Score-Blog: Was auf die Ohren
Gears of War 2, Orange Box und mehr
Wir lieben Nischen. Und im weiten Feld der Soundtracks genießen die Musiken zu Videospielen eine klitzekleine davon ganz für sich allein. Wir wollen euch von Zeit zu Zeit im Score-Blog ein paar Scheiben vorstellen und berichten, ob es sich lohnt, diese auch ohne das dazugehörige Spitzenspiel zu genießen. Oder wer weiß, vielleicht entpuppen sich auch die Klänge einer Gameplay-Gurke als echter Geheimtipp, den nur noch niemand bemerkte. Spielen: Autsch. Aber es zu hören: Mmmh, Ohrenschmaus…
No More Heroes
Komponist: Masafumi Takada
Erhältlich über: Play-Asia
Das dürfte ziemlich sicher eine dieser „liebe es oder hasse es“-Nummern sein. Breakbeats, Rockeinlagen, Trip-Hop-Style - und alles gewürzt mit einem unterschwelligen Hauch von 8-Bit. Womit dann das eigenwillige Spiel aus der Grasshopper-Schmiede ziemlich passend untermalt wäre. Takada lässt hier einfach nichts aus. Da wabert etwas durch „Hell on Bare Feet“, was mal eine indische Zitter gewesen sein könnte, verwirrt euch kurz, um dann zugunsten seltsamer Effekte aus dem Raum fallen gelassen zu werden, nur um dann bei Minute 2 umso schriller zurückzukehren.
Ein wenig später hauen euch „Ten Tons of Titanium“ in ihrer Plattheit schon wieder schöne Retro-Riffs um die Ohren. „Hustlin Tuslin“ folgt keine vier Minuten später und könnte nicht weiter davon entfernt sein. Arab meets Latin-Pop. Keine Pausen, aber tausend Stops. Und solltet ihr euch an irgendetwas gewöhnt haben, dann seid ihr sehr schnell darin, euch an etwas zu gewöhnen. No More Heroes lässt euch dafür denkbar wenig Zeit.
Das in nur in Japan erschienene 3-CD-Set lässt mit 71 Tracks weder an Umfang noch Abwechslung zu wünschen übrig. So wie ein einzelner Track mitunter springt, wandelt Takada auf einem Grad zwischen Salsa, Morricone, Tetris, Tricky und Wahnsinn. Mit anderen Worten: Haltet ihr gerade eine dieser hippen Young-Neuromance-Indie-Partys im Stile der Tally-Weijl-Werbung ab, dann legt das Ding einfach ein. Sollte das Unmögliche passieren und einer ganzen Horde egozentrischer Partygäste der Gesprächsstoff ausgehen, dann finden sie in diesen spaßigen, verwirrenden und ehrlich gesagt auf ihre ganz eigene Art wahnsinnig coolen Beats vielleicht ein neues Thema.
The Orange Box
Komponist: Kelly Bailey
Erhältlich über: Amazon (Download)
Es ist üblich, dass der einzige „richtige“ Song eines Soundtracks sich in den Vordergrund drückt und dann irgendwo in den Charts auftaucht, während der eigentliche Score dann irgendwo im Back-Catalogue von Varese Sarabande vor sich hinkrebst. Jonathan Coultons „Still Alive“ auf dem Orange Box Soundtrack stellt da keine Ausnahme dar, aber man kann es ihm einfach nicht übel nehmen. Zu drollig kommt die kleine Gitarren-Rock-Nummer daher. In gewisser Weise IST dieser Song Portal: Kurz, unglaublich subversiv und ziemlich witzig. Während die Originalversion Zeilen wie „I've got experiments to run, there is research to be done, on the people who are still alive.” mit einer zuckersüßen androgynen Computerstimme abliefert, der man für nichts böse sein kann, enttäuscht der Remix zum Schluss ein wenig. Unverzerrt und mit Folk-Attitude kommt das einfach nicht so schnuffig-brutal rüber.
