Skip to main content

Shin Megami Tensei V Test - Das einzige JRPG, das ihr aktuell für die Switch braucht

Atlus und Nintendo bringen ein exzellentes Spielerlebnis auf die Switch

Eurogamer.de - Herausragend Badge
Ein ideales klassisches Rollenspiel im zeitgemäßen Gewand: Geschichte, Gestalt und Spielablauf werden optimal auf der Switch präsentiert.

Am 12.11. erscheint mit Shin Megami Tensei V endlich ein größeres Rollenspiel für die Nintendo Switch. Shin Megami Tensei V soll unser Spieleglück dieses Jahr nochmal ordentlich anheben, und das nach ganzen 18 Jahren! Zwar erschien Vorgänger Shin Megami Tensei IV vor acht Jahren auf dem 3DS, aber der hat mit dem Franchise so viel experimentiert, dass wir uns eher an den letzten Konsolen-Titel - den dritten Teil aus 2013 - erinnern müssten.

Passend dazu veröffentlichte Atlus dieses Jahr im Mai das HD Remaster mit dem kultigen Halbdämon und Dante aus Devil May Cry. Der fünfte Teil der Hauptreihe will allerdings mehr als nur eine Mischung aus Teil drei und vier simulieren. Es soll ein ganz großer Eintrag im Franchise werden, der mit seinem erfolgreichen kleinen Bruder "Persona" mithalten kann. Und das schafft er tatsächlich. Wie sich Shin Megami Tensei V spielt, anhört und aussieht, erfahrt ihr im folgenden Videotest:

Auf YouTube ansehen

Das große Ganze

Wer die Veröffentlichung der JRPG-Reihe mitverfolgt oder nur nebenbei mitbekommen hat, kommt nicht drum herum, sich die Frage zu stellen, ob der fünfte Eintrag der Hauptreihe besser wird, als der beliebte fünften Teil der Persona-Reihe, dessen Geschichte nun ja auch schon fünf Jahre her ist. Wie die Spiele zusammenhängen, habe ich bereits in der Vorschau zum HD Remaster vom dritten Teil angerissen. Die wichtigste Verbindung zwischen allen Reihen sind die Monster, deren Welt und Hierarchie immer konstant bleibt. Selbst der Puzzler Catherine, der zunächst nichts mit Dämonen zu tun hat, beinhaltet die Geschöpfe des SMT-Universums.

Wie denn sonst alles zusammenhängt, das ist nicht ganz so einfach zu sagen. Man kann Shin Megami Tensei leider nicht mit Persona vergleichen, weil die Spiele unglaublich unterschiedlich aufgebaut sind. Shin Megami Tensei V hat keine Sozialisierungs-Mechaniken, keine Visual-Novel-Elemente, kein buntes Tokyo, keine Dungeons und auch nur wenige animierte Einspieler. Alltägliche Dramen oder Charakterbindungen zwischen den Figuren finden ebenfalls nicht wirklich statt. Stattdessen gibt es eine offene Welt, viele Kämpfe, pragmatische Entscheidungen und eine tiefe, philosophische Auseinandersetzungen mit grundsätzlichen Fragen zu Moral, gesellschaftlichen Strukturen und zur Lore der Kreaturen des Franchise.

Shin Megami Tensei thematisiert Moral, Wesen wie Engel und Teufel und sogar die Frage nach der idealen Weltordnung.

Mysteriöse Mythen und rechtschaffende Religion

Shin Megami Tensei V setzt den Fokus zum richtigen Zeitpunkt an die richtigen Stellen. Zuerst ist die Bedeutung der Kreaturen relevant, nach und nach kippt der Fokus in andere Richtungen. Nach einer kurzen Einleitung der Mitschüler unseres Protagonisten, werden wir in eine Welt voller Engel, Feen, Dämonen, Geister und anderer Geschöpfe geworfen, die wir pokémonartig ins Team holen müssen. Alleine wird man in dieser apokalyptischen Welt kaum überleben können. Diese "Pokémon" sind aber keine süßen Pocket Monster, sondern Figuren aus unterschiedlichsten Religionen, Erzählungen, Kulturen und manchmal sogar historischen Kontexten. Und mit Bällen bewerft ihr die auch nicht, sondern überredet sie mit Dialogoptionen eurem Team beizutreten.

