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Senua's Saga - Hellblade 2 im Test: Ein Spiel, das man nicht falsch verstehen sollte

Mehr Erlebnis als Videospiel - und das ist in Ordnung.

Hellblade 2 geht an die Schmerzgrenze und biedert sich niemandem an. Spielerisch limitiert, aber unglaublich intensiv, aufreibend und künstlerisch wie gestalterisch atemberaubend, ist es eigentlich ein Wunder, dass dieses Spiel existiert.

Bevor man über Senua’s Saga: Hellblade 2 spricht, sollte man mit einem Missverständnis aufräumen. Ich habe im Vorfeld den Eindruck bekommen, die Leute erwarten einen Crowd-Pleaser der Marke God of War, der die Xbox ins Rampenlicht der Gaming-Bühne zurückbefördert. Ein Spiel für den Massenmarkt, mit dem jeder etwas anfangen kann. Klar, dass über die Schulter inszenierter Schwertkampf, nordischer Sagenhintergrund und eine filmreife Optik derartige Vergleiche produzieren. Aber wenn man Senua’s Saga ganz für sich genommen betrachtet, sind da im Grunde gar keine Parallelen.

In Hellblades Brust schlägt ein Indie-Herz. Und zwar die Seite von Indie, deren Purismus auf Erleben und Perspektivverschiebung abzielt, statt auf super-präzise Mechanismen in Retro-Verpackung. Ebenso macht Hellblade beinahe trotzig allen Progressionsmechanismen, Machtfantasien und Belohungszyklen eine Absage, die modernes Triple-A-Gaming aktuell so uniform in die Länge zieht. Sein alleiniger Antrieb ist die Vision einer nahtlos inszenierten Reise aus einem Blickwinkel, den man mit purer Empathie nur schwerlich emulieren kann.

Was Hellblade 2 nicht ist

Kurz: Es ist die Sorte “Kunst”-Spiel, über die sich die sonst so elend zerstrittenen Lager von Blockbuster-Fans und Spieldesign-Puristen ausnahmsweise mal einig sind. Lüftet man diese Schubladen zur Abwechslung mal ordentlich durch, muss man Hellblade 2 vor allem eines attestieren: Den Mut, seine Vision für niemanden zu verbiegen. Es ist das vermutlich unkommerziellste große Videospiel seit Jahren: Unbequem, verstörend, zermürbend. Dass so etwas durchgewunken wurde, ist ein kleines Wunder.

Das wäre also die Präambel: Entweder ihr seid in der Lage, Hellblade 2 zu nehmen, wie es ist, und euch auf das Erlebnis einzulassen, oder eben nicht. Dieses Spiel macht nicht den Anschein, als würde es euch krumm nehmen, wenn ihr “nein, danke” sagt. Aber das bisschen Höflichkeit, es nicht als das zu bewerten, was es ist, hat es sich schon verdient: Es ist kein God of War in Xbox-Grün, sondern ein achtstündiges Erzählspiel mit konkurrenzlos filmreifer Grafik für 50 Euro. Also, gehen wir das ganze konstruktiver an. Am besten von vorn…

Nahtlose Fortsetzung

Auch wenn nicht ganz klar ist, wie viel Zeit exakt seit dem ersten Teil verstrichen ist, geht es gefühlt nahtlos weiter. Nachdem Senua im Seriendebüt ihren Frieden mit den Stimmen in ihrem Kopf und dem Verlust ihres Geliebten geschlossen hat, will sie nun sicherstellen, dass niemand anders dasselbe durchmachen muss, wie ihre Leute. Der Sklavenhandel der Nordmänner muss enden. Da sie keine andere Möglichkeit sieht, den Invasoren nahezukommen, lässt sie sich bei einem der nächsten Angriffe gefangennehmen. Auf dem Weg nach Island zerstört jedoch ein Sturm das Schiff der Menschenhändler, was Senua beinahe das Leben kostet, ihr aber auch den ebenso gefährlichen Ausbruchsversuch aus der Sklaverei erspart.

Hellblade 2 Testgalerie

Von da an durchstreift ihr mal feindselige, mal schroff-schöne Landschaften der Vulkaninsel in absolut fotorealistischer Grafik, trefft auf neue Feinde und Verbündete und erfahrt, was wirklich hinter den Angriffen der Wikinger steckt. Dazwischen: Immer wieder Nahkampfduelle mit Nordmännern und Schlimmerem und Umgebungspuzzles. Die Kämpfe sind extrem reduziert, unterschieden allein zwischen leichtem und hartem Schlag, parieren im richtigen Moment und Ausweichen, wenn eine Attacke nicht abwehrbar ist. Nett ist, dass Ausweichen und Blocken auch Angriffsbewegungen abbrechen, sodass sich der Kampf sehr direkt anfühlt.

