Sengoku
Männer! Ninjas!! Sensationen!!!
Ähnlich fordernd verhält es sich mit den anspruchsvolleren Spielmechaniken, etwa den Verschwörungen. Die ermöglichen euch, ein kurzfristiges Ziel zu setzen, zum Beispiel den benachbarten Clan anzugreifen. Einmal gestartet, kann man jetzt versuchen, andere Anführer aus der Nachbarslandschaft zu überzeugen mitzumachen, sodass man nicht komplett alleine dasteht, wenn das Ding startet. Oder, wie es mir passierte, man einfach selber angegriffen wird, als die eigenen Armeen gerade in die Feindesprovinz eingelaufen sind. Sehr unglücklich. Leider kommt hier kein dezenter Hinweis, dass man sich Partner suchen soll, die eben eine niedrige Loyalität zu ihrem Lehnsherren haben. Es steht einfach nur da: Er wird nicht akzeptieren.
Dank der Menüs und der sehr knappen Hilfe kommt man immer wieder in Situationen, in denen man genau weiß, was man jetzt gerne machen würde, es aber einfach nicht geht. Oder zumindest nicht so, wie man es gerne hätte. Man findet die richtige Person nicht, eine Option im Menü bleibt für immer ausgegraut, jemand will und will einfach nicht in unseren Clan eintreten, obwohl wir seit Jahren Geschenke an seinen Hof schicken.
Natürlich kann ein hochkomplexes Strategiespiel nicht zugänglich für jedermann sein, aber hier ist noch viel Platz nach oben. Eine Lernkurve ist in Ordnung, Lernklippen eher nicht. Denn hat man sich erstmal durch die ersten Stunden gekämpft, eröffnet sich ein Spiel mit großem Suchtpotential. Wie bei allen schwer lösbaren Dingen im Leben ist die Befriedigung des Erfolges umso größer, wenn sich der Nebel endlich gelichtet hat. Und das bringt uns zum zweiten Teil des Tests. Strategie und Intrige bis zum rituellen Selbstmord.
Ein typisches Jahr in Sengoku verläuft so: Es gelang doch noch, die Tochter des verfeindeten Herrschers mit Ninja-Hilfe zu fangen und plötzlich verschiebt sich das zerbrechliche Machtgefüge nach langem Krieg wieder zu unseren Gunsten. Parallel werden wir von der KI eingeladen, gegen unsere Feinde zu intrigieren - aber wir machen nur mit, um sie in eine Schlacht zu verwickeln, damit ihre eigenen Truppen geschwächt werden. Zeitgleich schicken wir unseren Berater in eine feindliche Provinz, um dort die Beziehung zum Lehnsherr zu schwächen. Nachdem wir erfolgreich waren, laden wir den enttäuschten jungen Mann dann ganz freundlich in unseren Clan ein. Und unserer Verein wächst und wächst.
Neben feindlichen Truppenbewegungen an der Grenze und wegsterbenden Verwandten haben wir dabei immer im Blick, wer uns mag und wer nicht. Sollten wir dem unglücklichen Onkel noch mehr Land geben, damit er sich nicht gegen uns wendet, oder zwingen wir ihn zum Selbstmord? Hat unser Sohn genug Ehre oder sollten wir ihm nicht schon früh eigenes Land geben, sodass er sofort in einer guten Position ist, wenn er an die Macht kommt, und seine Vasallen nicht einen eigenen, neuen Clan starten. Denn das würde die mühselige Arbeit seines Vaters mit einer Entscheidung zunichtemachen.
Das sehr simple Ziel, 50 Prozent von Japan zu kontrollieren, bietet unendlich viele Wege zum Ziel. Dadurch hat Sengoku fast etwas von einem Sandbox-Spiel, in dem alles erlaubt ist und auch unorthodoxe Taktiken durchaus zum Erfolg führen können. Und gleichzeitig nützt eben kein militärischer Erfolg was, wenn man nicht rechtzeitig den richtigen Thronfolger zeugt. Womit wir wieder bei meiner dringenden Brautschau wären. Sie kann auch ruhig eine Buckel haben, ist mir jetzt auch egal...
Die Faszination von Sengoku wächst aus der Komplexität. Insbesondere weil es fast an Arbeit grenzt, einmal die Grundlagen zu verstehen, ist das Erobern der Provinzen und das langsame Ausbreiten der grün gefärbten Landstücke umso befriedigender. Natürlich fordert Paradox viel und für die meisten wahrscheinlich zu viel. Wer es aber komplex mag und sich auf das Abenteuer einlassen will, wer kein Problem mit längerer Foren-Lektüre oder eines Samurai-Crash-Kurses mittels YouTube-Videos hat, den erwartet hier eine strategische Spieltiefe, die es nur selten in Computerspielen gibt.
Sengoku ist für den PC erhältlich.