Ryse: Son of Rome ist mehr als es scheint. Oder zumindest kein reines Quick-Time-Fest
Wie ein paar Button-Einblendungen den Ruf ruinieren können.
Aussehen tut es ja wirklich gut. Aber wer hätte bei dem Studio auch was anderes erwartet. Nur mit der Präsentation auf der Presse-Show zur E3-Eröffnung haben sich Crytek und Microsoft keinen so großen Gefallen getan. Die Einblendungen der Buttons waren schuld. Sofort schrie jeder "Quick-Time-Event!", igitt und ich war definitiv einer von ihnen.
Ein echtes Kampfsystem. Nur halt kein sonderlich Schlaues.
Ein klein wenig tat sich das Spiel damit selbst Unrecht, es ist weit weniger unsympathisch, als dieser erste Eindruck zeigte. Es lässt einen ein wenig über das Nachdenken, was ein Quick-Time-Event eigentlich ist. Bisher war es eine Möglichkeit eine technisch hübsch grenderte Szene mit ein wenig Interaktion auszustatten. Ein komplexer Bewegungs-Ablauf, der sonst nicht in das spielerische Muster passte, konnte so zumindest auf einem minimalen Level noch von sich behaupten, dass er ja nicht nur ein Film sei. Auch wenn die meisten Spieler das zumeist etwas anders sahen.
Das, was nach einem Quick-Time-Event aussieht, ist also eher eine Art nicht endendes Tutorial, dass euch zeigt, welcher Schlag jetzt die Kombo effektiv fortsetzt.
Ryse sieht so aus, weil wir bisher solche Grafiken und Abläufe nur als Renderfilmen kannten. Hier wird jedoch jede Bewegung in Echtzeit vollzogen. Die Schläge, die hier scheinbar eine feste Bewegung ausführen, sind, spielt man es selbst, gar nicht mal so anders, als in jedem normalen Brawler. Hoher, tiefer, harter oder leichter Schlag sind an bestimmte Tasten gebunden und bewirken in Relation der Position der Spielfigur zum Gegner eine andere Trefferanimation. Diese zelebriert Ryse dann etwas mehr, indem es die Kamera heranfährt und wieder wegzieht, dazu noch ein wenig Zeitlupe einbaut, um den besonders brutalen Kill zeitgeistgemäß zu inszenieren.
Das, was nach einem Quick-Time-Event aussieht, ist also eher eine Art nicht endendes Tutorial, das euch zeigt, welcher Schlag jetzt die Kombo effektiv fortsetzt. Nehmt ihr einen anderen Schlag, endet die Kombo und ihr müsst von vorn anfangen. Die Kritik muss also nicht in Richtung eines Quick-Time-Events gehen, sondern dahin, dass das Kombo-System von Ryse zumindest zum angespielten Beginn her einen eher simplen Eindruck macht. Wäre es ein Quick-Time-Event, die ja gerne mal ihre Tasten etwas willkürlich platzieren, gäbe es wahrscheinlich keinen Hardcore-Modus, der die Tasten nicht einblendet. In diesem fühlt es sich dann auch wie das an, was es ist: Der vielleicht nicht spielerisch anspruchsvollste, aber sicherlich schönste Brawler.
Ungekannte Detailfreude.
Dass dieser sich des eigentlich fast grundsätzlich unterrepräsentierten Rom-Themas annimmt, ist erfreulich, auch wenn gerade dabei ein leicht schaler Beigeschmack bleibt. Bei allen Qualitäten, die ich Ryse als Action-Spiel nicht absprechen will, ein komplexes Strategie-Taktik-Spiel war eher, was ich damit sehen wollte. Schön, dass sie den Weg des Soldaten zum General nachzeichnen wollen, und auch gut, dass es ein paar Truppenbefehle gibt, aber wer will hier nicht lieber als Imperator für das Übergeordnete zuständig sein? Nun, nicht heulen, was es nicht wird, dazu bleibt später noch viel Zeit.
Erst mal lieber darüber gefreut, dass ihr eben doch ein wenig Befehlsgewalt habt, und diese auch sinnvoll nutzen müsst. Ihr schickt ein paar Truppen - optional per Kinect -, um einen Geschützturm zu stürmen, ein paar andere, um Bogenschützen auszuheben und ihr selbst haltet in der Mitte das Feld gegen die nachrückenden Barbaren, die sonst diese Vorhaben vereiteln würden. An anderer Stell müsst ihr einen Schildwall vorrücken lassen. Timed ihr die Befehle, vorzurücken oder den Schild hochzureißen, um den Pfeilhagel abzuwehren, schlecht, dann steht ihr schnell allein einer Horde Schützen gegenüber, was die Geschichte früh beendet. Viel taktische Tiefe war nicht erkennbar, atmosphärisch beeindruckend kommt es jedoch trotzdem rüber.
