Scarlet Nexus Test - Brainpunk ist auch nur ein cooler Kampf
Ruhiger Start in einen schnellen Kampf
Nach Cyberpunk nun also Brainpunk... Hm, warum nicht. Statt kybernetischer Stärke und Schnelligkeit habt ihr in Scarlet Nexus vor allem übersinnliche Fertigkeiten, die es euch erlauben, einen Kleinbus auf ein Silent-Hill-Monster zu schmeißen. In dieser Welt entwickelten sich die mentalen Fertigkeiten mancher Menschen besonders gut und alles ist durch ein seltsames, rötliches Netzwerk verbunden, den Scarlet Nexus. Wie immer in solchen Szenarien lief für eine Weile alles richtig gut, bevor es den Bach runterging. Was uns mal wieder in die Apokalypse führt.
Diese ist aber sehr Anime und das heißt, dass ihr wie zum Beispiel auch in Astral Chain oder Attack on Titan den einen relativ sicheren Ort einer Stadt habt und drum herum sind dann die verbotenen Lande. Diese leben hier von der Kreativität der Macher von Tales of Vesperia und zeigen einige faszinierende Eindrücke. Schade, dass man hier nicht mehr erkunden kann: Das eine Mal, wo man eine offene Welt haben möchte, läuft man durch zu 90 Prozent lineare Level. Trotzdem, die Welt von Sacrlet Nexus ist mehr als nur einen Blick wert.
Teenie-Helden mit Anlaufschwierigkeiten
Die Story darin... Ihr müsst erst einmal leiden, denn natürlich dreht sich fast alles um Super-Soldaten frisch aus der Akademie für Gehirn-Super-Kräfte, die gleichzeitig ihren Ausweis vorzeigen müssen, wenn sie ein Bier kaufen wollen. Wahrscheinlich nicht immer mit Erfolg. Dieses Konzept hat sich seit grauer Neon-Genesis-Vorzeit bewährt und anscheinend sieht nach wie vor niemand einen Grund, davon abzuweichen. Die eigentlichen Twists und Wendungen kommen schneller als man denkt und Alex hatte recht, wenn er sagt, dass man schnell an den Punkt kommt, an dem man mehr wissen will.
Was er nicht wissen konnte: Danach passiert erst mal für eine Weile wenig, was man nicht von weitem kommen sah, aber trotzdem. Ist auch nicht schlechter als die übliche Anime-Show: faszinierende Prämisse, spannende Einzelmomente und viel Leerlauf mit nahezu unerträglichen Dialogen dazwischen. Diese werden entweder in - abbrechbaren - spärlich animierten Bildern erzählt, dankenswerterweise komplett englisch und japanisch vertont. Oder noch dankenswertererweise passieren sie nebenbei im Funkchat zwischen den Kadetten. Der kein Funk ist, sondern eine Art Telepathie, wenn ich das richtig verstanden habe. Macht keinen Unterschied. Sie quatschen halt oft und gern und meist halbwegs unterhaltsam genug.
Es gibt im Grunde zwei Story-Linien mit einem männlichen und weiblichen Charakter und auch wenn ihr weite Teile des eigentlichen Spiels im Grunde zweimal spielt, unterscheiden sich die Handlung und manche Wege doch genug, um die 15-25 Stunden - je nachdem, wie viele optionale Quests ihr erledigt - zu rechtfertigen. Zumindest, solltet ihr es schaffen, euch weit genug für die einzelnen Charaktere zu begeistern, ihre kleinen Geheimnisse wissen zu wollen und beim Wechselspiel der Loyalitäten nicht einzuschlafen. Sorry, wenn jeder ein Geheimnis hat, gefühlt jeder irgendwann die Gruppe mal verrät, aber aus guten Gründen und dann alle ihm vergeben... Nach der dritten Abwandlung dessen lässt mein Interesse stark nach und ich weiß nicht, ob ich die zweite Runde je auch nur annähernd beenden werde.
Nicht reden... Kämpfen!
Das eigentliche Herz ist aber der Kampf und der basiert auf einer sich stetig bessernden Mischung aus Hack'n'Slay und kinetischen Angriffen. Es beginnt in den ersten Stunden eher mittelprächtig. Den richtigen Rhythmus zu finden, ist erstaunlich schwierig, denn im Grunde will man loshacken, aber es ist wie bei Devil May Cry ein Mix aus normalen Angriffen, die dann den PSI-Meter aufladen, mit dem man dann Kleinwagen wirft. Diese verursachen mehr Schaden und wenn man dann das schnell wieder mit Schlägen kombiniert, lädt sich die Energie schneller auf, sodass man mehr Kleinwagen und Müllcontainer werfen kann.
