Shadow of the Beast - Test
Musste es denn das Original-Feeling so dermaßen gut einfangen?
Rosa-Retro-Brille-Martin: "Wow! Shadow of the Beast! Oh yeah!"
Realo-Gamer-Martin: "Uuuurrgh... Shadow of the Beast... Okayyyy..."
Rosa-Brille: "Hey, warum so negativ, das ist Shadow of the Beast! DAS Shadow of the Beast!"
Realo: "Ja, das ist das Problem. Du weißt schon, dass das damals kein gutes Spiel war, oder? Du hast das keine zwei Stunden ausgehalten. Warum jetzt die Ektase?"
Rosa-Bille: "Nein, das ist einer der ganz großen Klassiker, da reden die Leute bis heute drüber! Außerdem hast Du es erst vor ein paar Wochen auf der PC Engine gespielt."
Realo: "Nein, DU hast es gespielt. ICH wollte Lords of Thunder spielen. Außerdem: Die Leute reden nur darüber, weil es der Urvater aller Super-Hypes war. Grandioses Artwork, Mörder-Grafik, ein Soundtrack zum Niederknien. Dass dahinter ein so schräges wie verkorkstes Action-Adventure steckte, das interessierte erst keinen und später noch weniger. Aber deshalb ist es nicht weniger wahr."
Rosa-Brille: "Aber das Design war doch so cool knifflig. Allein schon, dass man zum Start nach links laufen muss und das sagt einem keiner. Ist doch genial."
Realo: "Was habe ich gelacht, als ich das nach einer Stunde Frust merkte, war grandios, genau. Und dann erst die Trial-and-Error-Monsterhorden, die unfähige Kollisionsabfrage, der grausige Angriff des ach so tollen Beasts. Du drehst doch hier nur auf, weil Du auf Roger-Dean-Bilder stehst und das Poster damals an der Wand hattest."
Rosa-Brille: "Weißt Du was, das wird hier nichts. Außerdem sind wir nicht hier, um zu entscheiden, ob das alte Shadow of the Beast ein wahrer Klassiker ist - was es ist! - sondern ob das Remake jetzt was kann."
(Eine Stunde später)
Rosa-Brille: "Ja nun... Hat jetzt nicht weh getan..."
Realo: "Nein, das nicht. Aber sonst..."
Rosa-Brille: "Ich habe eine Idee! Lass uns Shadow Complex spielen, das ist ein Shadow, das wir beide mögen!"
Realo: "Gute Idee, das machen wir."
Wieder vereint in einer Entität muss ich sagen, dass ich bei Shadow of the Beast für die PS4 hin- und hergerissen bin. Es ist ohne Frage der ultimative Fan-Service. Schon allein, weil das Original in einer mittelmäßigen Emulation dabei ist, weil der gesamte alte und neue Sundtrack in DTS an Bord ist, weil man die alte Musik zum neuen Spiel hören kann, weil Original-Artwork-Material in dem Download zu finden ist und vieles, vieles mehr.
Noch wichtiger ist aber, dass es zwar in vielerlei Hinsicht ein neues Spiel ist, aber sich eine ganz große Stärke des Originals bewahren konnte. Das Design war damals so hinreißend, weil es so fremdartig war. Wie ein zum Leben erwachtes Yes-Cover, was kein Zufall ist. Der Künstler war Roger Dean und er lieferte für Psygnosis damals einige seiner besten Halluzinationen ab. Das zog sich dann auch mit den Mitteln der Zeit umgesetzt durch das Spiel und gab dem ganzen einen Stil, bei dem es kein Wunder ist, dass es bis heute bei den Leuten hängen blieb. Und jetzt zu sehen, wie das, was damals nur auf dem Cover umgesetzt werden konnte, im Spiel zum Leben erweckt wird und vor einem den Screen mit satten Farben füllt, ist ein Traum, der wieder einmal zeigt, wie weit die Technik in den Jahren seit dem Original gekommen ist. Wenn das der Grund ist, warum ihr das Original immer noch nicht ganz vergessen konntet und ihr diesen magischen Moment erleben möchtet oder ihr einfach nur auf phantastische Fantasy-Kunst steht, bei der man sich jeden Screen als Bild an die Wand hängen kann... Das allein ist den Preis wert. Was auch immer ich jetzt sonst über das Spiel zu sagen habe, den Moment, in dem die seltsamen Schwebeviecher, die eins zu eins aus den damaligen Artworks den Weg hierherschafften, über die Wipfel eines roten Waldes segelten, ich werde diesen Augenblick nicht vergessen. Und jetzt zum weniger erfreulichen Rest.
