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Scribblenauts Unmasked - Test

Das DC-Universum in Maxwells Händen und ein fieser Superman jagt Batman mit einer Kuh-Pistole durch Metropolis.

Wer ist schneller: Superman oder der Flash? Um das herauszufinden, musste ich den beiden nur das Adjektiv "hungrig" verpassen und ein riesiges Steak herbeizaubern. Flash Fact: Barry Allen gewinnt den Wettlauf zum Fleisch immer, Superman muss hungrig bleiben. Danke Scribblenauts Unmasked für den Erkenntnisgewinn!

Nein, dieser Titel ist nichts für "normale" Scribblenauts-Fans. Die dürften angesichts der platten Zufalls-Rätselei, der viel zu mächtigen Adjektive und des störrischen Verhaltens mancher beschworener Dinge eher enttäuscht sein. Auch bietet die Story mit zwölf Schauplätzen und sechs Helden-Ursprungs-Szenarien nicht grad viel Stoff für langen Rätselspaß. Wer hingegen über ein gerüttelt Maß DC-Comic-Nerdwissen verfügt, stolpert von einem genialen Moment zum nächsten und singt Hymnen auf die Fachkenntnis der Autoren von 5th Cell. Unmasked kitzelt weniger eure allgemeine Kreativität als euren inneren "Comic Book Guy".

Preisfrage für den wahren DC-Kenner: Was treibt Darkseid hier in die finale Krise?

Beispiel gefällig? Eure erste Aufgabe im Spiel lautet, einen Arzt für das gebrochene Bein von Maxwells Schwester Lily herbeizuzaubern, nachdem die beiden Kids ins DC-Universum teleportiert wurden und unsanft in Gotham gelandet sind. Nichts leichter als das - schließlich hat der Junge mit dem Hahnenkamm seinen legendären Schreibblock dabei, der alle erdenklichen Dinge materialisiert und Gegenständen alle möglichen Adjektive verleiht, sobald man sie hineinschreibt.

Also mal sehen. Ich tippe "Thomas Wayne" auf meiner Tastatur (ich spiele die PC-Version). Tatsächlich erscheint Bruce Waynes verblichener Vater quicklebendig auf Gothams Straßen und verarztet Lilys Bein. Wow! Batman-Jünger werden jetzt anerkennend nicken. Wie jeder Fan weiß, war Thomas Wayne ein begnadeter Chirurg, bevor er und seine Frau Martha erschossen wurden - was Sohn Bruce zum dunklen Ritter werden ließ. Da haben die Entwickler vorbildlich ihre Hausaufgaben gemacht!

Let's get ready to rumble!

Der "Batcomputer" in dem alle Helden, Schurken und Gegenstände des DC-Universums im Spiel gelistet werden, fasst über 2000 Einträge von "AA", "Abin Sur" und "Abra Kadabra" bis "Zoom", "Zuggernaut" und "Zum" - inklusive Beschreibungen auf Deutsch und Hyperlink-Querverweisen. Im Verlauf meines Tests fallen mir nur zwei Fehler auf: 'Ultraman' reagiert allergisch auf Kryptonit, statt dadurch stärker zu werden und der Held 'Mon El' wird von Blei zwar geschwächt, aber nicht vergiftet. Allerdings hab ich nicht explizit das Spiel auf derartige Fauxpas abgeklopft. Ganz so fanatisch bin ich dann doch nicht. Außerdem war ich zu beschäftigt.

Superboy Prime und der Anti-Monitor hauen sich in der Arktis eins auf die Mütze, Mr. Mxyzptlk ist derweil mit Blödsinn beschäftigt. Wo bleibt Superman?!

Eine gute Stunde verbrachte ich damit, Kämpfe anzuzetteln, deren Paarungen dutzende Panels auf der nächsten Comic-Con in Aufruhr versetzen würden: Der Antimonitor gegen Superboy Prime, John Constantine gegen Nergal, Parallax gegen Larfleeze, Green Lantern Guy Gardner gegen Red Lantern Guy Gardner, Batman aus Frank Millers "The Dark Knight Returns" gegen "Red Son" Superman, ein vampirischer Riesen-Desaad gegen einen knoblauchwerfenden Lobo, ein mikroskopischer Bizarro gegen den gesichtsamputierten Joker mit Jetpack, ein geflügelter Doomsday gegen Brainiac mit Eistüte. Zum Schluss ritt ich auf der kompletten Justice League: alle Helden feinsäuberlich mittels des Adjektivs "besteigbar" übereinandergestapelt. Natürlich Flash ganz unten, um schneller unterwegs zu sein. Und natürlich trug ich dabei ein Blue-Beetle-Kostüm. Warum? Weil es da ist!

Im Gegensatz zu den zwölf Story-Missionen sind die tausenden Nebenquests alles andere als brillant geschrieben.

Der Plot war für mich völlig Nebensache. Maxwell und Lily beamen sich in die Comicwelt, Lilys Globus geht bei der Reise nach Gotham kaputt, die Starites darin sind verschwunden, Maxwells Doppelgänger hilft den Superschurken und unser Held muss die DC-Comic-Schauplätze aufsuchen, um die Starites einzusammeln. Letzteres entpuppt sich als ziemlich platter Vorwand, um die Spielzeit zu strecken, denn nur mit genügend "Ruf-Punkten", die man in zufällig erstellten Rätseln verdient, darf man weitere Orte (und ein paar Kostüme) freischalten. Im Gegensatz zu den zwölf Story-Missionen, die sich rund um die Helden und Schurken drehen, sind die tausenden Nebenquests alles andere als brillant geschrieben.