Gleichzeitig verlaufen die Gefechte auch immer recht ähnlich, und wenn man das Timing fürs Parieren einmal raushat, kommt man auch nicht mehr allzu sehr ins Schwitzen. Es gibt keinerlei Gesundheitsanzeigen, und ich starb so selten, dass ich mir nicht einmal sicher war, ob es in manchen Schlachtenmomenten überhaupt möglich war, das Zeitliche zu segnen. Aber allein der Verzicht auf jegliche Anzeigen, Ausdauer- oder Gesundheitsmanagement zeigt im Grunde schon, dass es auch hier in erster Linie darum ging, euch einfach ganz nah an die dreckigsten und blutigsten Scharmützel heranfahren zu lassen. Schließlich sollt ihr nicht nur kämpfen, sondern auch das komplette schauderhafte Szenenbild erfassen, ob nun ein Sturm tobt, der tosend eure Sinne betäubt, oder ringsum auch andere Menschen um ihr Leben kämpfen.

Nicht schwierig, aber schön: Die Puzzles

Bei den Puzzles manipuliert ihr vornehmlich die Topografie der Umgebung durch Interaktion mit magischen Sphären und bahnt euch so einen Weg durch die Szene. Das ist recht einfach gehalten, optisch spektakulär und mit nur wenig Herumprobieren verbunden. Und natürlich sind auch die Perspektivrätsel wieder mit von der Partie, bei denen ihr aus einem bestimmten Blickwinkel auf unzusammenhängende Umgebungsobjekte schauen müsst, um sie zur gesuchten Rune zusammenzusetzen. Auch sie sind kaum eine Herausforderung, aber mir war es ein Genuss, diese fabelhaft gestaltete Welt, mit den wohl schönsten Steinen im Spielebusiness, aus wirklich jedem Winkel zu untersuchen. Nichts soll dabei stören, Hängenbleiben ist unerwünscht – und in dieser Sorte Spiel ist das in Ordnung. Es ist nicht als Herausforderung angelegt oder daran interessiert, dass man physisch über Widerstände hinauswächst, es ist allein als Erlebnis gedacht.

Wirklich alles an diesem Spiel stellt sich in den Dienst dieses Ziels: Es gibt keinerlei HUD, nicht einmal Tasteneinblendungen. Also, wirklich gar keine. Alles wirkt aus einem Guss und geladen wird auch nicht. Kapitelübergänge nimmt Ninja Theory als Zeitraffer-Kamerafahrten über die Insel vor, die mir regelmäßig die Sprache verschlugen, so filmisch nahmen sie mich mit auf die Reise. Ein perfekter Transport an einen fremden, oft, aber nicht immer feindseligen Ort. Nur, um meiner Wahrnehmung dann wieder und wieder Streiche zu spielen. Einige der Tricks, die Hellblade 2 aus dem Ärmel zauberte, waren so atemberaubend nahtlos und elegant über die Welt gestülpt, dass mir der Mund offenstand. Bei Ninja Theory versteht man es wirklich, Magie und (Ir-)realität so miteinander verschwimmen zu lassen, dass man selbst nicht mehr weiß, ob man noch ganz bei Sinnen ist.

Und auch das ist natürlich Teil des Erlebnisses, denn immerhin erlebt ihr diese Tortur – und eine Tortur ist es oft genug – durch die Augen einer Frau, die zwar entschieden hat, die Stimmen in ihrem Kopf zu akzeptieren, die aber immer noch schwer unter ihnen zu leiden hat. Sie lästern, schimpfen, zweifeln und ängstigen sich unentwegt, haben nur selten ermutigende, optimistische Worte für Senua. Es ist ein nie abreißender innerer Dialog mit sich selbst. Nur dass dieses “Selbst” aus ungezählten Entitäten zu bestehen scheint, die sich von einem Satz auf den nächsten nicht sicher sind, was sie denken oder sagen sollen. Stellenweise fand ich das weder subtil noch besonders elegant. Vor allem, wenn ich wiederholt auf arg Offensichtliches hingewiesen wurde.

