Saw 2: Flesh & Blood
Nichts als Quälerei
Es war viel zu lange gut gegangen. Dieses Jahr musst ich mich über kein Spiel so richtig ärgern und eigentlich jeder Titel, den ich getestet habe, stellte sich als zumindest in Ansätzen unterhaltsam und tadellos spielbar heraus. Da gebot es alleine schon der Anstand, dass ich mich noch vor Jahresende für den – in dieser Hinsicht weit weniger gesegneten – Kollegen Woger in den armeetauglichen Stacheldraht von einem Spiel werfe, der Saw 2 geworden ist.
Das heißt nicht, dass man Saw 2 nicht auch von vorne bis hinten ohne Abstürze oder sonstige spielverderbende Bugs durchzocken könnte. Rein technisch gesehen ist der Titel sicherlich nicht gut, aber zumindest fehlerfrei. Doch mit handwerklichem Können allein erschafft man kein spielenswertes Erlebnis – eine Lektion, die Konami und vor allem der Entwickler Zombie Studios mit Flesh & Blood nun hoffentlich lernen.
Wie schon der Vorgänger lässt sich auch Saw 2 im Grunde recht einfach beschreiben: Man sperre Professor Layton in einem dunklen Action-Adventure von vorgestern ein und quäle ihn mit durchwachsenen, sich ständig wiederholenden Puzzles. Immerhin in Sachen Grusel ist der Titel der Zombie Studios mit Level 5s Knobler mindestens gleichauf, vielleicht sogar eine Idee darüber. Wer klatschen möchte, hat jetzt die einzige Gelegenheit dazu. Dass der Titel bei allen grausamen Fallen und milde perversen Leben-oder-Tod-Entscheidungen selbst in Sachen schierem Terror kaum Glanzpunkte setzen kann, liegt schlicht an der Struktur des Spiels. Bis auf einen Fall ganz zu Anfang liegt das Schicksal der Person auf der anderen Seite der Falle nur scheinbar in eurer Hand.
Da euer Versagen in allen anderen Fällen aber automatisch in einem Game Over mündet, stellt sich euch gar nicht erst das moralische Dilemma, mit dem sich die – und das Wort setze ich mal vorsichtig in Anführungszeichen – "Charaktere" der Filme so häufig konfrontiert sehen.
Zudem löst der Titel beinahe alle Gefahrenquellen, die nicht in Verbindung mit Steinchenschieben-Rätseln, Memory-Einlagen oder dem schnellen Finden mehr oder weniger einfallsreich versteckter Zahlenkombinationen bestehen, nur zu gerne durch Quick-Time-Events auf. Deren großzügige Zeitfenster, um rechtzeitig noch das Auge von einem Pistolen-bewehrten Türspion abzuwenden oder über einen einstürzenden Fußboden zu springen und damit dem sofortigen Tod zu entgehen, sorgen dafür, dass man sich für jegliche Eventualität gerüstet fühlt. Egal was einem das Spiel auch entgegenwerfen mag: Solange man nicht gerade eines der höchst wiederholungsanfälligen Todesrätsel löst, ist die Rettung nur einen Tastendruck entfernt. Man fühlt sich sicher – und dieses Gefühl hat in einem Survival-Horror-Titel nicht zu suchen.
Das greift sogar auf die Kämpfe über, die nun, anders als im Vorgänger, nicht mehr über generisches Echtzeit-Gekloppe funktionieren, sondern einzig und allein in dilettantisch choreografierten und animierten QTEs – man kann es nicht anders sagen – abgewickelt werden. Kein Bangen, ob einen hinter der nächsten Ecke ein mit Kanülen gespickter Junkie ins Gesicht springt: Die Gegner rennen meist von vorne auf euch zu und selbst, wenn ihr sie nicht kommen seht, verrät euch der blinkende Button auf dem Screen, was zu tun ist. Es ist wirklich die Sorte "Kampfsystem", die man eher von einem der kostenlosen iPhone-Spiele erwarten würde, wie sie die Veröffentlichung derartiger Franchise-Ware oft flankieren.
Komplett daneben sind auch die Balancier-Passagen, in denen der Protagonist über ein schmales Brett auf die andere Seite eines Abgrundes gelangen muss. Hier wird mit LT und RT gelaufen, während man mit dem Stick das Gleichgewicht halten muss. Das klappt manchmal vollkommen problemlos, wird andernorts aber unvermittelt zur schwersten Sache der Welt und resultiert selbst bei einem Sturz in lediglich zwei Meter Tiefe im sofortigen Tod des Hauptcharakters. Vermutlich leidet er an der Glasknochen-Krankheit oder etwas in der Art. Dass man nach einem Tod, der einen auch während des beinahe zwangsweise eintretenden Sekundenschlafs schon mal wie von selbst ereilt, einen viel zu langen Ladescreen mit "geistreichen" Jigsaw-Zitaten über sich ergehen lassen muss, macht das nicht gerade besser.
Dazu kommt noch das uninspirierte Leveldesign. Ihr kommt in eine Halle. Tür eins ist verriegelt und entlarvt sich damit selbst als Durchgang in den nächsten Bereich. Ein weiterer, offener oder mit einem Nagel zu öffnender Durchgang weist den Weg zu dem Werkzeug oder der Zahlenkombination, die ihr für Tür 1 benötigt. Ab und an gibt es auch eine dritte Tür, hinter der sich die eine oder andere Audio-Aufnahme oder Fallakte findet. Und das ist im Grunde auch schon die Struktur des gesamten Spiels.
Von den Logik-Kloppern fangen wir besser gar nicht erst an. Michael läuft barfuß durch das ganze Spiel und schneidet sich an Scherben die Sohlen auf, die man wegen der Perspektive auf Schulterhöhe oft schlecht sehen kann. Nicht in einer Sekunde kommt er auf die Idee, die Schuhe eines der armen Teufel zumindest einmal anzuprobieren, dessen Schädel er gerade mit einem Nagelbrett durchlöchert oder mit einem Baseballschläger just eine dekorative Konkave verpasst hat. An anderer Stelle fischt er mit der bloßen Hand in sengendem Wasserdampf oder einer mit benutzten Spritzen gefüllte Toilette nach storyrelevanten Gegenständen. Wer das Jahrhundertwerk "Ey, Mann, wo is' mein Auto" gesehen hat, weiß, was ich meine, wenn ich sage: "Manche Affen benutzen einen Stock!"
Doch auch mit einem clevereren Protagonisten wäre Saw 2: Flesh & Blood kein gutes Spiel geworden. Technisch hochbieder, wandelt es auf breitgetretenen Pfaden und scheucht nur selten mal den Schatten eines guten Einfalles, einer spannenden Situation oder eines originellen Rätsels über den Schirm.
Bei all den faulen Wiederholungen und dem hochgradig deprimierenden Kampfsystem ist es aber vor allem die erschreckende Abwesenheit des Horrors. Das mag man einem Quälporno von einem Film vielleicht noch verzeihen. Ein Spiel aber, das einen selbst in eine solch furchtbare Situation zu werfen versucht, begeht hierdurch seinen schwersten und unverzeihlichsten Fehler. Ein Sündenfall, durch den es selbst zu einem Kandidaten für eine von Jigsaws elaborierten Todesmaschinen wird.