Secret Invasion Folge 1 ist noch nicht das Marvel-Comeback, auf das ich gewartet habe...
... könnte es aber werden.
SCHWERE SPOILER zu Folge 1 von Marvel’s Secret Invasion
Ach Mensch, am Ende geht’s dann doch wieder darum, das Ende der Welt, wie wir sie kennen, abzuwenden. Zumindest sieht es nach Folge eins der neuen Marvel Serie Secret Invasion stark danach aus. Auch rennt Marvel, so fürchte ich, mal wieder sehenden Auges auf das Problem aus Falcon and the Winter Soldier zu.
Ihr erinnert euch an die Flagsmasher? Die hatten eine grundsätzlich zutiefst nachvollziehbare Motivation, prangerten wirkliche Missstände an, setzten ihre Ziele dann aber mit Mitteln durch, die dafür sorgten, dass wir sie um die Ecke brachten. Nur, um uns am Ende mit einem minimal oder nur oberflächlich verbesserten Status Quo zufriedenzugeben. Wie das eben so enervierend oft in US-Unterhaltungsmedien endet. Am Ende hält ein Held sturen Politikern eine platt moralisierende Standpauke und muss sich dann nicht tiefergehend mit dem echten Problem auseinandersetzen. Ich hoffe, uns bleibt das diesmal erspart – auch wenn ich wette, dass Samuel L. Jacksons Nick Fury eine verdammt gute Standpauke halten kann.
Mal schauen, was da noch kommt. Auf der positiven Seite muss ich sagen, dass ich tonal voll dabei bin, denn als jemand, deren liebster MCU-Beitrag der zweite Captain-America-Film ist, fühlte mich hier sehr zuhause. Die 50 Minuten der ersten Folge unterhielten mich sehr gut und diverse Ansätze und Facetten dieses Stücks Sci-Fi-Agentenserie gefielen mir sehr.
Da wäre vor allem der Cast und was Marvel mit ihm macht: Samuel L. Jacksons vom Fingerschnippen Thanos’ gebrochenener Superagent ist eine interessante Variable, die am bisherigen Allianzengefüge, so es denn noch vorhanden ist, ordentlich rütteln dürfte. Cobie Smulders’ post Avengers etwas verloren in Russland dahin spionerende Maria Hill spiegelt ziemlich gut meine persönliche Orientierungslosigkeit nach dem in Summe zuletzt schalen MCU-Output und wann immer Ben Mendelsohn (“Rogue One”, “Bloodline”) irgendwo mitspielt, ist eine gewisse Qualität ohnehin gesichert. Als geschasster Skrull-Anführer Talos gibt er eine passend verzweifelte Figur ab, während sich Teile seines immer noch heimatlosen Volkes dem Terrorismus zuwenden.
Und dann ist da noch Oscar-Preisträgerin Olivia Colman (“The Favorite”, “Broadchurch”), die mit diebischer Freude ein knallhartes, aber finster-humorvolles englische Fury-Gegenstück spielt. Wie gesagt: Der Cast ist spitze, der Ansatz, dass empfindliche Positionen in der Welt durch die formwandelnden Skrulls besetzt sind, ein mir sehr pässliches Reboot des Hydra-Plots. Und der neue Anführer der Außerirdischen – Gravik, bislang noch etwas einsilbig, aber dafür geheimnisvoll genug gespielt von Kingsley Ben-Adir – scheint eine spannende Bindung zu Fury zu haben. Jetzt ist die Frage, was Marvel daraus macht?
Was mir entschieden nicht gefällt, ist die Botschaft, die man aus dem Plot noch herauslesen kann. Dass Flüchtlinge die unwissenden Gastgeber unterwandern und heimlich ihren Untergang planen, ist sicher nicht die Message, die man bei Marvel senden wollte, aber es schrammt schon nah daran vorbei. Ich hoffe, die Serie demonstriert in den kommenden Folgen ein wenig Bewusstsein dafür. Überhaupt scheinen Allianzen hier mal wieder recht flüchtig und zugleich sehr den Extremen zugetan. Nachdem und Fury und Captain Marvel in den 90ern gewissermaßen den Fortbestand der Spezies gesichert hatten, planen nun mehrere Hundert der gegen Radioaktivität unempfindlichen Skrulls, einen Atomkrieg zwischen den USA und Russland auszulösen: Das Ziel: Sich anschließend frei und ohne Tarnung den Globus zu eigen machen zu können.
Auf der anderen Seite steht G’iah (“Khaleesi” Emilia Clarke), Talos’ radikalisierte Tochter, die sich offenbar nicht entscheiden kann, ob sie die Menschheit auslöschen oder sie retten soll. Ein wenig seltsam bisher, aber der Charakter hat das Potenzial, einen interessanten Verlauf zu nehmen. Der übergeordnete Plot mit der atomaren Apokalypse ist zugegebenermaßen ein bisschen platt, die durch die Skrulls erzeugte Unruhe auf der Welt bettet sich aber auf unbequeme Art in das aktuelle Klima der echten Weltgemeinschaft ein und trifft damit durchaus einen Nerv bei mir. Wirkungsvoll, wenngleich das alles leichter zu genießen war, als solche Geschichten nur die Popkultur-Aufarbeitung des Kalten Krieges waren.
Wiederum: Was das Ganze für mich erst mal auf die gute Seite holt, das sind die Anzeichen dafür, dass es hier sehr viel persönlicher zugeht. Fury ist sichtlich nicht mehr derselbe, geht schon mit Schuldgefühlen in die Mission, bevor Hill ihn auf seine Defizite aufmerksam macht. Dass ausgerechnet sie das wider besseren Willens in ihn gesetzte Vertrauen mit dem Leben bezahlt, dürfte eine interessante Reaktion bei Fury auslösen. Schauen wir mal, was passiert, das könnte gut werden - und wenn nicht, bin ich mittlerweile abgebrüht genug, um darüber keine schlaflosen Nächte mehr zu bekommen.