Spieldauer, Wiederspielwert und Technik von Hellblade 2

Ich machte erst spät im Spiel meinen Frieden damit, als ich realisierte, dass Ninja Theory einfach nur Senuas Lebensrealität eins zu eins an uns Spielende weitergibt. Nicht schön oder angenehm, aber im Grunde genial: Senua ist im steten Kampf mit sich selbst und wir sollen spüren, was das bedeutet – und es bedeutet eben, dass man sich manchmal gerne den Kopf in einen der Geysire stecken möchte, die es hier auf Island irgendwo geben muss. Nur damit es endlich mal aufhört.

Nun hört Senua’s Saga nach etwa sieben bis acht Stunden von selbst auf, wenn ihr das recht offene, aber doch befriedigende Ende dieser Reise erreicht. Allzu viel Wiederspielwert ist dieser Gattung Game normalerweise nicht in die Wiege gelegt. Aber die versteckten Steingesichter zu finden, hat mir schon im ersten Durchlauf viel Spaß gemacht und es würde mich nicht wundern, wenn sich einige dank der eleganten Kapitelwahl und der Möglichkeit, Filmsequenzen zu überspringen, erneut auf die Suche machten. Auch, dass man nach dem Durchspielen alternative Erzähler freischaltet, die die Handlung aus ihrer Perspektive erhellen, ist ein ziemlich cooles Extra.

Technisch muss man auf Konsole mit 30 FPS leben, hier holt die Realität die dedizierten Spielgeräte in der Mitte ihres Lebenszyklus leider viel zu oft ein. Auf dem Desktop-PC mit RTX 3080 habe ich allerdings wenig Probleme gehabt, das Spiel mit maximierten Einstellungen in 1440p, mit DLSS im Qualitätsmodus auf überwiegend fluffige 60fps zu bringen. Allerdings muss man dann mit “Kinobalken” leben, was viele sicher nicht ideal finden. Wenn ich das Bild auf 3440x1440p in 21:9 Breite ziehe, fallen die Balken weg, aber die Bildrate knickt um ein Viertel weg. Die Optionen geben aber auch hier viele Möglichkeiten, gegenzusteuern. In dieser Sorte Spiel ist der Bildeindruck mit G-Sync und Limitierung irgendwo zwischen 40 und 50 Bildern aber immer noch sehr flüssig. Auf dem Razer Blade 15 Laptop mit RTX 4090 waren in 2560x1600 Bildpunkten sogar noch deutlich mehr drin, aber wiederum mit Balken. Während der gesamten Testzeit erlebte ich keinerlei Abstürze oder sonstige Bugs.

Senua’s Saga: Hellblade 2 – Fazit:

Ich finde Kino-Vergleiche ja selbst meist arg bemüht, seht mir also nach, dass jetzt einer kommt. Aber an diesem Punkt spätestens – wenn nicht schon zu den drölf Gelegenheiten, zu denen ich betonte, wie sehr sich dieses Spiel auf seine Erlebnisseite stützt – sollte klar sein, dass Hellblade zwar nach Blockbuster aussieht, im Grunde aber ein unbequemer, verbissener und nicht an runden, befriedigen Antworten gelegener Indie-Streifen ist. Gleichzeitig setzen die technischen und künstlerischen Schauwerte natürlich Maßstäbe. Die Landschaft ist betörend schön und ich vergaß regelmäßig, dass ich hier keine echten Schauspieler vor mir sah.

Das Spiel jedenfalls beweist viel Fingerfertigkeit darin, seine inszenatorischen Höhepunkte dramatisch passend zu setzen und zieht nach einem langsamen Start trotz des betont unangenehmen Themas schwer in den Bann. Sofern ihr eure Games nicht maximal interaktiv wollt und euch auch mal auf der Welle sensorischer Erfahrungen treiben lassen könnt, verlebt ihr an Senuas Seite ein paar intensive Stunden. Volles Verständnis für jeden, dem das nicht reicht. Ich für meinen Teil bin froh, dass es Spiele wie Hellblade 2 in der heutigen Gaming-Landschaft geben kann.

Senua’s Saga: Hellblade 2
PROCONTRA
  • Unfassbar realitätsnahe Grafik mit beispielloser Detailtreue
  • Intensives Erlebnis-Gaming mit vielen beeindruckenden Momenten
  • Völliger Verzicht auf Bildschirmanzeigen
  • Einzigartig finstere Stimmung
  • Spielerisch schwer limitiert
  • In Ermangelung systemischer Herausforderungen nicht immer wirklich spannend
  • Ständige Furien-Kommentare ermüden bisweilen

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