Shaun White Skateboarding
Rebellen auf Brettern! Mit Marlon Brando. Nicht.
Das Steuerungsschema schaute man sich bei Skate ab, was nicht weiter erstaunt, da dieses perfekt ist. Nur leider scheint man nicht ganz verstanden zu haben, warum das so ist. In Skate kann man mit geschickten, teilweise sehr komplexen Drehbewegungen der beiden Sticks unglaubliche Manöver entdecken, da wirklich die Physik und die Bewegungen direkt an das virtuelle Board übergeben werden und so immer neue Tricks entstehen können. Nichts davon passiert hier. Ein Trick ist immer gleich, nur dass die KI noch über euch wacht und dafür sorgt, dass ihr ja wieder auf den Füßen landet. Es gibt sogar eine automatische Trick-Taste, die ihr bearbeiten könnt, der Unterschied ist am Ende marginal, da ja selten ein bestimmter Move gefragt ist.
40 oder 50 solcher Moves werden es sein, dazu kommen noch ein paar Grabs und Vert-Tricks und das Repertoire ist nicht schlecht. Aber die Ausführung erfordert kein Buttonmashing als Kunstform (ich meine das sehr respektvoll, ich war da nie wirklich gut drin), wie es in den alten Tony Hawks der Fall war, und kein rigoroses Training wie in Skate. Shaun White ist ein einfaches Spiel und die Momente, in denen ich hing, waren die, in denen die KI in kritischen Situationen – beim Grinden einer Eisenbahnschiene auf einen Zug zu beispielsweise – missinterpretierte was ich machen wollte und mich in den Abgrund riss. Die Situationen, in denen das passierte, kann man glücklicherweise an einer Hand abzählen und sie wiegen nicht annähernd so schwer wie die Tatsache, dass dieses Spiel nichts bietet, an dem sich ein Profi festbeißen kann. Egal, ob er der Hawk- oder der Skate-Schule angehört.
Verlassen wir allerdings den Bereich erfahrener Extremsport-Videospieler, dann sieht das hier viel besser aus. Gehört ihr zu der Sorte, die Tony Hawk 2 heute noch vorkramen, weil man dort die höchsten Zahlen erreichte – ich zumindest – oder fegt ihr bei Skate 2 blind durch, dann ignoriert den Rest des Absatzes. Shaun White Skateboarding mag nicht die Möglichkeiten, Komplexität oder Herausforderungen anderer Skate-Spiele bieten, aber was es dagegen anbietet, sind Zugänglichkeit für Neulinge und sogar eine ganze Menge Spaß dabei. Die Moves lassen sich einfacher ausführen, aber das Spiel ist sehr reaktionsfähig und setzt die Moves ansprechend um. Mit einfachen Mitteln bekommt man beeindruckendes Zeugs hin und wird zart in die Riege der echten Extremsport-Games wie eben Skate eingeführt. Sobald man merkt, dass man hier an die Limits des Spiels stößt, ist es Zeit, sich der Konkurrenz zu widmen. Als Einstiegsdroge macht das, nicht zuletzt dank der von vornherein weniger ernsten Herangehensweise, durchaus Laune.
An Möglichkeiten, sich auszutoben, gibt es kaum Mangel. In der relativ übersichtlichen Stadt finden sich jede Menge Herausforderungen, die ein wenig bessere Unterhaltung als die meisten Story-Aufgaben bieten. Meist, weil sie zumindest ein wenig Skate-Kunst sehen wollen und euch die härteren Tricks abfordern. Was den Multiplayer angeht, bietet Shaun White nicht annähernd den Tiefgang eines Skate, das praktisch seine eigene YouTube-Kultur zelebriert – etwas, dass Shaun White weitestgehend ignoriert – und auch nicht den Trinkspiel-Faktor eines TH: Ride.
Der mit Abstand beste Modus ist The Ministry vs. The Rising, in dem Spieler entweder die Stadt färben oder ins Grau zurückschicken. Go with the flow lässt euch allein oder im Team Punkte sammeln und in Shaping häuft ihr Zähler durch das Formen von Rails und anderen Objekten an. Es freut, dass ihr all diese Modi auch im Splitscreen spielen dürft. Wirklich, jedes Spiel dieser Art sollte so einen Modus haben. Verpflichtend.
Shaun White Skateboarding ist kein Ersatz, bis Skate 4 erscheint. Profis, hört weg, ihr braucht euch gar nicht groß auf dieses Game einzulassen. Die Moves sind in der Ausführung weit schlichter, zahlenmäßig geringer und ein echtes Hardcore-Scoring-System fehlt. Einsteiger, die ihr immer mal in diese Spieleecke hineinschnuppern wolltet, horcht auf. Shaun White ist mitnichten zu einfach und sonst perfekt, es hat immer noch genug Kanten, an denen man sich stoßen kann, und selbst Anfängern wird diese extrem großzügige Physik schnell verdächtig vorkommen. Auch ein wirklich fesselnder Online-Bereich fehlt, dafür gibt es jedoch mit der Skate-Distopie eines der verrücktesten, beknacktesten und großartigsten Settings zu erkunden. Das Formungs-System für Rails und Objekte kommt weit weniger dramatisch daher, wie es sein könnte, aber ein interessanter Gedanke steckt darin.
Und so müsst ihr wissen, was ihr wollt: Urlaub von Skate gefällig oder ein Schnupperkurs im Skater-Genre? Shaun ist euer Mann. Super-Shredder, der alle Tony und Skates bereits zerlegte? Nicht euer Ding. Entscheidet selbst. Wie viele Punkte vergibt man da? Ich wähle mal die ungerechte Mitte. Je nach Antwort auf die eben gestellten Fragen zieht ihr einen ab oder schlagt ihn drauf.
Shaun White Skateboarding ist bereits für PC, Xbox 360, PS3 und Wii erschienen.