SEGA Vintage Collections - Test
Die Gerüchte über SEGAs Tod sind stark übertrieben. Aber so richtig üppig sieht das hier auch nicht aus.
SEGA Vintage Collections
Vier Sammlungen sollen den Retro-Sommer 2012 zum SEGA-Sommer machen und ich bin ehrlich gesagt nicht so glücklich über die Auswahl. Dazu später aber im Einzelnen, erst einmal das, was die Collections verbindet.
In erster Linie wäre das die sehr, sehr konservative Aufbereitung. Ein zugegebenermaßen liebevolles Menü präsentiert jedes der drei Games, dazu gibt es Online-Score-Listen für die Solo-Titel und Offline-Modi für alles, was man zu zweit spielen kann. Warum sich bis heute Golden Axe nicht Online zu dritt spielen lässt, wer weiß. Auch blieb uns die seit jeher verhasste 50Hz-Umsetzung erhalten, egal ob euer Fernseher inzwischen auf 500 Hz kommt. Gespeichert werden darf immer und jederzeit - was sind wir doch heut verweichlicht ... und wie schnell hätten wir damals einen Arm und ein Bein für dieses Feature gegeben - über das stets erreichbare Menü.
Was fehlt ist jegliches Zusatzmaterial, das ein wenig über die Historie und den Kontext der Spiele informiert. Klar, es gibt Wikipedia, trotzdem hätte ich mich gern durch ein paar Fotos aus japanischen 80s- oder 90s-Entwicklerstudios oder Spielhallen geklickt.
Das größte Problem dürfte sein, dass bei gleich zwei der Serien selbst harte SEGA-Fans die Hände über dem Kopf zusammenschlagen werden und "Nicht schon wieder!" schreien. Erneut fehlen spannende - wenn auch nicht immer gute - Remakes aus der PS2-AGES-Zeit oder wirklich skurrile Titel, die man eben noch nicht auf x anderen Collections zu Gesicht bekam. Nur eine Ausnahme dieser Regel findet sich auf vier Sammlungen und das ist dünn.
Das Zweite ist die mal wieder nicht nachvollziehbare Verteilung über die Plattformen hinweg. Auf der Virtual Console erscheinen sie erst gar nicht, weil man dort scheinbar nichts von Rabatten, Sammlungen oder ähnlichem Entgegenkommen dem Kunden gegenüber hält. Auf der PS3 erscheinen erst mal nur zwei der Sammlungen (Monster World und Alex Kidd) und dann auch nicht im Sparpaket "3 für 10" Euro, sondern "1 für 5" Euro. Nun, zumindest macht das den gezielten Kauf einfacher.
Golden Axe 1 - 3
Es gibt sie einzeln. Es gibt sie im Dreier auf der Ultimate Collection. Es gibt sie auf Virtual Console, auf jeder Sammlung, die ihr im Super-Markt mit einem Pseudo-Plastik-Mega-Drive mal kaufen konntet. Und meine ganz ehrliche Meinung ist: So gut waren die Dinger eigentlich noch nie. Der Erste, für seine Zeit, sicher. Als Kind mit einem Freund mit einem Zwerg und zwei halbnackten Barbaren - zu pubertärer Großfreude einer davon weiblich - Orks und Schergen niederzuknüppeln und den schlecht digitalisierten, inzwischen schon fast kultigen Todesschrei zu hören, war absolut super.
Aber das war Anfang der 90er und selbst in den Folgejahren hat man eigentlich nie über diese Games als große Wegbereiter oder das Beste ihrer Art gesprochen. Massen-Prügler. Spätestens das dritte Golden Axe war dann eh nur noch Ramsch mit schlechter Grafik und ohne Gefühl, ein Spiel, das nicht mal damals jemand brauchte.
Ok, aller Frust beiseite, es mit einem Freund zu spielen, macht immer noch Spaß. Mal wieder ... Trotzdem und weil der Zweite eigentlich der Erste in leicht hübscher, aber nicht ganz so charmant, und den Dritten keiner braucht: Kauft euch Golden Axe 1 so, wenn ihr es noch nie gespielt habt, gibt es ebenfalls auf XBLA, kostet nicht mal die Hälfte und bekommt einzelnen 7 Punkte.
Streets of Rage 1-3
Es gibt sie Einzelnen. Es gibt sie im Dreier auf der Ultimate Collection. Es gibt sie auf Virtual Console, Auf jeder Sammlung, die ihr im Supermarkt mit einem Pseudo-Plastik-Mega-Drive mal kaufen konntet. Und meine ganz ehrliche Meinung ist: Mann, sind diese Spiele immer noch cool.
Man merkt die wenigen Jahre zwischen Golden Axe und Streets of Rage, man merkt, dass sie mit viel Aufwand ganz speziell auf ihre damalige Hardware abgestimmt wurden, dass sie alle Schwächen des Mega Drive halbwegs elegant umschiffen. Alle drei Von-links-nach-rechts-Massenprügler haben ihren eigenen Stil, der sich in zwei Schritten von fast ernsthafter 80s-Straßengewalt-Oper hin zu schrägem Slapstick entwickelt. Diese Entwicklung und vor allem die durchgehend gute Spielbarkeit und der sehr anständige Umfang echtfertigen den Kauf im Sammelpack durchaus, sofern ihr es als Retro-Fan bis jetzt geschafft habt, diesen Spielen zu entgehen. Prügeln ohne Ende, Neonlicht und ein spielbares Schläger-Känguru.
Alex Kidd & Co. Collection
Wer noch Zweifel hatte, dass das hier das Resteauskehren sein dürfte, findet in diesem Paket drei Spiele, deren gemeinsame Vergangenheit jenseits des SEGA-Logos nur sehr schwer erkennbar ist.
Super Hang-On stammt von Yu Suzuki, was es automatisch zu einem Kultspiel macht und es ist eine Umsetzung des Arcade-Automaten, dessen größte Besonderheit es war, dass man sich dazu auf ein (fast) echtes Motorrad setzen durfte. Was die Umsetzung hier belanglos macht. Ein belangloses Kultspiel, wenn ihr so wollt. Die Pixel-Zoom-Optik war in den 80ern der Kracher und wirkt stilistisch heute gar nicht mal schlecht. Passt gut in den üblichen Retro-Avantgarde-Wahn. Spielen tut es sich ordentlich, wenn auch etwas simpel und ... das ist auch. Ohne das Motorrad dran und einem großen Keller zum Hinstellen dazu verliert Super Hang-On schwer an Reiz.
Alex Kidd in Miracle World ... Warum ein Master-System-Titel? Warum dieser? Weil er damals in die Konsole mit eingelötet war? Weil es seinerzeit (1986) ein gepriesenes Jump'n'Run mit einem eigenen Stil, Tempo und ein paar Action-Adventure-Elementen war? Muss es wohl sein. Trotzdem eine seltsame Wahl, da wahrscheinlich niemand unter 20 je von Alex Kidd hörte und es so viele über 30 dann damals auch nicht hatten. Ein nettes Spiel in 8-Bit-Bunt, aber brauchen tut man es nicht wirklich.
Es gab nur wenige Spiele, die früh, in diesem Falle 1989, das Mega Drive ausreizten, aber Revenge of Shinobi war ein Augenöffner für die NES- und Master-System-geschädigten Augen. Liebreizende Landschaften, riesige Sprites und im Gegensatz zu dem Altered-Beast-Unfall exzellente Spielbarkeit. Die Steuerung reagiert prompt und gefühlvoll, euer Ninja springt und kämpft akkurat auf jeden Knopfdruck, und auch wenn das Ding ganz schön hart ist, insbesondere der letzte Boss, den ich persönlich noch nie besiegt habe, ist der Weg hin zu ihm allein die Zeit wert. Definitiv das Highlight dieses Bundles, auch wenn ich sehr zwiegespalten bin, ob das den Kauf rechtfertigt.
Monster World Collection
Die Serie ist umfangreicher, als diese Drei hier, aber wen interessiert der Rest, wenn es nun endlich, nach all den Jahren, eine ehrliche Möglichkeit - weit weg von PC-Emulatoren - gibt, Monster World IV zu spielen. Warum die Japaner damals dem Westen dieses kleine, heute noch erstaunlich gut spielbare Action-Adventure vorenthalten haben, ist ihr Geheimnis, aber dieses eine Spiel allein rechtfertigt den letzten Dreier-Pack. Monster World IV ist zwar nicht sonderlich schwer, aber hübsch, groß, bevölkert von witzigen Monstern und sogar NPCs und sorgt für gute Retro-Laune an aktuell mal wieder regnerischen Wochenenden.
Das Gleiche, wenn auch mit ganz leichten Abstrichen gilt auch für Wonder Boy in Monster World - Eigentlich Wonder Boy V: Monster World III, ist kompliziert ... -, in dem der namensgebende Held seinen letzten Auftritt feiert. Metzeln und Rätseln, wie auch Monster World IV eine Art kleines Zelda in Seitenansicht. Nur dann doch nicht ganz so gut. Die Arcade-Umsetzung Wonder Boy in Monster Land schließlich, das älteste der drei Spiele, leidet unter eben diesem Arcade. Der Hüpf-Fokus liegt deutlich höher, aber das ist nicht das Problem. Ein solches Spiel braucht nur in einer Münz-basierten Umgebung wie der Spielhalle ein Zeitlimit und eben dieses ruiniert hier einen guten Teil des Spielspaßes. Historisch interessant, fällt es gegenüber den anderen beiden aber deutlich ab.
Monster World ist das Highlight der Vintage Collection und das einzige Paket, das ich euch fast uneingeschränkt ans Herz lege (den PS3-lern zumindest Monster World IV und seinen Vorgänger). Es war überraschend, wie viele Stunden man vor diesen Games hängen bleiben kann, obwohl es ja nur ein "kurz mal reingucken" werden sollte. Alte Action-Adventures bleiben meist ziemlich jung, das muss man ihnen lassen.