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Second Screen Experience in Spielen - Darf ich schon mal den Abgesang anstimmen?

Ich hab halt nur zwei Augen und es sind nicht die eines Chamäleons.

Etwas, von dem auf dieser E3 erstaunlich wenig zu hören war und was mich schon im Vorfeld beim Besuch in den Räumen von Lionhead erstaunte, war, dass kaum jemand über Second Screen redete. Wem das nichts sagt: Keine Sorge, ihr seid nicht die Einzigen. Es ist die Einbindung eines Tablets oder Smartphones mittels App in das Spiel, um Dinge wie Karten oder das Inventar zu zeigen und zu verwalten.

Wäre es nicht super, wenn ich in der Realität einfach Pause drücken könnte, um in Ruhe und Sicherheit vor schweren Unfällen mein Navi programmieren zu können? Nun, ratet doch mal, was in einem Spiel möglich ist...

Selbst bei Spielen wie Fable Legends, in denen es absolut Sinn hätte - und wohl auch trotz aller Verschwiegenheit kommen wird -, begegnete man dem Thema mit zusammengepressten Lippen. War SmartGlass bei Microsoft oder die „Second Screen Experience" bei Firmen wie Ubisoft letztes Jahr eine ganz große Sache, hielt man dieses Mal auf der Bühne der E3-Show den Deckel drauf. Auch an den Ständen war es eher ein Randthema, dem man sich mit der Art von Vorsicht näherte, die normalerweise für Grizzlymütter in Begleitung von Kleinbären reserviert ist. Vor allem eben im Vergleich zum letzten Jahr, wo man mich notfalls wohl mit Gewalt festgehalten hätte, um mich dazu zu bringen, Assassin's Creed 4 mit iPad-Unterstützung wahrzunehmen.

Im Grunde leben wir ja auch schon in Jahr eins bis zwei oder drei (Wii U) nach der Einführung dieser Dinge und der große Einschlag blieb bisher aus. Kein Spiel hat sich getraut, eine App als essenzielles Feature einzubinden. Nicht mal Watch Dogs - das zumindest einen wirklich netten optionalen Multiplayer-Modus mit einem solchen Gimmick einband - zwang den Spieler, das Pad aus der Hand zu legen. Assassin's Creed integriert ein Minigame, das man angucken kann, wenn man fern des großen Spieles ein wenig Ingame-Währung scheffeln will. Nebenbei die Karte offen zu haben ist auch ganz nett. Echte Hingabe zu einer neuen Technik ist aber was anderes.

Dinge, die ich im Spiel außerhalb des Pause-Screens nicht wissen muss - und teilweise nicht mal dann.

Ich bin so erleichtert. Ich sah mich schon eine Art Notenständer für das eine Pad holen, Google Glass als Notwendigkeit für Assassin's Creed Unity ordern und mein Handy in Jason-Jones-Manier mit einem Schweißband vor das Gesicht schnallen. Nur um alle Anzeigen, Optionen und notwendigen Minikarten im Blick zu haben. Am besten liest man noch mal ein wenig Adams, um zu gucken, wo Zaphod den dritten Arm her hatte. Schaden kann er bei diesem Setup sicher nicht. Wenn wir schon dabei sind, ein zweiter Kopf wäre auch nicht verkehrt.

Dieser ganze Kram soll einer zusätzlichen "Immersion" dienen. Nur leider geht dies geht völlig am Wort Immersion vorbei. Ich habe zwei Augen, zwei Hände, zwei Beine und ein Gehirn. Diese Dinge sorgen für das, was ich eine solide Immersion in die reale Welt nennen würde. Und die beste Immersion, die ein Spiel bieten kann, ist mich glauben zu lassen, in einer Welt zu stehen. Sei es nun diese, ein ferner Planet oder das Mittelalter. Vor allem aber nicht mein Wohnzimmer und weitere Technik-Gadgets, die sich ins Blickfeld mogeln. Es ist ein Bruch mit dem ungestörten Erleben der Dinge auf dem Bildschirm.

Auf der Wii U hat es Ubisoft sogar einmal geschafft, es richtig zu machen, und zwar mit Zombi U. Ihr müsst auf dem zweiten Screen das Inventar sortieren, während sich die Zombies nähern. Nur: Selbst das ließe sich mit etwas Geschick und gutem Willen auch in einem normalen Interface umsetzen. In den Rucksack nach unten zu gucken, das tue ich auch mit beiden Augen, und wenn sich das Inventar auf dem Screen öffnet und die heranrückenden Zombies außerhalb des Fokus anschleichen, wäre der Effekt nicht viel anders. Außerdem darf auch nicht vergessen werden: Bei der Wii U hat man den Screen immer in der Hand, selbst wenn man den Controller fest im Griff hat.

Für die TV-Serie? Gern. Für das Spiel? Bloß nicht!

Und was ist eigentlich mit der Virtual Reality, die langsam sehr greifbar wird? Sollten Oculus und Co. den Massenmarkt erobern - was ich auch noch nicht sehe -, dann hat es sich eh mit SmartGlass und anderen Apps. Wer will schon den Helm absetzen, um im Inventar herumzuwühlen?

Da die Firmen sicher Statistiken über die Nutzung der Apps führen, kann ihre Zurückhaltung, über das Thema zu reden, wohl auch am bisherigen Erfolg liegen. Vielleicht nutzt wirklich kaum jemand das, was bisher geboten wurde. Die Technik hat teilweise ihren Sinn: So ist es schon nett, Zusatzinformationen zu einem Film, den ich über Xbox Movies gucke, auf dem Tablet zu finden. Aber wenn man es weiterdenkt, ist es auch bis zu IMDB kein weiter Weg mit dem gleichen Gerät und die Informationsfülle dort ungleich höher. Trotzdem, es wird sicher in Zukunft jede Menge sinnvolle Anwendungen, Entertainment-Einbindungen und Ergänzungen über diese Technologie geben.

Für Spiele jedoch scheint sich das vor zwei Jahren noch ach so große, Benutzerführung und Komfort umwälzende Thema erst einmal weitgehend erledigt zu haben. Ich werde mich nicht beschweren und die Planung für eine integrierte Multiscreen-Umgebung zu den Akten legen. Sprich, ich brauche mir kein Tablett für das Tablet zu kaufen, damit ich alle Geräte auf der Couch im Griff und im Blick habe.

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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