Splinter Cell: Double Agent
Es tut gut, böse zu sein.
King of the Kongo
Die Entscheidungsfreiheit zieht sich wie ein roter Faden durchs Spiel. So bieten die meisten Levels jetzt noch mehr Lösungswege und Routen. Nehme ich den Aufzug? Klettere ich außen herum oder doch lieber durch die Lüftungsschächte? Es passiert auch mal, dass eine scheinbar ausweglose Situation durch Hilfe von Außen gelockert wird. An einer Stelle schleiche ich durch eine Art Kasino. Überall Wachleute! Wie soll ich da durch kommen, ohne entdeckt zu werden? Über Funk teilt mir die bis dato lebendige Enrica mit, dass sie sich in die einarmigen Banditen hackt. Diese spucken Sekunden später massig Münzen aus, was die Gegner anzieht und mir die Flucht ermöglicht. Hui, da hab ich nochmal Glück gehabt. Später im Kinshasa/Kongo-Level befinde ich mich inmitten eines Bürgerkriegs. Ich könnte mich einmischen, aber auch versuchen unbemerkt zum Zielort zu gelangen. Überall wird gekämpft und dauernd fliegt was in die Luft. Ich sitze auf einem Dach und sehe mir die Straßenkämpfe an. Wieder stellt sich die Frage, wie man da lebend durchkommen soll. Plötzlich macht es rumms, ein kompletter Bus fliegt durch die Straße und zermanscht einige Soldaten. Das macht die Sache wieder etwas leichter. Ich sollte unbedingt noch erwähnen, dass die Optik in diesem Level einfach bombastisch ist. Bürgerkrieg at it's best. Hm, darf man so etwas überhaupt sagen?
Insgesamt ist Splinter Cell 4 um einiges einfacher als seine Vorgänger. Das liegt zum einen daran, dass eine Mission nicht gleich scheitert, bloß weil Ihr zu viele Alarme ausgelöst oder zu viele Unschuldige gekillt habt. War ja ansatzweise in Teil 3 schon so. In Double Agent müsst Ihr lediglich darauf achten, dass keine der Parteien völlig das Vertrauen ins Sam verliert. Hilfreich sind die Bonus-Gadgets, die Ihr für das Lösen bestimmter Nebenmissionen erhaltet. Zum Beispiel der automatische Dietrich, der Schlösser selbständig knackt. Ein Upgrade für das Hacking-Werkzeug erleichtert das Agentenleben ebenfalls unheimlich. Dass die Suche nach Healthpacks wegfällt, ist Geschmackssache. Kassiert Sam einige Treffer, bringt Ihr ihn einfach in Sicherheit und seine Gesundheit wird wieder hergestellt. Ähnlich wie in Activisions Call of Duty2. Das Speichersystem hingegen dürfte jedem Spieler auf den Sack gehen. Das Spiel erlaubt Euch zwar immer und überall den Spielstand zu sichern, aber wollt Ihr etwa vor einer kniffligen Passage abspeichern, dauert das über 20 Sekunden. Für „Quicksave“ ist das einfach nicht quick genug. Wenn man schon mal beim Meckern ist: Die Steuerung ist an sich sehr gut, doch wenn es darum geht, sich ganz genau zu platzieren, um ein Rohr hoch zu klettern oder in einen Lüftungsschacht zu kriechen, wird es schon mal hakelig. Einige Spieler beklagen, dass sich das Spiel stellenweise einfach aufhängen würde. Dieses Problem trat bei uns jedoch nicht auf.
Einsteigerfreundlicher Multiplayer
Der Einzelspieler-Modus ist zwar spielerisch fett, aber nicht in Sachen Umfang. Kenner haben das Teil in weniger als zehn Stunden durch. Dank vieler Lösungswege und Good/Bad-Mechanik lohnt sich ein erneutes Durchspielen aber auf jeden Fall. Außerdem wäre da ja noch der Multiplayer-Teil. Aufgeteilt ist dieser in Koop und 3-Vs-3-Modi. Veteranen müssen sich ein wenig umgewöhnen, da Ubisoft auch hier diverse Neuerungen präsentiert. Im Endeffekt wurde alles ein wenig vereinfacht, um Anfängern den Einstieg zu erleichtern. Nach wie vor entscheidet Ihr Euch für eine von zwei Fraktionen. Die akrobatischen Spies setzen nicht so sehr auf Waffen, sondern mehr auf technisches Spielzeug und müssen Daten klauen. Die Mercenaries sind bis an die Zähne bewaffnet und tun alles, um den Datenklau zu verhindern. Durch ihre akrobatischen Fähigkeiten können sich die Spione viel freier bewegen und beispielsweise Lüftungsschächte benutzen. Der Mobilitätsnachteil wird durch eine gewisse Schwachbrüstigkeit erkauft, weshalb Spione in direkten Konfrontationen meist den Kürzeren ziehen. Für Anfänger integrierten die Entwickler optionale Icons die darüber aufklären, welche Interaktionsmöglichkeiten Objekte und Umgebung bieten. In dem Ubisoft an den Fähigkeiten beider Parteien herumschraubte, fühlen sich die Matches ausgeglichener an. Die Spione sind nun schneller unterwegs und es gibt nicht mehr so viele Fallen, in die Ihr als Heimlichtuer tappen könnt. Den Mercs nahm man unter anderem die Minen und Lärm-Detektoren weg und rüstete sie dafür mit eingebauten „Bewegungsmeldern“ aus.
Während der Onlinesessions gab es übrigens keine Lags, Aussetzer oder ähnliches. Ubisoft spendierte auch gleich ein nettes Ranglisten-System, das besonders fleißige Spieler belohnt. Ist der Mehrspieler-Modus also besser als im Vorgänger? Das kann man so pauschal nicht sagen. Für Einsteiger ist es ganz bestimmt weniger frustrierend. Haben sich alte Hasen erst mal an die Änderungen gewöhnt, dürften auch sie ordentlich Spaß haben.
Es gibt hier so viele spannende Momente, dass ich gar nicht alle aufzählen kann. Naja, ich könnte schon, aber ich bin zu faul. Splinter Cell 4 erfüllt meine Erwartungen jedenfalls voll und ganz. Das lahme Speichersystem finde ich allerdings zum Kotzen. Fast eine halbe Minute vergeht, bis ich einen Spielstand angelegt habe. Das ist einfach zu lang und reißt einen regelmäßig aus der dichten Atmosphäre des Spiels. Ich liebe das Spiel trotzdem – nicht nur weil ich meine böse Seite ausleben darf.
Splinter Cell: Double Agent gibt's auch für Xbox, PS2 und Gamecube. Die PC-Version erscheint am 9. November und ein Video zum Multiplayer-Modus findet Ihr hier auf Eurogamer-TV. Und auch was Ex-Agent Woodie Mister zu Splinter Cell zu sagen hat.