Die gute Nachricht ist, dass das eigentliche Spiel nun deutlich besser ist. Sicher, der gnadenlose und frustige Rätsel-Touch hatte seinen Charme, aber das kann heute nur Dark Souls bringen, also ist es nun ein deutlich lineareres Spiel. Ein halbes Dutzend grafisch sehr unterschiedlicher Stages ist nicht viel und ihr könnt es in wenigen Stunden locker bis zum Ende schaffen. Dann habt ihr aber noch längst nicht alles erledigt, denn Shadow of the Beast zählt das Absolvieren der unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade getrennt. Jeder Stage hat zig Dinge zum Freischalten, die die nun deutlich elaborierte Story ausbauen und in optional zwischendurch zu guckenden Sequenzen zeigen. Das Freischalten geht soweit, dass ihr die Untertitel der sechs Sprachen im Spiel erst entschlüsseln müsst, bevor ihr sie lesen könnt. Ich würde es nicht tun. Ich mag den fremdartigen Touch und denke mir lieber meinen Teil. Aber wer hier Zeit verbringen möchte, kann das endlos tun, bevor dann endlich überall die 100 Prozent stehen.
Das Problem ist, dass ich das zu keinem Zeitpunkt wollte. Der Unterschied zu einem Uncharted oder einem Doom ist, dass ich mir dort vornehme, alles freizuschalten. Ich mache es dann nie, aber ich hätte es gern getan. In Shadow erscheint mir das eher wie eine belastende Bürde. Der Grund dafür ist, dass sich das Spiel einfach nicht gut spielt. Es ist ganz gut durchdacht, der Level-Aufbau ist gut, es gibt viele Optionen im Kampf und die Gegner verlangen auch nach unterschiedlichen Taktiken. Alles ist auf Kombos und Punkt-Multiplikatoren ausgelegt und da hat sich wiederum jemand die richtigen Gedanken gemacht. Es macht nur nicht annähernd so viel Spaß, wie es sollte.
Die Animationen sind langsam. Ihr beschleunigt und stoppt zögerlicher als der erste Prince of Persia. Bis ihr euch dreht, hat sich die Szene, in der euch Gegner von vorne und hinten attackieren, schon erledigt. Der Move, mit dem ihr euch heilen könnt, will manchmal einfach nicht starten, als würde sich die Animation schlicht weigern. Das Klettern und Springen fühlt sich auch nach Stunden nicht natürlich an, selbst die paar nett gedachten Rätsel sind am Ende nur schlecht gemacht. Zu Beginn wird das Biest an einer Leine geführt und muss gegen seinen Willen handeln. Der Witz scheint zu sein, dass es eigentlich gar nicht von der Leine befreit wurde. Diese ist nun der Controller und das Biest ist immer noch widerspenstig. Wenn das der Fall ist, dass ist das eine absolute geniale Vierte-Wand-Interaktion. Für eine Minute, danach ist es nur eine träge, bockige Steuerung mit lahmen Animationen.
Es tut mir wirklich leid um das Spiel und vor allem meinen Spielspaß damit, den ich heute fast genauso sehr wie beim Original damals herbeizwingen wollte. Aber wie auch damals klappt es einfach nicht und daran ist sicher nicht das hinreißende, anbetungswürdige Artwork schuld. Stattdessen kämpfe ich mit der zähen Steuerung, stelle mir die ganze Zeit vor, wie es wohl wäre, wenn es sich so schnell und direkt steuern würde wie zum Beispiel ein Shadow Complex und was für ein geniales Spiel dann Shadow of the Beast mit seinen durchtriebenen Leven voller endloser Verstecke wäre. Mit all seinen sonstigen, wundervollen Freischaltbarkeiten und seinem perfekten Fan-Service. So jedoch ist es ein Remake, das genau den Geist des Originals einfangen kann: Ich spiele und habe fast Spaß beim Spielen. Der Rest um das eigentliche Gameplay drum herum ist so gut, dass ich fast soweit bin, das zu glauben. Fast.