Shadow of the Colossus ist eines der besten Remakes aller Zeiten - Digital Foundry
Bluepoints PS4-Arbeit ehrt das Original und liefert gleichzeitig hochmoderne Technologie.
Es gibt einen Grund dafür, warum Team Icos Shadow of the Colossus so viel Liebe und Respekt von der PlayStation-Community erfährt. Von einem technischen Standpunkt aus gesehen trieb es die Hardware der PlayStation 2 mehr ans Limit als jedes andere Spiel zuvor. Gleichzeitig bot es einen besonderen Stil und eine Atmosphäre, die es von allen anderen Spielen abhob. Es war die Art Spiel, die es nur sehr selten gibt - ein Spielerlebnis, das eure Liebe zum Medium Spiele verstärkt.
Einen solch modernen Klassiker für die aktuelle Konsolen-Hardware wiederzubeleben, ist eine potentiell gefährliche Aufgabe und grenzt fast schon an Ketzerei - zumal die ursprünglichen Entwickler nicht daran beteiligt sind. Es brauchte ein Team, das genauso leidenschaftlich und sorgfältig mit dem Spiel umgeht wie die Fans, die es so lieben. Und genau aus diesem Grund verpflichtete Sony die Meister des Remasterns für diese Aufgabe: Bluepoint Games.
Ganz egal, ob es nun um die Original-Uncharted-Trilogie, Gravity Rush, Metal Gear Solid 2 und seine Fortsetzung oder das PS3-Remaster von Shadow of the Colossus geht: Bluepoint hat immer fantastische Remaster von beliebten Klassikern geliefert. Beim Release von Shadow of the Colossus für die PlayStation 4 sehen wir jedoch etwas Neues und Ambitionierteres - ein vollständiges, von Grund auf neues Remake des Originals.
Für die Neuinterpretation des Spiels auf der PlayStation 4 musste sich Bluepoint selbst auf die nächste Stufe heben. Bei den meisten der vorherigen Projekte ging es darum, vorhandene Spiele auf neue Plattformen zu übertragen. Bei manchen davon kamen zwar in verschiedenen Ausmaßen überarbeitete Artworks zum Einsatz, aber bei Shadow of the Colossus erstellte das Team erstmals alles von Grund auf neu. Mit einem neuen, internen Grafik-Team kombiniert Bluepoints Vision von Shadow of the Colossus frische Grafik-Assets mit einer leistungsstarken Engine, um vielleicht eines der schönsten Spiele dieser Generation zu erschafefn.
Das Spielerlebnis wurde mit großer Sorgfalt erneuert. Dieses Gefühl von Größe, das im Original so entscheidend war, wurde beibehalten und erweitert. Die Welt fühlt sich so gewaltig wie immer an, doch die leistungsfähigere Hardware ermöglicht weit mehr Details, die bis weit in die Ferne dargestellt werden. Auf der PlayStation 2 wurde ein aggressives Streaming-System genutzt, um nahtlose Übergänge zu ermöglichen. Damit das klappt, mussten jedoch flache, zweidimensionale Bilder in der Ferne genutzt werden. Dadurch entsteht der Eindruck einer großen Welt, ohne dass ein Rendern der dafür nötigen Geometrie erforderlich wäre. Im Grunde ist es ein extrem aggressives LOD-System, das funktioniert hat. Auf der PS4 werden LODs aber in modernerer Art und Weise eingesetzt. Dinge wie das Blattwerk tauchen manchmal sichtbar auf, aber die Geometrie der Welt ist selbst dann höchst detailliert, wenn man sie sich von der anderen Seite der Map aus anschaut - und in Bewegung sieht es einfach fantastisch aus.
Alles von den reichhaltig detaillierten Wällen des Tals bis hin zur wunderschönen Steinarbeit des zentralen Tempels wurde komplett überarbeitet. Das ist einer der riskantesten Teile des Projekts, denn die Nachbildung der Schauplätze einer solch klassischen Spielerfahrung hätte die Stimmung beeinflussen können, an deren Erschaffung das Entwicklerteam so hart gearbeitet hat.
Sobald man sich jedoch hinsetzt und anfängt zu spielen, fühlt es sich natürlich an - wie eine natürliche Evolution dessen, was sich Uedas Team ursprünglich erdachte. Eine neue Beleuchtungs-Engine verbessert diese Stimmung noch weiter, gleichzeitig versprüht sie ihren eigenen Charme. Es gibt Anpassungen und Veränderungen an der Beleuchtung, die sich durch das ganze Spiel ziehen. Das, was grundsätzlich mit dem Design vermittelt wird und sich im ursprünglichen Artwork zeigt, bleibt jedoch erhalten. Andere Anpassungen fallen mehr auf: In der Welt seht ihr nun wunderschöne Shadow Maps, die den Umgebungen mehr Tiefe verpassen. Außerdem kommt eine reichhaltige, volumetrische Beleuchtungs-Technik zum Einsatz - von den Lichtstrahlen, die die staubigen Tempel berühren, bis hin zu den Sonnenstrahlen, die sich bis zum Boden des Canyons durchkämpfen, fühlt sich die volumetrische Beleuchtung wie eine natürliche Erweiterung dessen an, was die ursprünglichen Entwickler im Sinn hatten.
Jenseits der Beleuchtung wurde den Umgebungen neues Leben eingehaucht. Das Belaubungs-System erlaubt dichte Grasfelder und reich detaillierte Wälder, komplett mit Blättern, die im Wind wehen. Während der Spieler sich durch diese Pflanzen bewegt, bleiben sie zurück, wie sie bewegt wurden. Das Wasser wurde ähnlich gut gehandhabt. Auf der PS2 musste man noch tricksen, um das Wasser glaubwürdig zu zeigen, schließlich gab es noch keine modernen, programmierbaren Shader. Charaktere und Umgebungen sind unter Wasser verschwommen, Mesh-basierte Wellen fügen Tiefe hinzu und die sanft animierte Oberfläche rundet es ab. Auf der PS4 wird ein Wasser-Oberflächen-Shader zusammen mit einer Kombination aus simplen Grundreflexionen und komplexeren Screen-Space-Reflexionen genutzt.
Das letzte Teil des Umgebungspuzzles ist der Himmel. Das Original simulierte ihn über High-Dynamic-Range-Beleuchtung - ein Wunder auf der PS2-Hardware -, aber der markante Look wird über das helle Licht, das wie Strahlen durch Lücken in den Wolken scheint, erreicht. Der starke Bloom-Effekt gibt dem Spiel einen eigenen Look, der typisch für Ueda-Spiele ist.
Für das Remake stellte Bluepoint sicher, dass dieser Effekt rekreiert wird, aber mit einer neuen, realistischeren Wolkenschicht. Licht sticht durch diese Löcher im Himmel, ähnlich dem Original, aber mit dem Unterschied, dass die Wolkenschatten in die Umgebungen fallen und so mehr Tiefe geben. Der gleiche überhelle Schein des Himmels blieb wunderschön erhalten und noch besser, dank modernen HDR-Displays können diese hellen Strahlen schöner schimmern als je zuvor.
Es muss auch angemerkt werden, dass die Texturarbeit im Spiel exzellent ausfiel. Parallax-Occlusion-Mapping wurde mit tatsächlicher Geometrie kombiniert und diese neuen Texturen zeigen die Welt mit feineren Details. Das Großartige daran ist, wie sehr das neue Artwork dem Look and Feel von Team Icos Spiel ähnelt. Die neue Auflösung erinnert dabei natürlich mehr an The Last Guardian als Shadow of the Colossus, aber für diese Welt fühlt es sich richtig an.
Das nächste große Update ist in den Bewegungen zu finden. Die Animationen wurden von Grund auf neu erstellt, was natürlichere Bewegungsabläufe erlaubt, die aber die Charakteristika des Originals beibehalten. Eine der großen Innovationen von Shadow of the Colossus ist die Nutzung von Berechnungen Inverser Kinematik in Echtzeit. Diese Technik erlaubt es Modellen, realistischer mit Oberflächen zu interagieren, indem sie korrekt mit allen möglichen Ecken und Kanten zusammentreffen. Es fügt sowohl den Kämpfen mit einem Koloss wie auch den Reisen eine neue Dimension hinzu.
Für das PS4-Remake nutzte Bluepoint zusammen mit den neuen Animationen die zusätzliche Rechenleistung für Verbesserungen in den IK-Berechnungen. Das Resultat zeigt sich darin, wie die Füße von Wander nun den Boden berühren und die Kämpfe sich natürlicher anfühlen. Alles fühlt sich wesentlich flüssiger an und das ist ein großer Gewinn für die Spielerfahrung von Shadow of the Colossus.
All das wird noch einmal durch eine robuste Post-Processing-Pipeline mit einer stimmigen Tiefenschärfe, und wichtiger noch, mit Per-Objekt-Bewegungsunschärfe, verbessert. Das Original auf der PS2 ist bekannt dafür, diesen Effekt auf einem System zu simulieren, das in keiner Weise zu Per-Pixel-Bewegungsunschärfe fähig war. Das wurde dann auf der PS3 mit Bluepoints damaligem Remaster verbessert, indem echte Per-Pixel-Unschärfe dazukam. Auf der PS4 jedoch konnte die Sample-Anzahl und die Präzision des Effekts deutlich verbessert werden und die Blenden-Geschwindigkeit kann im Optionsmenü angepasst werden, um korrekt in beiden Darstellungsmodi der PS4 Pro angezeigt zu werden.
Wenn man sich das Paket im Ganzen anschaut, ist es bemerkenswert, in welchem Umfang das Spiel überarbeitet wurde. Bluepoints Engine ermöglicht einige wahrhaft atemberaubende Momente und geradezu glorreich detaillierte Szenen. Dazu läuft alles auf der normalen PS4 in stabilem 1080p30, auf der PS4 Pro steigt die Auflösung dann auf 1440p30 (mit Downscaling-Unterstützung für Nutzer von 1080p-Bildschirmen), unterstützt von einer exzellenten TAA-Lösung, die auf Full-HD- und 4K-Bildschirmen gleichermaßen toll aussieht. Mehr noch: PS4-Pro-User dürfen auch einen Performance-Modus hinzuschalten, der sich hartnäckig für einen Großteil des Spiels an die 60 FPS hält.
Diese Art Performance in einem Open-World-Titel sahen wir schon von Metal Gear Solid 5, aber sonst kommt es nicht so häufig vor, dass ein Spiel dieser Ausmaße in einer solch flüssigen Bildrate läuft. Natürlich ist diese Welt mehr oder weniger leer, was sicherlich hilft, den Grad an Performance zu halten. Aber uns haute das Erlebnis, ein derart schön aussehenden Titel in 60 FPS auf einer Konsole zu spielen, wirklich um.
Die Stabilität der Bildrate in Kombination mit dem exzellenten Motion Blur resultiert in einem der flüssigsten Spielerlebnisse seit Doom 2016. Im Großen und Ganzen bleibt es auch bei diesen 60 FPS, aber wir bemerkten im Bereich des Haupttempels ein paar minimale Einbrüche, wo wir auch eine handvoll Frames mit Tearing provozieren konnten. Es ist möglich, dass das auch in anderen Gebieten passiert, aber nach den ersten sieben Kolossen haben wir es bisher nicht noch einmal erlebt. Es ist der Modus, in dem wir Shadow of the Colossus am liebsten spielen.
Wir haben intern lange darüber diskutiert, seit die Testversion ankam, aber wir glauben mittlerweile, dass man Shadow of the Colossus durchaus als eines der besten Remakes aller Zeiten bezeichnen kann. Ist es das Beste? Schwierige Entscheidung, gute Gründe dafür gäbe es aber genug. Zunächst einmal ist das optische Update über jeden Zweifel erhaben. Es ist ein Remake eines Spiels, das ursprünglich im Oktober 2006 erschien, und doch hat das Studio eines der visuell schönsten Spiele dieser Generation abgeliefert. Die Tatsache, dass es noch über einen 60-FPS-Modus verfügt, ist da nur die Kirsche auf der Torte.
Und dann ist da die Steuerung. Dieses Spiel war immer träge und lagte. Das hielt viele nicht davon ab, es zu lieben, aber die Verbesserungen in der Überarbeitung machen das Spiel für alle durchweg besser spielbar. Es fühlt sich einfach besser an. Hat man aber eine Schwäche für die klassischen Kontrollen, sind auch die optional verfügbar. Auch diese Option unterstreicht, dass wir es bei diesem Remake mit einem der besten zu tun haben.
Und drittens wären da noch die zusätzlichen Features. Ein wunderbarer und sehr potenter Fotomodus ist zum Beispiel neuerdings mit von der Partie, während die optischen Filter einem erneuten Durchgang einen neuen Look verpassen. Nicht zuletzt fanden wir wichtig, dass Bluepoint die Vorlage schlicht versteht. Wenn man ein Spiel von Grund auf neu baut, ist es sehr schwierig, die ursprünglich angedachte Atmosphäre und das Erlebnis perfekt zu rekreieren. Hier ist aber von der ersten Minute an klar, dass die Entwickler sich geradezu obsessiv an das Original hielt. Dieses Team versteht Shadow of the Colossus auf einer grundlegenden Ebene, liebt dieses Spiel und verfügt über die technischen Fertigkeiten, State-of-the-art-Grafik auf dem Level der besten Konsolenspiele der Generation zu liefern und gleichzeitig zu bewahren, was das Erlebnis so besonders machte.
Und dadurch wird Bluepoints Arbeit hier zu etwas so Beispielhaftem. Sie verfolgten die technischen Ambitionen von Team Icos ursprünglichem Werk, lieferten gleichzeitig aber auch eine Politur und Performance, die auch schon Spiele wie die Nathan Drake Collection von Uncharted so beeindruckend machte. Ein Last-Guardian-Remake für PlayStation 5 (oder sogar noch PS4?), basierend auf dieser Technologie? Das sähen wir liebend gern.