Die Geschöpfe verteilen sich zum ersten Mal im Franchise sichtbar auf der Welt-Oberfläche und begegnen euch nicht mehr in unsichtbaren Zufallsbegegnungen. Dass sich einige der Monster anders verhalten als andere, das passiert nun nicht mehr ausschließlich mithilfe der eigenen Vorstellungskraft: Engel haben klare Hierarchien und können reden, Zweihörner galoppieren in Herden umher und Oni sind Einzelgänger, die man eher vereinzelt in den Gebieten findet. Dazu kommen die unterschiedlichsten Biotope. Meerjungfrauen und andere Fischwesen leben bekanntlich am Wasser, Daimons dagegen hängen an der Decke von dunklen Höhlen. Es ist beeindruckend, wie akkurat das Verhalten der der Dämonen zu ihren Beschreibungen passt. Gleichzeitig verleihen die Lebensgewohnheiten der Kreaturen der Welt Dynamik und Charakter.

Breath of the Da'at

Da'at heißt die Welt der Dämonen, die zum ersten Mal in einem Shin Megami Tensei offen erkundbar ist. Wir entfernen uns nun gänzlich vom klassischen Dungeon-Crawler und tauchen in eine moderne Mischung aus Kämpfen, Kundschaften, Verhandeln, Looten und Leveln ab. Richtige Rätsel gibt es nicht mehr, dafür aber "Abszesse", die große Gebiete der Karte verdecken. Sobald ihr euch den Geschwüren nähert, werden Wellen von Gegnern auf euch ausgesendet, die ihr entweder umgehen oder konfrontieren müsst, um an den Kern zu kommen. Seid ihr für diese Wellen zu schwach, solltet ihr euch überlegen, ob es wirklich eine gute Idee ist, das Geschwür zu konfrontierten.

Abszesse sind eine Neuheit in Shin Megami Tensei V. Sie fungieren nicht nur als Zwischenbosse, sondern oft auch als Orientierungspunkte.

Die vielen Kreaturen sind nicht das einzige, was der Welt Charakter verleiht. Entscheidet ihr euch nämlich dazu, die Gegend abseits der Hauptquest zu erkunden, fallen euch schnell Dämonen auf, die mit euch reden wollen, statt zu kämpfen. Manchmal erzählen die euch kleine Geheimnisse zur Welt, manchmal hilft euch die Information neue Orte mit Schatztruhen oder Glorien zu finden - manchmal gibt es Nebenquests.

Die Nebenquests sind ein Highlight, an dem sich in Zukunft gerne mehr Rollenspiele - vor allem solche aus Japan - orientieren dürfen: Hier handelt es sich nicht mehr um langweilige Aufgaben, die ihr in einer To-Do-List abarbeitet, sondern um kleine Geschichten, die nahtlos in eure Erkundungen und in die Wege, die ihr eh beschreiten müsst, eingebunden werden.

Es ist eben doch alles Gold, was glänzt

Zugegeben, manchmal fällt auch eine Nebenquest im "Sammle 5 Seelen von Monster X ein"-Format aus. Und im Handheld läuft die Bildrate des Spiels nicht immer auf Hochtouren. Ja, ab und zu sind sogar die entfernten Monster eigenartig animiert und vielleicht ist der normale Modus für den ein oder anderen zu einfach. Aber ganz ehrlich? Wenn der Grind sich dadurch nach Erkundung anfühlt und ich in der Richtung eh die Monster abarbeiten muss, um zu leveln oder wenn ich im Zug genervt auf die betrunkenen Mitfahrer achte, statt auf die Framerate zu achten, dann machen mir die kleinen Einbrüche auch nichts mehr aus. Die Schwierigkeit solltet ihr vielleicht direkt hochstellen, wenn ihr mehr Herausforderungen gewohnt seid und dass die Monster sich in einer surrealen Welt eigenartig bewegen, wenn ich mich zu ruckartig umdrehe, passt auch irgendwie zur Atmosphäre. Not a bug, it's a feature.

Die Ladebildschirme in Shin Megami Tensei V beschreiben aus welcher Mythologie die Monster entstanden sind.

Dafür scheint Shin Megami Tensei V immer zu wissen, wenn ich mal das Gefühl bekomme, ich bräuchte wieder eine kleine Abwechslung. Mehrere Systeme greifen ineinander, während ich mir meinen Weg durch die menschenleere Umgebung bahne. Die erwähnte Glorie erlaubt es dem Hauptcharakter zum Beispiel Wunder zu erlernen, die ihm besondere Fähigkeiten gewähren. So kann er eine bestimmte Resistenz erlernen oder sein Monster-Inventar erweitern. Der gruselige Verkäufer Gustave braucht seine kleinen Helfer zurück, die ihr auf der Karte in besonders dunklen Ecken findet. Fünf von denen schalten Items frei, die dann wiederum besonders nützlich werden.

Das Mondsystem, das sich durch alle fünf Shin Megami Tensei-Spiele gehalten hat, kommt auch wieder vor. Ist Vollmond, sind die Monster der Welt besonders gesellig. Sie kommen leichter ins Team, ihr verpasst ihnen mehr Schaden und negative Statussymbole wie Vergiftungen halten länger. Bei Neumond ist dafür aber das Gegenteil der Fall.

Feuer, Eis, Verwirrung

Zum Kampfsystem gibt es nicht wahnsinnig viel zu sagen. Ihr spielt eure Stärken im bekannten Rundensystem gegen die Schwächen der Gegner aus. Habt ihr einen wunden Punkt getroffen oder einen kritischen Treffer gelandet, dann bekommt ihr einen zusätzlichen Zug. Verfehlt ihr die Attacke, oder ist der Gegner immun gegen das eingesetzte Element, dann werden euch Züge abgezogen. Neu ist die Magatsuhi-Leiste, die sich während des Kampfes füllt. Mit einer vollen Leiste könnt ihr euch einen großen Vorteil für den Kampf verschaffen. Beispielsweise sind dann alle Angriffe garantiert kritisch. Das Gleiche gilt aber auch für die Gegner. Ihr könnt euch serientypisch darauf verlassen, dass die wunden Punkte eures Teams von den Angreifern durchschaut werden, wenn ihr es am wenigsten gebrauchen könnt.

Ein gutes Management eurer Fähigkeiten kann bei Shin Megami Tensei V für außerordentliche Attacken sorgen. Ein unbalanciertes Team kostet euch dagegen das Leben.

Die Herausforderung im aktuellen Teil der Atlus-Reihe besteht also weiterhin darin, dass ihr euch in jedem Gebiet darauf vorbereitet, den nächsten Boss zu bekämpfen, um so in der Geschichte voranzuschreiten. Doch nicht nur Bosse sind fordernd. In jedem neuen Gebiet ist Konzentration gefragt, bis ihr euch akklimatisiert habt. Um nicht an den häufigen Toden zu verzweifeln, gibt es im fünften Spiel eine Menge angenehmer Verbesserungen, die wir im HD Remaster zum dritten Teil streng kritisiert haben.

Die Rastplätze sind nun besser verteilt und beinhalten gleich alle Funktionen, die man für einen erfolgreichen Fortschritt braucht: Fusionen, Heilung, Händler und Teleportation-Möglichkeiten sind an einem Punkt versammelt. Fusionen funktionieren übersichtlicher als sonst. Ihr könnt nun Essenzen von Monstern dazu benutzen einzelne Fähigkeiten zu erlernen, ohne gleich eure zwei Lieblinge aufgeben zu müssen. Auch die Kompendium- oder Ergebnis-Fusion ist ausbalancierter. Es ist zwar nun einfacher die benötigten Kreaturen für eine Fusion zu kaufen, wird aber sehr schnell teuer, sodass die Anwerbung durch ein Gespräch während des Kampfes immer noch attraktiver bleibt.

Alle Monster, die euch auf der Shin Megami Tensei-Karte begegnen, können ins Team aufgenommen werden.

Sollte euch mal langweilig werden, versucht es mit einem Kampf der Riesen. Auf der Weltkarte tummeln sich vereinzelt große Geschöpfe, die viel zu stark für euch sind, wenn ihr gerade neu das Gebiet betretet - etwa 20 Level über dem Durchschnitt im Gebiet. Ihr könnt euch aber jederzeit an alte Orte teleportieren und es mit den Riesen dort versuchen.

Die gut platzierten Magatsuhi-Kristalle, die euch ein wenig MP, HP und Kraft wiedergeben, die kleinen Begleiter, die während kurzen Abschnitten der Geschichte an eurer Seite sind oder die besonderen Fusionen, die nur mit einer einzigen Kombination aus Kreaturen ausgeführt werden können, wurden hier noch gar nicht beleuchtet. Aber es ist unmöglich, alle guten neuen Ideen des Spiels im Test zu erwähnen, weil Shin Megami Tensei V so viel Inhalt bietet, dass ich das Gefühl habe, Atlus wollte jeden einzelnen eures ausgegebenen Cents mit Wert befüllen.

Shin Megami Tensei V Test - Fazit

Ein richtig hübscher Verkäufer, dieser Gustave. Da möchte ich doch gleich jeden einzelnen Shop in Shin Megami Tensei V besuchen!

Zwischen den anderen Rollenspielen, die in den letzten Jahren auf der Switch erschienen sind, reiht sich Shin Megami Tensei V souverän in den oberen Reihen ein. Es orientiert sich zwar an modernen Spielen und eröffnet eine offene Welt statt Dungeons und sichtbare Gegner statt Zufallsbegegnungen, bieten aber gleichzeitig ein klassisches Rollenspiel-Erlebnis, das seine Wurzeln aus 1992 gerne zeigt. Dieses Erlebnis fühlt sich so euphorisierend an, wie eine Fahrt auf einem Fluss, der durch die schönsten Gebiete eures Lieblingslandes strömt - das gerade von einer Horde Monstern in die Apokalypse getrieben wurde, versteht sich. Die Geschwindigkeit der Strömung ist genau richtig, sodass man sich nicht wie ein kleines Baby fühlt, das von den Spieleentwicklern mal wieder an der Hand durch die Geschichte geführt werden muss, aber auch nie unnötig stecken bleibt. Das Highlight, das Shin Megami Tensei V besonders positiv hervorhebt, sind die nahtlos in die Welt eingebundenen Nebenquests, das freie Bewegen mit dem Protagonisten und die Verhaltensweisen der Kreaturen in der offenen Welt.

Findet ihr das Universum und das Fusionieren in Persona spannend, aber euch kam der Kampf ein wenig zu kurz? Hat das Reden und die Animationen des langen Rollenspiels irgendwann einfach nur genervt? Dann gibt es keinen Grund Shin Megami Tensei V links liegenzulassen. Wenn ihr dazu noch anfällig für tiefgründige Themen seid, die sich mit Moral und Philosophie befassen, ist das hier ein würdiger Anwärter auf euer Game of the Year 2021.

Vielleicht bleibt euch so die ein oder andere Information aus allerlei Glaubensrichtungen der Welt hängen, mit der ihr auf der nächsten Party protzen könnt. Macht man doch auf Partys, oder? Mir bleibt nun nichts mehr übrig, als euch viel Spaß mit Shin Megami Tensei V zu wünschen!

Schon gelesen?

Ana Kudinov Avatar
Ana Kudinov: Ana macht bei Eurogamer.de seit 2020 die Video-Redaktion. Sie streamt in ihrer Freizeit und spielt viel Strategie- und Indiespiele am PC - kann aber grundsätzlich mit jedem Genre und jeder Konsole etwas anfangen. Ana liebt es sich über Japan und Anime zu unterhalten und verbringt dementsprechend auch viel Zeit mit JRPGs und anderen Besonderheiten aus dem asiatischen Raum.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Shin Megami Tensei 5

Nintendo Switch

Verwandte Themen