Salary Man Escape - Test: Lohnarbeit trifft Jenga
Ja, ja, ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt ...
Es soll ja Leute geben, die immer ein bisschen was von ihrem beruflichen Alltag mit nach Hause nehmen. Die grübeln dann darüber nach, was sie im Büro richtig oder falsch gemacht haben, schlafen nachts schlecht, weil sie Angst vor dem Meeting am nächsten Tag haben und bleiben lieber jeden Tag ein bisschen länger am Schreibtisch sitzen als auch nur einmal früher Feierabend zu machen.
Mit eben dieser Spezies Mensch setzt sich der exklusive PSVR-Titel Salary Man Escape satirisch auseinander. Ihr steuert zwar keines dieser armen, getriebenen Arbeitstiere, wohl aber die abstrakte Umgebung in seinem Kopf. Wenn man so will, räumt ihr ganz bildlich die Blockaden aus dem Weg, die der Salary Man loswerden muss, um nach seiner Arbeit mal abschalten zu können.
Also VR-Headset auf den Kopf und losgelegt: Salary Man Escape wirkt seinem Spielprinzip nach zu Beginn fast ein bisschen wie Captain Toad: Treasure Tracker, mit einem auf den ersten Blick sichtbaren Unterschied: die Spielwelt ist alles andere als bunt, sie wird fast nur in verschiedenen Grautönen dargestellt, lediglich einige Elemente sind rot, was uns zum nächsten Unterschied bringt. Denn im Gegensatz zu Toad bewegt sich der Salary Man automatisch, sobald er einen freien Weg zur hell erleuchteten Tür sieht, die das Ende eines jeden der 78 Levels markiert, die das Spiel auf seine sechs Kapitel verteilt.
Steuern könnt ihr wahlweise mit regulärem oder Move Controller, wobei sich das Spiel mit Letzterem für meinen Geschmack ein bisschen interessanter angefühlt hat, wenn es auch anspruchsvoller ist. Wenn ihr einen der roten Blöcke nach vorne aus einer Reihe von Bauklötzen drückt oder nach hinten herauszieht, fühlt sich das fast ein wenig an wie virtuelles Jenga. Wackelt ihr nämlich zu sehr, kann es passieren, dass ihr die anderen Blöcke verschiebt und das Level so unbezwingbar macht. Dann bleibt euch nichts anderes übrig, als vom letzten Checkpoint aus neu zu starten. Letztere werden übrigens durch Kaffeetassen markiert, wie das im Arbeitsalltag halt so ist - man hangelt sich eigentlich nur von Koffeinschub zu Koffeinschub. Mit dem Controller geht das Ganze ein bisschen leichter, was daran liegt, dass ihr die Blöcke hier mit dem Analogstick herausziehen könnt. Herumwackeln ist damit praktisch nicht mehr möglich.
Das exakte Bewegen der roten Blöcke ist aber letzten Endes auch nur ein kleiner Teil der Herausforderung. Viel mehr kommt es darauf an, überhaupt herauszufinden, wie ihr einen Level bezwingen könnt. Jedes Kapitel fügt neue Herausforderungen hinzu, im zweiten müsst ihr beispielsweise schwerpunktmäßig Wippen mit Blöcken beschweren, später kommen noch Laufbänder hinzu oder gar Figuren, die euch daran hindern wollen, den Level zu verlassen. Es genügt nicht immer nur, zu wissen, wie ihr einen Level grundsätzlich bezwingen könnt.
Oft müsst ihr auch auf das richtige Timing achten, damit der Salary Man auch zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Zudem gibt es in jedem Level ein Zeitlimit - das reicht ganz am Anfang noch gut aus, später werden die Level aber größer und kniffliger.
Seine Thematik verliert das Spiel nicht aus den Augen. Nicht nur wird jedes Level mit ein bis zwei zynischen Sprüchen des ominösen Managements eingeleitet, auch stehen auf einzelnen Bauklötzen immer wieder einzelne Worte, die zusammen gut und gerne irgendeinen Satz ergeben könnten, den jemand im Büro sagt: Geschichten, Entscheidungen, Aufzug, Kaffee. Und bitte, lieber Angestellter, stell' sicher, dass du jedes Rätsel löst, bevor du das Büro verlässt. Untermalt wird das Geschehen von einem Soundtrack, der am ehesten an japanischen Pop aus den 80ern erinnert. Durchaus treibend, als stünde der Chef hinter einem, der einen immer wieder aufs Neue motivieren will, weiterzuspielen.
Insgesamt wirkt das alles sehr rund und gerade mit Move Controller fühlt ihr euch wirklich, als würdet ihr mit euren Händen an dem monochromen Gebilde vor euch herumdrücken. Letzten Endes sehe ich aber ehrlich gesagt keinen Grund, warum dieses Spiel nur für PSVR verfügbar ist. Die Probe aufs Exempel ergab, dass sich Salary Man Escape zwar nicht mehr so gut mit Move Controller, wohl aber mit regulärem Dualshock spielen lässt, wenn ihr euch das Headset einfach auf den Schoß legt. Klar ist das weniger immersiv, zumindest als Option hätte ich mir das für ein Puzzlespiel wie dieses doch gewünscht.
Bei den Optionen haben mir zudem ein paar Einstellungsmöglichkeiten für die Steuerung gefehlt. So sind bei der Bedienung mit dem DualShock 4 beide Analogsticks invertiert und das lässt sich auch nicht ändern und auch die Empfindlichkeit der Sticks bleibt immer wie sie ist. Nicht weiter irritiert hat mich dagegen die arg reduzierte Grafik, sorgt sie doch immerhin dafür, dass das Spiel insgesamt leicht lesbar ist. Und irgendwie untermalt sie ja auch den tristen Arbeitsalltag, der in Salary Man Escape porträtiert werden soll.
Salary Man Escape enthält letzten Endes keine Mechanismen, die man nicht schon irgendwo gesehen hätte. Trotzdem fühlt es sich neu an - einerseits aufgrund der permanenten Symbolik, die dem Gameplay als eine Art satirische Allegorie auf das postmoderne Arbeiten innewohnt. Andererseits aber weil's eben VR ist und sich das Herumschieben, Hineindrücken und Herausziehen von roten Klötzchen mit Move Controller irgendwie befriedigend und realitätsnah anfühlt. Eine zusätzliche Nicht-VR-Version wäre zwar wünschenswert gewesen, sie hätte aber nie die gerade gelobte Immersion. Untermalt von einem treibenden japanischen Soundtrack, ist Salary Man Escape ein VR-Physikpuzzler, den es so kein zweites Mal gibt. Also dann Kollegen, in die Hände gespuckt, steigert das Bruttosozialprodukt!
Entwickler/Publisher: Red Accent Studios/Sony Interactive Entertainment - Erscheint für: PSVR - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PSVR - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein