Saints Row Test - Solche Spiele sind der Grund, weshalb ich Videospiele liebe
Hirn aus, Spaß an.
Wie habt ihr das damals beim allerersten Grand Theft Auto gemacht? Ich erinnere mich noch, wie ich mir in den meisten Fällen erst einmal ein paar Waffen besorgt und dann ballernd durch die Stadt gezogen bin, einfach um Chaos anzurichten. Und trotzdem ist aus mir etwas Vernünftiges geworden. Nehmt das, Killerspiel-Kritiker! Was ich damit sagen will: Es gibt heutzutage so viele Spiele, die sich derart ernst nehmen, dass gefühlt der unbeschwerte Spaß auf der Strecke bleibt. Natürlich spiele ich auch solche Titel, aber ich bin froh, wenn alle paar Jahre ein neues Saints Row um die Ecke kommt.
Denn Saints Row nimmt sich definitiv nicht ernst. Und das ist das Beste, was es tun kann. Es ist der Grund, warum ich viel mehr Spaß daran habe, all die verrückten Details dieser offenen Welt zu ergründen, die wiederum im Vergleich zu einem modernen Assassin's Creed eher klein wirkt. Nicht nur das, ich kann exakt das machen, woran ich damals im ersten GTA schon meine Freude hatte: Spiel starten, Waffen besorgen und schon bricht die Hölle los. Was interessieren mich die Verkehrsregeln oder eine halbwegs realistische Physik? Nein, nicht hier. Hier lasse ich mich beim Versicherungsbetrug von zahlreichen Autos durch die Luft schleudern und bringe sie mit ausreichend Adrenalin sogar zur Explosion. Realismus? Nein. Spaß? Ja!
Ein Reboot, aber immer noch Saints Row
Ja, das neue Saints Row ist ein Reboot. Einer, der nach Teil vier auch nötig war, weil eine weitere Steigerung schwer vorstellbar war. Es ist wieder etwas geerdeter, was nicht heißt, dass es hier nicht jede Menge “crazy shit” gäbe. Und Jetbikes. Und Hoverboards. Oder Flugzeuge der High-Tech-Sicherheitsfirma Marshall, für die ihr anfangs arbeitet, die so auch prima in einen Marvel-Film passen würde, weil man jede Sekunde damit rechnet, dass einer der Avengers aus dem Cockpit hüpft. Das hier ist exakt die richtige Mischung aus irdischer Idylle, hier in fiktiven Stadt Santo Ileso im amerikanischen Südwesten und ihrer näheren Umgebung, und witzigen, teils futuristisch anmutenden Gadgets. Ob ihr euch in normaler Kleidung, einfach nackt oder als Hot Dog oder Eishörnchen verkleidet durch die Geschichte von Saints Row kämpft, das Spiel setzt euch da wenig Grenzen.
Passend zum Reboot erzählt das Spiel die Ursprungsgeschichte dieser Saints. Ihr seid wie üblich der Boss und passt euren Charakter ganz nach euren Wünschen an. Klein, groß, dick, dünn, grüne Haut und so weiter, es gibt zahlreiche Optionen, mit denen ihr euch austoben könnt. Ist jetzt nicht so mein Ding, einen komplett abgefahrenen Möchtegern-Ork zu erschaffen, aber wer es möchte, kriegt es durchaus hin. Auf eurer Reise zum eigenen Saints-Imperium nehmt ihr es mit dem erwähnten Marshall-Konzern und den beiden Gangs Los Panteros und The Idols auf. Zur Seite stehen euch eure Freundinnen und Freunde: Neenah, Kevin und Eli. Alle haben ihre Eigenheiten und teils entstammen sie den anderen Gangs, halten aber zu euch. Jeder wirkt auf seine Art sympathisch und Volition ist es einmal mehr gelungen, einen guten Cast auf die Beine zu stellen und für ein harmonisches, sympathisches Zusammenspiel zu sorgen.
Diese Freundesgruppe baut, wie erwähnt, ihr eigenes Imperium auf. Und zwar buchstäblich. Ab einem bestimmten Punkt der Geschichte habt ihr die Chance, nach und nach kriminelle Vorhaben in der Stadt an ausgewählten Plätzen zu errichten. Das beschert euch einerseits ein paar Belohnungen und mehr regelmäßiges Einkommen, andererseits zusätzliche Nebenaufgaben. Und eine kleine, Giftmüll verwertende Fabrik in einem Wohnbereich oder im Luxusviertel kann ja nicht schaden, oder? Nun, euer Schaden ist es jedenfalls nicht, wenn dafür mehr Bares in eure Kasse gespült wird.
Wie gesagt, es ist ein Reboot, der alles ein wenig zurückfährt, aber es ist trotz allem noch Saints Row, wie ihr es kennt und liebt. Nichts ist vor den Entwicklern sicher, sie nehmen alles auf die Schippe, was ihnen in die Finger kommt. Ob ihr nun an einer großen LARP-Questreihe teilnehmt (inklusive spezieller Waffen, Rüstungen aus Pappkartons und besonderen Animationen) oder die Aufmerksamkeit neuer Rekrutinnen und Rekruten für die Saints weckt, indem ihr an einer Art Last Man Standing während einer verrückten Tötungs-Gameshow auf einer kleinen Insel teilnehmt. Das hier ist einmal mehr alles so überspitzt und überdreht, dass man es einfach nicht ernst nehmen kann.
