Shiness: The Lightning Kingdom - Test
Spiel da, Tonnen an Dialog fertig, Drama gesucht…
Hier ein klitzekleiner Rat für die Entwicklung eines Rollenspiels, egal ob es auf dem Papier ist oder in einem Computerspiel: Benutze nicht extra viele Dialoge, wenn du nichts zu sagen hast. Das ist die Aufgabe von Politikern, die nicht sagen können, dass es gerade nichts zu sagen gibt, weil alle erwarten, dass sie etwas sagen. Wenn aber eine Geschichte nichts zu sagen hat... Erfindet nicht einfach eine beliebige Zahl der generischsten, bedeutungslosesten und bereits in den ersten Stunden schon ermüdendsten Dialoge überhaupt und walzt sie bis über jede Schmerzgrenze aus.
Es ist nicht so, dass einem in Shiness: The Lightning Kingdom sofort klar wird, dass hier mit vielen Worten nichts gesagt wird. Es ist in der ersten Stunde ein konfuses Chaos mit zu vielen Beteiligten, die kommen und gehen, ohne sich vernünftig vorzustellen. Eine Welt, bei der nicht klar wird, wer wo warum und überhaupt hingehört. Zuerst dachte ich, dass das alles auf einem existierenden Anime oder Manga basiert, aber falls das der Fall ist, dann ist dieser so obskur, dass ich ihn nirgendwo finden konnte. Es mag etwas zu klassisch sein, einfach den einsamen kindlichen Helden in seinem Dorf warten zu lassen, bis ihn die Ereignisse überrollen. Aber hier wäre ich für so eine Banalität dankbar gewesen, denn für jeden noch so nervigen Kleinstadtbewohner empfand ich zumindest ein wenig Empathie mit der Zeit. Dieser konfuse Cast? Meh. Nervige Persönlichkeiten plakativ in den Raum geworfen, die dann die nächsten 15 Stunden in ermüdender Eindimensionalität endlose Plattitüden von sich geben, wenn sie nicht gerade Exposition mit all dem Schwung eines Wikipedia-Eintrags runterrasseln. Es endet als chaotische Mischung aus so simplen wie massiven erzählerischen Schwächen und völlig übertrieben Ambitionen, wenn es um den unzureichend realisierten Grandeur in der eigenen Spielwelt geht.
Das erstaunt bei Shiness vielleicht am meisten. Es dreht die übliche Prämisse um, die man von einem zumindest relativen Indie-Game erwarten sollte. Eine gute Geschichte - wenn man denn eine hat - kostet weniger als teure Technik, aber gerade diese ist hier durchaus beachtlich. Sicher, den Cel-Shading-Look der Welt hätte man auch auf der vorigen Generation ohne große Verluste realisieren können, aber es detailliert, farbenfroh und insgesamt durchaus ansprechend bis hin zu immer wieder mal fast schon hinreißend. Die Musik zieht sich abwechslungsreich und inspiriert durch das ganze Spiel. Das Design der Figuren ist zwar auch eine etwas zu generische Furry-Party mit dem gelegentlichen Menschen dazwischen, aber nichtsdestotrotz mit klaren Linien entworfen und sehr ansehnlich. Shiness ist in allen audiovisuellen Aspekten gelungen. Okay, fast. Die Stimmen stammen direkt aus einem beliebigen Low-Budget-Anime, aber es geht schlimmer als das, passt hier auf eigenwillige Art irgendwie und lässt sich verschmerzen.
Was dann als Spiel zwischen Desinteresse und Schönheit liegt, zeigt sich ebenfalls ganz schön ambivalent. Fangen wir mit den guten Aspekten an: dem Kampf und allem, was in der kleinen, für ihn abgegrenzten Arena passiert. Shiness setzt stark auf Action und Interaktion im Kampf. So sehr, dass es fast schon mehr ein Action-Titel als ein RPG ist, sobald die magischen Wände um euch und den Gegner hochgehen. Ihr kämpft immer eins gegen eins. Besiegt ihr den Gegner, rückt der nächste nach. Auf eurer Seite könnt ihr zwischen allen Charakteren in der Party wechseln. Geht einer zu Boden, springt automatisch der nächste rein. Ist keiner mehr übrig, habt ihr besser einen der zahlreich verstreuten Speicherpunkte genutzt, sonst geht es weit zurück. Autosave kommt gerade ein wenig aus der Mode, wie es scheint.
Es gibt mehr als genug Fertigkeiten und Angriffe für jeden Charakter, um die nicht so lange Laufzeit über alles frisch zu halten, wenn ihr das möchtet. