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SBK X: Superbike World Championship

Super. Bikes.

Wenn sich der Kollege Woger um ein Rennspiel kümmert, bombardiert meine Wenigkeit ihn sofort mit der Frage, ob man denn bei den Einzelrennen auch die Rundenanzahl beliebig verändern kann. Das sind einfach Dinge, die ich mache. Ein Vehikel auswählen, die Rennzeit auf über eine Stunde setzen, die Gegner-KI aufs Maximum stellen, Spaß haben. Meist enttäuscht mich Martin, etwa bei Forza Motorsport 3, oder erklärt irgendwas von irgendwelchen Umwegen über den Online-Multiplayer. Deshalb gleich vorneweg: SBK X bietet ebenfalls nicht diese Möglichkeit, besitzt aber immerhin die Option, die Renndistanz anhand eines prozentualen Wertes an die der realen Superbike-Weltmeisterschafts-Rennen anzupassen.

Zugegeben, das ist die einzige große Enttäuschung meinerseits. Ansonsten hat das kleine Entwicklerstudio Milestone sich endlich die Kritik zu Herzen genommen und den Umfang seiner Paradesimulation deutlich aufgestockt. Neben Standardmodi wie Einzelrennen, Zeitfahren oder Meisterschaft gibt es erstmals auch eine Karriere, in der ihr euch mit einem selbsterstellten Fahrer durch die beiden Nachwuchsserien Superstock sowie Supersport für ein Team in der Superbike-Weltmeisterschaft empfiehlt und letztlich um den Weltmeisterschaftstitel kämpft. Zusätzlich nehmt ihr an Test-Sessions teil und helft bei der Entwicklung neuer Teile für eure Maschine.

Anders als etwa die MotoGP-09/10-Konkurrenz, bei der versucht wurde, sowohl Arcade- wie auch Simulations-Puristen mit einer Fahrphysik zu vereinen, trennt SBK X schon vor dem eigentlichen Hauptmenü die Spreu vom Weizen und lässt euch entscheiden: Arcade oder Simulation? Oder vielleicht doch Mehrspieler? Wer auf Dinge wie Gewichtsverteilung, Bremspunkte oder die Kurvenlage verzichten beziehungsweise der Realität die lange Nase ziehen möchte, tobt sich eben in der Arcade-Variante aus.

Die Bäume sind erstmals in 3D. Aber bei Tempo 300 bemerkt man das eigentlich nicht.

Das funktioniert nicht nur hervorragend, sondern macht dank des immensen Geschwindigkeitsgefühls unglaublich Laune. Ihr bremst spät, lasst die Reifen quietschen, rempelt die Konkurrenz an. Selbst Ausrutscher ins Gras oder Kies wiegen nicht so schwer ins Gewicht. Umkippen will in diesem Modus gelernt sein (ich habe es nicht geschafft), ist aber sicherlich auch möglich. Und selbst wenn: Ein Schadensmodell existiert in dieser Variante sowieso nicht.

Ideal wäre dieser Modus somit auch für einen gepflegten Mehrspieler-Abend, schließlich muss niemand erst die Eigenheiten einer 200-PS-Maschine lernen. Doch Fehlanzeige, SBK Xs Multiplayer funktioniert ausschließlich übers Internet, dann aber mit bis zu 16 Mitspielern. Was Milestone im Simulations-Part Karriere nennt und atmosphärisch bezaubernd mit einem eigenen 3D-Büro präsentiert, schimpft sich im Arcade-Modus Story. Aus einem langweiligen Textmenü wählt ihr verschiedene Szenarien aus, in denen ihr etwa eine neue Bestzeit aufstellen oder die Konkurrenz für ein paar Runden hinter euch halten müsst. Hält bei Laune, ist aber deutlich kurzweiliger als das Karriere-Pendant der Simulation, was aber auch nicht sonderlich verwundert, letztlich stellt die Mopedraserei in erster Linie eine schweißtreibende Sim dar.

Milestone unterscheidet dabei zwischen drei Simulationsstufen, bei denen unterschiedliche Fahrhilfen euren Alltag erleichtern. Und diese sind für blutige Anfänger lebensnotwendig, denn wer den Bremspunkt nur einmal verpasst oder gar den Kurvenscheitel falsch anfährt, findet sich sofort im nächstliegenden Kiesbett wieder. Vermutlich flach am Boden, da mal wieder zu energisch mit dem Gas gespielt und damit ein Drift produziert wurde. SBK X ist ähnlich wie Race On oder GTR2 ein Spiel „für die Krassen“. Es dauert eine ganze Weile, bis ihr eins mit eurer Maschine seid, bis ihr mit dem rechten Stick die Körperhaltung eures Fahrers vor jeder Kurve verändert. Bis ihr die Bremspunkte erwischt, bis ihr die Kurven richtig anfahrt. Essentiell zum Erfolg ist dabei natürlich das Setup, das erneut in der vollanimierten Garage entweder per Hand oder im nützlichen Multiple-Choice-Gespräch mit eurem Renningenieur verändert wird. Anschließend schwingt ihr euch wieder aufs Bike, brennt eine Runde in den Asphalt, starrt auf die Telemetrie und redet erneut mit dem Master-Abgänger in Atomwissenschaft. Wie ein echter Rennfahrer eben.

Jeder Fahrer wurde individuell zu seinem realen Pendant animiert. Aber bei Tempo 300...

Komplizierter wird die Sache, wenn unterschiedliche Wetterbedingungen eure Arbeit erschweren. Regen verändert das Fahrverhalten, Bremspunkte müssen früher gelegt werden, der Gashebel erfordert wie eine Frau deutlich mehr Gefühl und Zärtlichkeit. Neu ist das Evolving Track-System, das die Streckenbedingungen spürbar verändert. Viel Fahrbetrieb legt Gummi auf die Piste, was mehr Grip für die Reifen bedeutet.

Regen spült diesen Gummi wieder ab; bei trocknender Rennbahn wird das Verlassen der Ideallinie zum Schweißperlen erzeugenden Risiko, da ihr den längeren Bremsweg sofort bemerkt. Überholmanöver gegen die flinke KI, die sich hier und da auch mal einen Fehler erlaubt, müssen dann wohl überlegt sein. Ausritte in die Pampa werden dadurch ebenfalls härter bestraft, da das schwarze Gold erst einmal wieder sauber gefahren werden muss. Dass der optisch nicht immer erkennbare Schaden an eurem Bike ebenfalls eine Rolle spielt, genauso wie der Zustand eures Fahrers, muss ich wohl nicht weiter erklären. Kurzrum: Der Simulations-Part von SBK X ist eine Wissenschaft für sich. Etwas, mit dem echte Motorrad-Sim-Fans glücklich werden.

Und in erster Linie richtet sich SBK X: Superbike World Championship genau an diese Sparte von Spielern. Dennoch ist es Milestone gelungen, durch die Abgrenzung der Arcade- und Simulationssparte auch ein Spiel zu kreieren, mit dem selbst Nicht-Sim-Fans viele Stunden auf den virtuellen Pisten verbringen können. Etwas, woran so viele Studios scheitern. Da kann man auch die noch immer karge Optik verzeihen, die zwar im Vergleich zum Vorjahr ein wenig zugelegt hat – Motorräder und Fahrer sehen noch mal einen Tick besser aus, genauso wie die Spiegelungen bei Regen –, aber bei weitem nicht mehr zeitgemäß ist. Immerhin lassen sich animierte Flaggenschwenker am Streckenrand erkennen – wann gab es das zuletzt in einem Rennspiel? Täuschen lassen sollte man sich aber nicht. Im Kern ist SBK X ein Spiel für „die Krassen“. Eine waschechte und bislang wohl auch die realistischste Motorradsport-Simulation.

SBK X: Superbike World Championship ist für Xbox 360, PlayStation 3 sowie PC erhältlich. Eine Special Edition gibt es ebenfalls, die zusätzlich legendäre Superbike-Fahrer wie Troy Bayliss, ein Poster sowie eine Highlights-DVD der letztjährigen Saison enthält.

8 / 10

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