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Sakura Wars: So Long, my Love

Made in Japan

Seit einiger Zeit hat es sich eingebürgert, dass in Artikeln über japanische Spiele bunter Machart oftmals verstärkt darauf hinwiesen wird, dass Gameplay, Präsentation und Artdesign doch schwer Geschmackssache seien. Egal ob Okami, Valkyria Chronicles oder auch Final Fantasy XIII, Spiele die sich nicht am heutzutage so populären „westlich-realistischen“ Grafikstil und eingängigem Hollywood-Storytelling orientieren, werden schnell als Nischenspiele für „Japano-Freaks“ abgestempelt, als ewig-gestriger Software-Ausstoß von japanischen Entwicklern, die ihre besten Zeiten längst hinter sich haben.

Anstatt sich über die Abwechslung und Vielfalt zu freuen, die uns amerikanische, europäische und japanische Entwickler heute bieten, sucht man sich ein aktuelles Ideal – meist bierernste Shooter im typischen Bruckheimer-Bay-Stil, inszeniert mit gedämpften Farben und bildschirmfüllenden Explosionen – an dem jedes abweichende Spiel gemessen und natürlich dann auch abgekanzelt wird. Bevorzugt mit Worten wie „altbacken“, „bonbonfarben“ „Kulleraugen“, „Nonsens-Dialogen“ und natürlich dem allseits beliebten „kitschig“.

Und wohin führt uns meine Predigt nun? Sie führt uns direkt zu Sakura Wars. Der von SEGA und Red Entertainment vor langer Zeit entwickelte und nun endlich über Nippon Ichi auch in Europa erschienene Mix aus Visual Novel und Strategiespiel ist nämlich auch irgendwie altbacken, bonbonfarben, vollgestopft mit großen Kulleraugen und Nonsens-Dialogen und sprüht nur so vor Kitsch. Und genau dafür liebe ich es.

Harte Schale, weicher Kern: Rechtsanwältin Cheiron ist Anfangs gar nicht gut auf euch zu sprechen.

Überall auf der Welt gibt es große Knoten mystisch-mentaler Pneuma-Energie. Seit jeher wurden die Menschen zu diesen Knoten hingezogen und errichteten dort Städte – Tokyo, Paris, New York. Aber genau diese Energie zieht finstere Mächte an, die immer wieder versuchen, sie für ihre dunklen Zwecke zu nutzen. So wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts Eingreiftruppen gegründet und meist komplett mit psychisch besonders begabten jungen Frauen besetzt. Ihre Gegner bekämpfen die Damen in großen Mechas, als Fassade nach außen geben sie sich als Tanz- und Theatertruppe aus, um die Moral der Bevölkerung zu stärken.

Nachdem die Truppen aus Tokyo und Paris bereits etliche Angriffe zurückschlagen konnten, wird auch eine Niederlassung in New York gegründet: Getarnt als Little-Lip-Theater stellen sich der tollpatschige Rotschopf Gemini Sunrise, die energische Rechtsanwältin Cheiron Archer, die sanfte und etwas schwächliche Diana Caprice, eine schießwütige Elfjährige namens Rosita Aries und der oder die ziemlich androgyn wirkende Subaru Kujou den dunklen Mächten. Als junger Offizier Shinjiro Taiga werdet ihr nach New York geschickt, um die Mädels zu unterstützen und sie im Kampf anzuführen. Zu dumm nur, dass die New Yorker eigentlich Shinjiros kampferprobten Onkel Ichiro (den Protagonisten der nur in Japan erschienenen Vorgänger) angefordert haben und nicht so recht wissen, was sie jetzt mit euch anfangen sollen...

Ist das albern? Aber klar! Ist das kitschig? Und wie! Aber genau das macht es auch so sympathisch. Jeder Charakter wirkt auf den ersten Blick wie ein Griff in die Anime-Klischee-Kiste nur um im Verlauf des Spiels überraschende Tiefe zu offenbaren. Die Hinführungen zu den Mech-Kämpfen am Ende eines Kapitels erinnern an so manche Szene aus dem guten, alten Tele-5-Hit Saber Rider, die Kämpfe selbst entpuppen sich aber im späteren Spielverlauf als ebenso lange wie anspruchsvolle Schlachten, bei denen es nicht wie in anderen Titeln auf Grinding, sondern allein auf euer taktisches Geschick ankommt. Aber langsam – zuerst stellt sich doch die Frage, was denn Sakura Wars nun eigentlich ist?

Gemeinsam mit Gemini putzt ihr das Theater: Ein schwieriges Unterfangen, da der Rotschopf zwei linke Hände hat.

Sakura Wars ist definitiv kein Strategiespiel, bei dem ihr endlos viel Text wegdrücken müsst, um endlich an die begehrten Taktik-Schlachten zu gelangen. Sakura Wars lässt sich am besten als interaktive Anime-Serie beschreiben. Das Spiel ist in Kapitel aufgeteilt, von denen jedes ein paar Stunden dauert und quasi als eine Folge angesehen werden kann. Die Kapitel haben eigene Titel, werden wie im japanischen Fernsehen von Eyecatchern – kurzen Einspielern, bei denen ihr nebenbei euren Status checken und den Spielstand speichern könnt – unterbrochen, finden ihren Höhepunkt schließlich in strategischen Mech-Kämpfen und enden jeweils mit einer Vorschau auf die nächste Episode.

In der Rolle von Shinjiro habt ihr nicht nur die Aufgabe, eure Mech-Mädels im Kampf zu führen, vorrangig sollt ihr für Harmonie in der Truppe sorgen. So verfolgt ihr über einen Großteil des Spiels hinweg – sicherlich gut 70% der Spielzeit – die Handlung, die vor allem in Dialogen, gerne aber auch mal in hübsch animierten Zwischensequenzen erzählt wird. Ihr seid dabei aber nicht nur passiver Beobachter!