Was sich erst ein wenig lahm und sperrig anfühlt, beginnt sich in einen schnellen Tanz zwischen Feinden zu entwickeln und läuft zu den zahlreichen Bossen dann zu Hochform auf. Diese scheinen fiese Kugel- oder vielmehr Schlag-Schwämme zu sein, aber oft habt ihr in der Arena irgendwelche Gegenstände, die ihr mit komplett aufgeladenen Kräften einstürzen, draufstürzen oder umstürzen lassen könnt, was den Kampf deutlich verkürzt und oft genug leider auch ein klein wenig zu einfach macht. Trotzdem, die Titanen sind häufig das würdige Highlight zum Ende eines Abschnitts und so soll es ja auch sein.
Nach und nach kommen auch die RPG-Systeme besser zur Geltung, wenn ihr auflevelt, Kombos erweitert und neue Fertigkeiten freischaltet. Am meisten Spaß machen die mächtigen Brainfield-Attacken, die euch für kurze Zeit richtig die kinetischen Attacken ausleben lassen. Scarlet Nexus ist aber clever genug, euch solche Allmacht, so kurz sie auch sein mag, nicht zu schenken, denn wenn ihr die Eingaben nicht ganz treffen solltet, kann es sein, dass ihr einfach direkt sterbt. Risiko und Belohnung wirken ambitioniert austariert und vor allem auf dem nicht sehr vergebenden hohen Schwierigkeitsgrad werdet ihr öfter mal das Risiko wählen.
Ein eigener Look und Silent Hill Monster auf sonnigem Urlaub
So zwiegespalten mein Verhältnis zu meinen Kollegen in im Kampf gegen die seltsamen Wesenheiten auch sein mag, im Kampf mag ich sie alle, denn jeder eurer Kameraden gibt euch zeitlich begrenzte Boosts. Das beginnt eher banal mit Element-Attacken, aber mit der Zeit bekommt ihr so kurzfristige Unsichtbarkeit oder klont euch, was für eine Menge Verwirrung und extra Schaden sorgt. Wenn ihr lange genug eure Begleiter kennt, könnt ihr später sogar kurz in ihre Haut schlüpfen, was die Frage aufwirft, warum das kein generelles Feature ist. Aber dann wiederum, vielleicht war es besser, sich auf zwei Figuren und im Grunde einen Kampfablauf zu konzentrieren und diesen so feinzuschleifen, wie das hier der Fall ist. Sicher, Astral Chain ist noch ein gutes Stück besser, aber dann ist das auch Platinum Games. Und es kann halt nicht jeder Platinum sein.
Was die Technik angeht, war ich wirklich überrascht: Die Umgebungen sehen fantastisch aus. Sehr detailliert und dank eines recht eigenwilligen körnigen Filters in Kombination mit einer Art Cel-Shading wie ein künstlerisch ambitionierter Anime. Das ist nicht der obligatorische Billig-Look, den sich Anime-Games gern mal verpassen, das hat Stil und Charakter. Der kleine Nachteil ist, dass ihr ein wenig zu viel Zeit habt, diesen zu bewundern. Es gibt praktisch kein Areal, dass ihr nicht mehrfach besucht und mit der Zeit lässt der Charme ein wenig nach. Aber das ist immer noch besser als bei Astral Chain mit exakt einer Kampf-Umgebung. Ein besonderes Highlight muss ich aber noch mal hervorheben: Das Design der Feinde ist genial. Es wirkt wie eine sonnige Form von Silent-Hill-Monstern, die entsprechend ihrer Umgebungen viel Kreativität zeigen. Es ist nur schade, dass man so zügig um sie herumsaust, um sie zu besiegen und nie so richtig im Detail in Ruhe bewundert.
Scarlet Nexus Test - Fazit
Scarlet Nexus ist ein Spiel, dem man eine Chance geben muss, um irgendwo hinzukommen. Die ersten Stunden - und auch einige später dazwischen - sind immer wieder schmerzhaft lang gewundene Anime-Dialoge mit nur wenig Gameplay. Dieses, in Form des immer besser werdenden Kampfes, braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Aber nach ein paar Stunden passiert es dann. Die Handlung findet ihren Twist, den sie so dringend brauchte und das zunächst eher sperrige Hack'n'Slay mit ein wenig RPG kommt auf Touren. Es wird nie eine Kombo-Könner-Orgie wie Devil May Cry und nie ganz so elegant wie Astral Chain, aber Scarlet Nexus hat hier ein eigenes Tempo und es macht genug richtig, um euch vielleicht sogar zweimal durch 20+ Stunden zu bringen. Scarlet Nexus entwirft vor allem eine spannende Welt, die ich gern gesehen habe und zu der ich eines Tages zurückkehren würde. Dann braucht es ja auch nicht mehr ganz so redselig zum Start zu sein und kann gleich zum exzellenten Kampf übergehen.