Langeweile aus dem Zufallsgenerator

Manchmal stecken putzige Ideen drin, wie zum Beispiel eine Jump-and-Run-Sequenz mit Pixelgrafik oder ein Laborant, der per Fließband auf ein tödliches Stachelbrett transportiert wird und schnell gerettet werden muss. Doch meistens sind es Aufgaben der primitiven Sorte: Mein Hund hat die falsche Farbe! Bringe Gegenstand X zu Gegenstand Y! Ich habe diesen Beruf - zaubere mein Werkzeug! Besiege den Gegner! Beschaff mir dies und jenes! Lösche das Feuer! Zwar wird man durch Ruf-Punkte-Abzug bestraft, sobald man ein Wort am selben Ort zweimal tippt, doch in der Praxis wird das Grinding kaum davon beeinträchtigt und man wird mit der Zeit denkfaul. Wer wiederholt "fliegend", "riesig", "winzig", "tragbar", "schlafend", "gläsern", "unbeweglich" und "kaputt" tippen kann, hat schon das nötige Rüstzeug, um fast jedes Problem zu meistern. Adjektive sind einfach die mächtigeren Wörter.

Maxwell reitet die Justice League durch Arkham Asylum. Warum? Weil es Spaß macht!

Kniffelig wird die Sache höchstens, sobald Mister Mxyzptlk auftaucht. Der omnipotente Gnom aus der fünften Dimension stellt euch vor besondere Herausforderungen. Dann dürft ihr zum Beispiel nur Schurken beschwören, keine Adjektive verwenden oder nur Wörter mit einem bestimmten Anfangsbuchstaben tippen. Zur Belohnung gibt es die doppelten Ruf-Punkte. Leider werten diese Einlagen die langweilige Fließband-Rätselei nicht lange genug auf, um über den Mangel an gut geschriebenen Abenteuern hinweg zu sehen.

DC-Figuren verweigern gelegentlich den Dienst, weshalb nur der Griff zum Schreibblock bleibt.

Ärgerlich auch, wenn sich ein Gegenstand völlig abwegig verhält ("Sollte Metallo nicht an meinem Magneten hängen bleiben?") oder man mit expliziten Eigenschaftsworten nachhelfen muss. Sogar die DC-Figuren verweigern gelegentlich den Dienst, weshalb nur der Griff zum Schreibblock bleibt. Ein Held rennt lethargisch in der Gegend herum, obwohl euch Superschurken attackieren? Verpasst ihm das Label "verbündet" und er eilt zu Hilfe. Ein Bösewicht will nicht böse sein? "Wütend" macht ihn zur Killermaschine. Hier bügelt ihr quasi aus, was die Programmierer verbockt haben. Ein weiteres Unding ist, dass viele Gegenstände des DC-Universums mal mit englischen, mal mit deutschen Begriffen beschworen werden. Motorrad funktioniert zum Beispiel, aber soll's der heiße Stuhl des "Main Man" Lobo sein, muss man "Lobo's Cycle" tippen.

Wer mehr aus seinem Spiel holen will, kann (auf PC und später Wii U) den Heldendesigner bei Alfred in der Bathöhle benutzen. Dort darf man nicht nur die diversen Figuren manipulieren, sondern auch eigene Varianten jedes beliebigen Gegenstands erschaffen. Auch hier sind die Resultate für manche Überraschung gut: Ich bastle eine Pistole, wähle als Geschoss "Kuh" und rufe sie anschließend mit "Kuhpistole". Als mein erstes abgefeuertes Rind gegen eine Wand kracht, bleibt ein Klumpen "Rinderhack" liegen. Kein Witz. Bitte verpetzt mich nicht beim Tierschutzverein!

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Scribblenauts Unmasked ist ein Titel, der weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Wenn man nur die Story-Missionen und Zufalls-Rätsel betrachtet, bleibt kaum genug Spielspaß für einen Nachmittag. Wer die Vorgänger kennt und Graphic Novels sowieso verschmäht, wird dem Ganzen nichts Neues abgewinnen können. Zu beliebig und simpel gestrickt sind die Aufgaben, zu eintönig das Punkte-Grinding, zu mächtig manche Wortkombinationen. Die scheinbar unendlichen Möglichkeiten entpuppen sich schnell als zu oberflächlich umgesetzt und die Logik der Programmierer muss häufiger mit Adjektiven in gewünschte Bahnen gelenkt werden.

Wenn ihr freilich im DC-Universum zu Hause seid, ist der Fall ein wenig anders gelagert. Die Damen und Herren bei 5th Cell outen sich als wahre Kenner der Materie. Es gibt unglaublich viel zu entdecken und noch mehr auszuprobieren. Die schiere Fülle an Figuren und Comic-Fakten verführt zu haarsträubenden Experimenten und macht jede Menge Spaß. Leider hat man sich aber auch schnell wieder sattgesehen. Auf Dauer wird es müßig, immer neue Helden und Schurken aufeinander zu hetzen oder in ungewöhnliche Situationen zu bringen. Da hilft auch der integrierte Editor nur bedingt. Ein singender Darkseid auf einem Blei-Fahrrad in Atlantis, Papier-Hal-Jordan gegen Scheren-Sinestro oder der Amoklauf eines mit Gummihuhn bewaffneten Riesen-Robins auf Themiscyra sind für ein kurzes Kichern gut - ob sich jedoch dafür die Investition von 30 bis 60 Euro (je nach Plattform) lohnt, möchte ich bezweifeln. Mein Geek-Herz hat der Titel im Sturm erobert. Doch für mein Tester-Hirn steckt einfach viel zu wenig Langzeitspaß in Scribblenauts Unmasked.

7 / 10

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