Scheiß’ auf den Realismus
Und darauf muss man sich einlassen, um den absoluten Spaß mit Saints Row zu haben. Ob es die Wortwitze sind, unterhaltsame Zwischensequenzen oder besondere Erlebnisse, davon gibt es hier mehr als genug. Es fühlt sich an, wie ein Nonstop-Actionfilm, der zwar halbwegs realistische Ansätze hat, den Realismus aber zugunsten der Action oder des Spaßes in den Hintergrund rückt. Wo sonst verhört ihr ein Gangmitglied, bis er die Wahrheit ausspuckt, indem ihr das Toilettenhäuschen, in dem er gerade noch sein Geschäft verrichtete, hinter eurem Wagen herzieht und damit gleichzeitig ein Lager besagter Gang in Schutt und Asche legt. Normalerweise würde solch ein Toilettenhäuschen spätestens nach ein paar Metern auseinanderbrechen, hier ist es ein tödlicher Rammbock, dem sich keiner in den Weg stellen sollte.
Im Allgemeinen stellen die Gegner diesmal etwas weniger Kanonenfutter dar als in früheren Teilen. Ihr habt verschiedene Typen von Feinden, darunter auch schwache, aber ebenso stärkere oder besser gepanzerte, die es euch mitunter im Zusammenspiel nicht leicht machen. Wenn euch das alles nicht zusagt, zu schwer oder zu einfach ist, könnt ihr Detaileinstellungen vornehmen und das ändern, Saints Row gibt sich da sehr flexibel, um euch ein gutes Gefühl beim Spielen zu vermitteln.
Und ich mag die Stimmung, die die Spielwelt von Saints Row vermittelt, gerade bei Sonnenaufgängen und Sonnenuntergängen. Was mir bisher noch etwas fehlte, waren unterschiedliche Wetterbedingungen. Sandstürme habe ich bereits erlebt, aber Regen? Fehlanzeige. Ich weiß nicht, ob es in Bug ist oder ob das noch reingepatcht wird, ein wenig mehr Abwechslung abseits von heiterem Sonnenschein wäre nicht verkehrt. Was mich zu einem weiteren Punkt bringt. Es gibt hier viele schöne Umgebungen und Momente, die man perfekt mit einem Fotomodus einfangen könnte. Könnte, weil es leider keinen echten Fotomodus gibt. Ihr habt zwar eine Foto-App auf eurem In-Game-Smartphone, mit der macht ihr aber nur quasi aus der Ego-Perspektive Fotos von der Umgebung, was für Foto-Herausforderungen und das Freischalten von Schnellreisepunkten eingesetzt wird.
Wo ist mein Fotomodus?
Aber ein richtiger Fotomodus, der die Zeit einfriert, euren Charakter in Szene setzt und euch zahlreiche Details, Posen oder sonst etwas einstellen lässt? Der fehlt. Für mich ist das schon eine kleine Enttäuschung, da ich mich besonders in Open-World-Spielen gerne mal damit befasse. Insofern ist meine Hoffnung, dass Volition das noch nachliefert. Bis an die Grenzen treibt Saints Row die aktuellen Systeme indes nicht. Okay, das hat die Reihe noch nie, aber es sieht alles wirklich schick, sauber und angemessen modern aus, ohne die Messlatte weiter nach oben zu rücken. Ihr habt auch verschiedene Optionen ja nach System, von 1080p bis 4K. Auf der Xbox Series X stieg ich zuerst mit 4K ein, was euch 30 fps beschert. Später wechselte ich zu 1440p und 60 fps, was sich besser anfühlt und immer noch sehr hübsch aussieht. Nur um ein paar Pop-ins in der Umgebung sollte sich Volition hier und da noch kümmern.
Allgemein habt ihr es hier und da noch mit ein paar Fehlerchen zu tun, die auftreten können. Einmal startete ich eine Nebenaktivität, saß im Auto und konnte dann gar nichts mehr machen. Keine der Tasten reagierte mehr, nicht einmal fürs Menü. An anderer Stelle wurden – warum auch immer – die Ziele oder bestimmte Aktivitäten auf der Karte nicht mehr richtig eingeblendet und ich wusste teils nicht, was ich gerade tun sollte. Es sind Kleinigkeiten, die hier und da auftreten können und in allen Fällen half entweder ein Neustart der Mission oder des Spiels. Nichts davon ist aber bisher in großer Regelmäßigkeit aufgetreten und hat ebenso wenig meinen Fortschritt aufgehalten oder den Spaß einschneidend gemindert. Etwas Verbesserungsbedarf herrscht aber definitiv noch.
Saints Row Test - Fazit
Kurz gesagt: Saints Row ist ein großer Spaß, wenn ihr euch darauf einlassen könnt. Sicher, der Humor mag nicht jedermanns Sache sein, aber ich finde es großartig, dass sich das Spiel zu keiner Sekunde ernst nimmt. Alleine dadurch entfaltet sich bei mir dieser Spielspaß und ich kann hier gefühlt das machen, was ich machen möchte. Ein paar Missionen? Jep, kein Ding. Ein paar Aktivitäten? Klar, davon gibt’s zu Genüge. Einfach herumfahren und Chaos anrichten? Jederzeit! Saints Row gibt mir ein besseres Gefühl dabei, diese Welt bis ins letzte Detail zu erforschen, als es zuletzt etwa ein Assassin's Creed Valhalla tat. Auch ein Batman: Arkham Knight, das ich aktuell noch nebenbei spiele, macht mir mit seiner kompakteren Welt à la Saints Row mehr Spaß als diese immer mehr ausufernden Welten mancher Spiele. Size doesn't matter. Saints Row zeigt das auf eine tolle Art und macht dabei einfach riesigen Spaß, ob alleine oder im Koop-Modus. Und jetzt gebt mir noch einen vernünftigen Fotomodus!