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Saints Row: Gat out of Hell - Test

In der Hölle singen sie Musicals.

Noch verrückter? Nein, nicht unbedingt. Und das will was heißen bei einem Open-Hell-Spiel, bei dem man dem Teufel eins auf die Nuss gibt.

Immer wenn man denkt, dass Saints Row am Tiefpunkt angekommen ist, geht es weiter, diesmal direkt in die Hölle. Reden wir Klartext: War euch Saints Row 4 zu dämlich? Zu kindisch? Schlicht und ergreifend zu blöd? Dann ist die neueste Eskapade eine weitere Tortur für euch, die ihr vielleicht hofft, dass es alles vielleicht doch nur ein Traum war und eines Tages Saints Row möglicherweise doch wieder mit GTA konkurrieren will. Wird nicht so schnell passieren, dass stellt das hier klar. Wo es in Teil 5 hingehen kann, das steht aber auch noch in den Sternen, denn mit Gat out of Hell macht die Serie einfach mal einen kurzen Schritt zur Seite und hebt sich diese Frage für einen anderen Mentalunfall auf.

Autos kann man auch fahren, aber jenseits von einigen der Minispiele... wozu?

Das, wie hier mal jemand so sagte, Add-on zum Add-on (das dann ja kein Add-on mehr wurde), lässt den frisch in den Weltraum emigrierten Präsidenten vom Teufel in die Hölle holen, keineswegs, um für seine Sünden bestraft zu werden, sondern um die Tochter des Leibhaftigen zu ehelichen. Die hat darauf ungefähr so viel Lust wie die Saints-Gang ihren wahrlich einzigartigen Anführer zu verlieren und so artet das, was als kleine okkulte Spaß-Séance im Weltraum zu Kinzies Geburtstag begann, in eine Quest aus, die sich treffend mit "Hau dem Teufel eins auf die Zwölf" zusammenfassen lässt. Solltet ihr jetzt denken, "das ist ja nicht gerade Shakespeare", nun der ist ja auch nur ein NPC. Zusammen mit Vlad dem Pfähler und Käpt'n Schwarzbart.

Macht alles Sinn? Ja, in seinem eigenen Universum schon. Dort ist es auch lustig. Meistens. Slapstick, billiger Wortwitz und zottelige Anspielungen sind hier König und auch wenn es ein paar fast brillante kurze Passagen gibt, das Gros des Humors bleibt hinter Teil vier leider zurück. Immer wieder kommt es durch, immer wieder zeigt sich aber auch, dass hier nicht ganz so viele Ideen zur Verfügung standen. War es die Mühe wert? Nun, die Frage ist eher: warum sollt es eine Mühe gewesen sein?

Im Solo-Spiel könnt ihr zwischen Kinzie und Gat wählen, können tun beide das Gleiche. Im Koop gibt es so für jeden eine Figur.

Das eigentliche Spiel ist eine Sandbox, noch viel mehr als es die früheren Saints Rows waren. Eure eigentlich Aufgabe besteht wortwörtlich darin, den Teufel so sehr anzupissen, dass er sich euch zum Kampf stellt - oder vielmehr: ihr auf die Hochzeit eigeladen werdet. Das tut ihr, indem ihr in der Hölle für Chaos sorgt und dazu sind keine echten Missionen notwendig. Es gibt auch keine, jedenfalls nicht im üblichen Sinne. Auf der erneut ganz schön recycelten Steelport-Karte sind in jedem Bezirk eine Handvoll Aufgaben verteilt. Erledigt ihr sie, übernehmt ihr die Bezirke. Übernehmt ihr genug, kann der Teufel euch nicht länger ignorieren und wird sich euch stellen. Fortschrittsbalken statt Missionsaufbau also. Und es funktioniert. Zumindest für die kurze Laufzeit von sieben bis acht Stunden, nicht viel für ein Open-World-Spiel.

Die Nahkampf-Attacken sind sinnlos wie sinnlos brutal. Gut so, würde sonst was fehlen.

Es funktioniert, weil es das Spiel auf das Wesentliche reduziert. Jeder Missionstyp hat eine kurze, nur einmal vorgespielte Einleitung, danach geht es immer direkt zur Sache. Im Anschluss bekommt ihr genug Geld, um wieder ein wenig Munition und bessere Waffen an praktisch überall in der Hölle vorrätigen Automaten nachzurüsten. Die Minispiele selbst lenken ebenfalls nicht groß von dem ab, worum es gehen soll, und das ist nun mal Chaos zu veranstalten. Verursacht so viel Schaden in drei Minuten wie ihr könnt. Fangt zu Boden fallende verdammte Seelen auf. Besiegt ein paar Wellen von Dämonen. Wie ihr das macht ist egal, auch wann. Manche Ecken der Spielwelt bieten mehr Gegenwehr, aber wenn ihr es trotzdem versuchen möchtet, bitteschön. Gat out of Hell befürwortet spielerische Freiheit wie es kaum ein anderes Spiel tut, das auch nur den Hauch einer Story zu bieten hat. Selbst wenn es eine so dermaßen durch den Wind getriebene wie hier ist. Dem durchgehenden Koop kommt das sehr entgegen, da keine Story darauf Rücksicht nehmen müsste, dass ihr nun zu zweit unterwegs seid. Zu zweit in der Hölle herumzualbern ist sicher nicht gerade der Himmel - sorry, ich konnte nicht anders -, aber doch eines dieser kleinen, wundervollen und gerne auch ein wenig vollen Vergnügen, die man sich so gelegentlich gönnen sollte.

Piratenschiff hin oder her, technisch ist Saints Row schon lange nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

Selbst das übliche "Diese Spezial-Power kriegst Du erst später!"-Spielchen verkneift man sich. Schnell rennen und fliegen gibt es gratis, ein paar Angriffe - Bodenstampfer, Eis-Aura oder Kobold-Bomben - werden schnell nachgereicht, sobald ihr die paar NPCs besucht, was ihr ja jederzeit und sofort tun könnt, und schon seid ihr voll im Rennen. Alles lässt sich ausbauen und verbessern. Dazu müsst ihr die überall verteilten glühenden Kugeln einsammeln, was sehr angenehm an einen anderen Open-Worlder aus der 360-Frühzeit erinnert. Skills for kills, agent, skills for kills... Dank einer leicht zu lernenden und gut zu beherrschenden Flugmechanik erledigt ihr das auch voller Freude und wie fast alles in diesem Spiel en passant und schon bald ist auch die Zeit wie im Flug vergangen und ihr löst euer Versprechen dem Teufel gegenüber ein.

Gat out of Hell ist eine kleine, extreme unterhaltsame Bonus-Runde, die das endgültige Abdriften in den Wahnsinn der Saints-Reihe zelebriert. Es ist das Timing seiner Witze, leider ohne wirklich an den Vorgänger anknüpfen zu können, es bietet genug Abwechslung und vor allem sehr viel Sandbox-Gefühl auf seinem eigenwilligen Weg zur teuflischen Hochzeit. Das gilt zwar nicht doppelt für den durchgehenden Koop, aber schaden tut der ganz sicher nicht. Es hat weder der Reihe noch der Spielewelt etwas Neues hinzufügen, aber es spielt sich verdammt gut und dauert nur so lange, dass ihr es nach ein paar Stunden noch mit Freude beendet und nicht in das Loch des irgendwann eben doch unvermeidlichen Leerlaufes fallt. Sinnloser Spaß? Sicher. Aber das macht es nicht weniger spaßig.

7 / 10

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