Der Rest des mit insgesamt 19 Tracks und gerade mal etwas mehr als 45 Minuten ziemlich kurz ausgefallenen Samplers ernüchtert da leider. Nicht dass die einzelnen, im üblichen Valve-Stil eher ambient als melodic ausgefallenen Tracks jetzt wirklich schlecht wären, aber sie decken einfach nicht die Orange Box ab. Diese enthält schließlich auch Half-Life 2, welches hier komplett fehlt. Der verbleibende Rest wurde scheinbar nach Zugänglichkeit sortiert. Die Team Fortress 2 Stücke hätte ich zwar eher den Profi-Einbrechern um Danny Ocean zugeteilt, nett klimpert es aber doch. Der Sprung zu Episode Ones „Disrupted Original“ kommt dann düster und ruppig. Dunkles Ambient zieht Euch aus dem fröhlichen Ballerland in die finstere Combine-Welt. Positiv fällt der stete Wechsel ruhiger Passagen und etwas längerer Kampf-Action-Parts auf.
Die letzten Tracks gehören Portal und ich werde einfach nicht so richtig warm damit. Legten Episode One und Two noch einen definitiv eigenständigen Klangteppich in den Raum, könnte Portal komplett aus dem Nichts stammen und dorthin unerkannt zurückgehen. Ich musste sogar noch einmal Portal starten, um mich zu vergewissern, dass da wirklich irgendwo was lief. Ja, tut es. Und es ist kein Wunder, dass es im Spiel nicht störte. Es fällt ja kaum auf.
Komplettisten, die alles brauchen, wo Half-Life draufsteht, können gerne zugreifen. Der Rest ist sehr vorsichtig. Im Bereich Atmo- und Action-Ambient gibt es vieles - und so gut die Musik in den Spielen auch passt, für sich allein steht der Orange-Box Soundtrack ziemlich traurig, weil belanglos da. Außer „Still Alive“ natürlich, aber das könnt ihr auch so und legal für nen einzelnen Euro kaufen. Was ihr übrigens sofort tun solltet.
Gears of War 2
Komponist: Steve Jablonsky
Erhältlich über: Amazon
Mit diesem Soundtrack im Ohr ist alles, was ihr tut, unglaublich wichtig und dringlich. Menschenleben hängen davon ab, egal ob ihr eine Atombombe entschärft oder einen Staubsauber zusammensetzt. Jeder Handgriff wird von Donner unterlegt, der Rhythmus ist der des Krieges, von jeder eurer nächsten Handlungen hängen Menschenleben und die Schicksale ganzer Nationen ab. Selbst wenn ihr nur Spaghetti kocht. Mit Gears of War 2 aus den Kopfhörern wird alles zum Actionfilm.
Dass Steve Jablonsky in Hans Zimmers Media-Ventures-Kaderschmiede (heißt jetzt Remote Control Productions) arbeitet, lässt sich bei keinem seiner Werke leugnen, speziell sobald Action dazukommt. Es ist Klischeedurchtränkt, es weckt seltsame, undefinierte, patriotische Gefühle und eine befremdliche Liebe zu allem, was Hollywood als gutes Amerika zeichnet. Sei es nun der heroische Kampf Optimus Primes gegen die Ausrottung der Menschheit, der Kampf gegen Kahns Versklavung der Menschheit oder Fenix' Kampf gegen was auch immer es ist, dass die Unterweltbewohner in Gears of War mit der Menschheit vorhaben. Steve Jablonsky bringt uns mit seinem eigentlich total billigen Epik-Gewummer in Position und hält uns da.
Ehrlich gesagt fällt es schwer, beim Hören zu wissen, wann ein Track genau endet und der nächste beginnt. Es ist eine einheitliche Collage aus etwas ruhigen, episch ergreifenden Momenten, wie beispielsweise in „Insurmountable Odds“, und schnellen, episch kämpferischen Momenten in Stile von „Racing to Extinction“. Hauptsache episch. Bis an den Punkt, an dem das Wort zusammen mit dem Sound jede Bedeutung verliert. Gut dass das herausragende „Hope Runs Deep“ gleich zu Anfang steht, da fällt es wenigstens noch auf und kann gewürdigt werden.
Aber auch dieser Track ist nicht wirklich schlau oder komplex arrangiert und Gears of War 2 bietet nicht die Raffinesse, die die ursprünglichen Zimmer-Werke wie Crimson Tide auszeichnete. Spaß macht es trotzdem. Es ist ein schuldiges, billiges Vergnügen, so eine Art Super-Whopper-Royal unter den Soundtracks. Manchmal braucht man es einfach. Und sein epischen Donnern liefert Jablonsky auch in Gears of War 2. Was heißt episch nochmal?
