäre. Allerdings ist dessen Tür nur von innen zu öffnen und der einzige Weg hinein führt durch einen engen Lüftungsschacht. Zum Glück wohnt in einem der Zimmer ein weiterer Insasse namens Marcelo, ein Pantomime und Schlangenmensch, der sich ganz seiner Profession (und seinem Krankheitsbild) entsprechend nur pantomimisch mitteilt.
Die Qualität der (noch spanischen) Dialoge kann ich zwar nicht beurteilen, allerdings sind die dazugehörigen Animationen einmal mehr wirklich goldig geraten. Wenn der kleingeratene Straßenkünstler Brian pantomimisch eine Blume schenkt oder sich nach Lösung des Rätsels zu einem kleinen Paket zusammenklappt, das man in den Lüftungsschacht schieben kann, dann wandern die Mundwinkel unweigerlich nach oben. Auch Runaway 3 scheint wieder sehr charmant animiert zu sein.
Überhaupt spielt Pendulo in diesem zweiten Kapitel wirklich gut mit dem Szenario der geschlossenen Anstalt. Ein paar Räume weiter steht ein älterer Herr mit seinem Koffer im Aufenthaltsraum und will per Anhalter mitgenommen werden. Ein noch älterer Herr im selben Zimmer ist der Wahnvorstellung erlegen, er sei gerade mit seinem „Wagen“ - zwei Hälften einer Tischtennisplatte, in deren Mitte er Platz genommen hat - unterwegs.
Ohne spoilern zu wollen: Wer es so deichselt, dass der Autofahrer den traurigen Anhalter mitnimmt und diesen somit aus seiner Wahnvorstellung erlöst, bekommt eine wirklich bittersüße Szene zu Gesicht. Diesen Charme versprüht A Twist of Fate jetzt auch in absolut zeitgemäßer Technik. So unterstützt das spanische Entwicklerstudio Pendulo erstmals Breitbild-Auflösungen und nutzt weitaus höher aufgelöste Hintergründe, vor denen sich die in 3D vorberechneten und dann zweidimensional geshadeten Charaktere bewegen. Auch in Sachen Komfort ist die Zeit für Pendulo nicht stehen geblieben. Ein mehrstufiges Hilfesystem soll notorische Feststecker retten, die Hotspot-Anzeige weist selbst Kurzsichtigen den Weg und ein Tagebuch hält den Verlauf der Ereignisse fest, damit man auch nach längeren Spielpausen nicht den Faden verliert. Schön, dass solche Features mittlerweile zum Standard gehören.
Die interessante Prämisse und die technischen Verbesserungen von A Twist of Fate addieren sich zusammen mit altbekannten Serienqualitäten also durchaus zu einem Adventure, das ich spielen wollen würde. Schön und sehr passend auch, dass Hach für Runaway 3 eine Rückkehr zu den „Roadmovie- und Film-Noir-Wurzeln des ersten Teils“ verspricht. Denn A Twist of Fate soll definitiv das letzte Kapitel in der Geschichte von Brian und Gina sein.
Wie sich die Adventure-Fans letzten Endes an die Reihe erinnern werden - wenn sie einmal nicht mehr ist -, steht und fällt hauptsächlich damit, ob Pendulo im dritten Anlauf die teilweise etwas unlogischen Rätselfolgen und Ereignis-Auslöser der Vorgänger beseitigt. Hoffentlich klappt’s.
Allein schon, damit meine „Beerdigungstheorie“ weiterhin stimmt..
Runaway: A Twist of Fate erscheint am 28. Oktober