Seehofer will die "Gamer-Szene" nach dem Anschlag in Halle beobachten und erntet scharfe Kritik
"Rechtsextremismus ist das Problem", sagt der Deutsche Kulturrat.
Nach dem Attentat von Halle bestand eine der Forderungen von Innenminister Horst Seehofer darin, "die Gamer-Szene stärker in den Blick" zu nehmen.
Das alles vor dem Hintergrund, dass der Täter den Anschlag live über Twitch im Internet streamte, ebenso habe er Formulierungen aus der Gaming-Szene verwendet.
Für seine Äußerungen wurde Seehofer von vielen Seiten scharf kritisiert und erntete Spott und Hohn.
Auch der Deutsche Kulturrat äußert Kritik an den Kommentaren des Innenministers und betont: "Nicht Games, sondern der Rechtsextremismus ist das Problem."
Der Kulturrat als Spitzenverband des Bundeskulturverbände verurteilt, dass Computerspiele und deren Spieler somit unter Generalverdacht gestellt werden.
"Der Anschlag in Halle ist furchtbar und zeigt einmal mehr das Problem des Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland", heißt es. "Die Tat ist durch nichts zu entschuldigen. Als Reaktion auf diesen Anschlag nun besonders die Gaming-Szene in den Blick zu nehmen, wie von Bundesinnenminister Seehofer gefordert, verstellt aber die Sicht auf das wirkliche Problem."
Zum "großen Leidwesen" des Kulturrates benutze der Rechtsextremismus unter anderem Kunst und Kultur zur Verbreitung seiner Inhalte, darunter eine eigene rechte Musikszene mit Festivals und eigenen Medien.
"Unter den Indizierungsgründen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien liegt NS-Gedankengut nach Pornografie an zweiter Stelle", gibt der Kulturrat an. "Zum 30.08.2019 teilte die Bundesprüfstelle mit, dass 1.805 Filme, 1.799 Tonträger, 520 Spiele (Computer- und Videospiele) und 419 Printmedien indiziert wurden. Es würde sicherlich kaum einer auf die Idee kommen, nun besonders die Film- oder Musikbranche unter Generalverdacht zu stellen."
"Es ist dringend erforderlich, den Rechtsextremismus endlich energisch zu bekämpfen", sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. "Es kann nicht sein, dass Jüdinnen und Juden nur dann sicher ihre Gottesdienste abhalten können, wenn Synagogen polizeilich bewacht werden. [...] Absurd ist allerdings, nun als erstes die Gaming-Szene unter Generalverdacht zu stellen. Games können leider ebenso wie andere Kunstformen dazu genutzt werden, menschenverachtendes Gedankengut zu verbreiten. Hieraus eine besondere Gefährdung vor allem durch Games abzuleiten, verkennt die wahren Gefahren. Nicht Games, sondern der Rechtsextremismus ist das Problem."
Ähnlich sieht es der Branchenverband GAME: "Die Games-Community unter einen Generalverdacht zu stellen, zeugt vor allem von Unkenntnis und Hilflosigkeit und lenkt von den wirklichen gesellschaftlichen und politischen Ursachen für solche Taten ab", betont GAME-Geschäftsführer Felix Falk.
"So wenig wie man Filme oder Bücher für Hass und Gewalt verantwortlich machen kann, so wenig sind Games und ihre Community hierfür die Ursache", fügt er hinzu. "Stattdessen haben wir in Deutschland ein beängstigendes Problem mit Rechtsextremismus. Der Bundesinnenminister sollte nicht hilflos einem Medium und dessen Community die Schuld geben, sondern aktiv die gesellschaftlichen Probleme der Radikalisierung und zunehmenden Fremdenfeindlichkeit angehen, die zu solchen furchtbaren Taten wie in Halle führen."
Quelle: Deutscher Kulturrat, Tagesschau, GAME