Sonderling: Vitamin String Quartet – Tribute to Guitar Hero
Komponist: Vitamin String Quartet
Erhältlich über: Amazon
Hm, vier Typen spielen Rock-Kracher auf vier Violinen… Da war doch mal was, da gab es doch mal so ne Band, die machte das mit Cellos und Metallica… Richtig! Apocalyptika. Da kommt das doch bestimmt her, oder? Weit gefehlt. Das Vitamin String Quartet, oder kurz VSQ, macht das schon seit Ewigkeiten und kommt auf über 35 Alben. Ihre technisch über jeden Zweifel erhabenen Cover zu Mainstreamern wie Bowie, Clash, KISS oder ein paar Exoten – wer hätte gedacht, dass man Atreyu oder NIN auf vier Geigen machen könnte – erfreuen sich größter Beliebtheit.
Und ich habe nicht den Hauch einer Ahnung warum. Während Apocalyptika in der Regel die Stimmung der Originale traf und irgendwann sowieso Einsehen hatte und eigenständige Songs produzierte, rasseln diese Leute Rock-Klassiker herunter, dass es sowohl dem Rock als auch dem Klassik-Fan in mir die Zehennägel aufrollt. Wie gesagt, sie sind Meisterfiedler, das streite ich keine Sekunde ab. Nur hört sich Metallicas „One“ passagenweise eher nach Squaredance an, bei „Raining Blood“ muss man schon dazuschreiben was das mal war. Und “Number of the Beast“ ist wirklich zum Horror geworden. Klingt schwer nach Hammer-Productions. Wahrscheinlich „Das Ding aus dem Sumpf“ oder so was. Lediglich mit der Version von „Carry on Wayward Son“ kann ich mich auf seltsame Weise anfreunden. Wenn das läuft, habe ich einen Zombiefilm vor Augen, gedreht von Bob Dylan und mit Kurt Russel als Zombie-Billy-the-Kid in der Hauptrolle. Da seht ihr, wie abstrus dieser Müll sein muss, um mich auf solche Gedanken zu bringen.
Also: Rock rockt. Klassik klassikt. Aber das hier, dieser „Tribut“ an Guitar Hero, ist der Höllenspross einer unheiligen Allianz.
Klassiker: Journey to Silius
Komponist: Naoki Kodaka
Erhältlich über: Weiß der Himmel wo…
Er ist in meinem Besitz, aber woher ich diesen Soundtrack eigentlich habe, kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen. Zu lange liegt er schon herum. Aber nach wenigen Midi-Fiepsern wird klar: Das hier ist 8-Bit. In seiner reinsten, ehrlichsten und besten Form.
Und um es abzurunden: Diesen Soundtrack habe ich nicht auf MP3. Er ist eine meiner letzten Audiokassetten. Wer zu jung dafür ist, kann googlen, was das ist. So wie ich nachgucken musste, was Journey to Silius eigentlich für ein Spiel ist.
Sunsoft und insbesondere ihr Soundmeister Kodaka hatten in den 80ern einen guten Ruf und eine sichere Hand, sobald es darum ging, alles aus Nintendos 8-Bitter zu holen. Die Batman-Scores sind unvergessen und Super Spy Hunter alleine rechtfertige den Einbau eines Soundchips in das Frühnintendo. Was Journey to Silius ist? Keine Ahnung. Beim Lauschen der unbetitelten Tracks projizieren die unverfälschten, rockigen Midi-Klänge eine Weltraumlandschaft in mein kleines Kopfkino.
Befremdliche Aliens lauern dort ganz sicher. Es ist vielleicht ein ferner Mond oder etwas ähnlich verlassenes. Kein Shoot´em´Up. Mehr ein Metroid. Mit einem epischen, herausfordernden Bossfight. Nicht so wie heute. Eine Dreiviertelstunde härteste Daumenarbeit. Die Plastiksnares werden schneller. Drama in Vierspur-Midi.
Ok, ich muss es wissen und gucke nach. Ja, gut geraten. Es ist ein Metroid-Klon, über dessen Qualität ich nicht zu spekulieren wage. Aber sollte er auch nur halb so gut die spielerischen Qualitäten dieser Ära repräsentieren, wie es sein Soundtrack für die akustische Ecke tut, dann habe ich hier einen echten Kracher verpasst.
Neue Soundtrackreviews folgen in unregelmäßigen Abständen. Immer wenn wir zwischen dem ganzen Zocken mal Zeit zum Zuhören finden.