Das liegt nicht zuletzt an den neuen Möglichkeiten der Technik. Ob jetzt jedem feinere Gesichtsanimationen in einem Spiel dieser Art auffallen oder interessieren, ist eine Sache. Auch hübscher und einzeln bewegt flatternde Rüstungs-Lappen sind nett, doch was es wirklich lebendig wirken lässt, ist eine Masse an Details im Hintergrund. Wirkten diese bisher immer noch leer und tot, seht ihr jetzt viele, viele Animationen von kämpfenden Truppen, brennenden Gebäuden, Rauch-Schwaden und allem sonst, was sich eben nicht in unmittelbarer Nähe abspielt. Bewegung und Licht bringen Dynamik in das Bild und es ist klar, dass der Sprung zur neuen Generation doch nicht so klein sein wird, wie mitunter schon befürchtet.
Der Sprung zur neuen Generation wird doch nicht so klein, wie mitunter schon befürchtet.
SmartGlass hilft, wenn ihr nicht so smart seid.
Was aber das neue große Ding sein soll und von der halbstündigen Präsentation nicht weniger als die geschlagene Hälfte einnahm, war SmartGlass. Hier erst mal mein Urteil zu SmartGlass generell, zu dem Connect der PS4 mit der Vita oder all dem Quatsch, den die Entwickler mitunter ziellos auf dem Touch der Wii U verteilen: Whatever. Es interessiert mich nicht, ich will es nicht, ich brauche es nicht, es ist für mich kein Mehrwert. Bisher.
Diese letzte Einschränkung bezieht sich jedoch nicht auf Ryse, sondern zum einen auf Project Spark - morgen mehr dazu - und weil es ungefähr das ist, was ich über das iPad sagte, bevor ich eines hatte. Es ist halt nur so, dass es mit der Zeitlinie, die parallel zum Spielen auf dem SmartGlass mitgezeichnet wird, nicht so weit her ist, wenn man selber spielen will. Interessiert ihr euch stattdessen dafür, wie so mancher eurer Freunde seinen mörderischen Score in einem Stage erreichte oder wie er einen Boss besiegte, an dem ihr hängt, dann werden euch zu den Stellen, an denen ihr seid, entsprechende Video-Vorschläge gemacht. Diese Videos produziert ihr übrigens auch selbst und zwar immer und automatisch, sobald ihr Passagen mit dem Rating "legendär" bewältigt. Seid ihr so gut, dann tauchen eure Videos in der Welt auf.
Es gibt noch ein paar kleiner Features über die Pad-Verbindung, die jedoch alle nicht ganz so tief in das Spiel eingriffen und mehr Statistiken und Scores boten. Nicht weiter verwerflich, wie schon gesagt, alles nicht meine Welt, aber es wird wohl funktionieren. Größtenteils lässt sich das alles eh ignorieren, will man lieber mehr Zeit in der Gladiatoren-Arena verbringen. Natürlich, kein Spiel ohne Gladiatoren-Arena, da ist was dran. Gezeigt wurde von diesem Multiplayer-Anteil noch nichts. Aber es sind Gladiatoren in einem herzerfrischend hoch aufgelöst-blutigem Spiel. Ist eigentlich eine sichere Sache.
Ryse hat sich von meinem Flop des ersten Abends dann doch noch ganz schön gemausert. Nachdem ich langsam verstand, dass das hier nicht Dragons-Lair-Deluxe mit Tausenden von Quick-Time-Events ist, sondern alles gewissen Prügel-Regeln folgt, die gar nicht mal so simpel definiert sind, kann ich mich nun doch für die Römer erwärmen. Vor allem ist es jedoch der technische Vorzeigetitel Microsofts neuer Generation, den man sich so erhoffte. Der Detailgrad sowohl im Kleinen wie im Großen ist überzeugend und vor allem in der Bewegung ein Traum. So hübsch sogar, dass es mich diese SmartGlass-Geschichten vergessen lässt. Was nicht schwer ist. Ich leide nicht unter Aufmerksamkeitsdefiziten und brauche nicht Spielereien neben dem Spiel. Gut also, dass Ryse für sich selbst interessant genug wirkt und sich ganz offensichtlich doch nicht mit der Rolle des Grafikblenders begnügte.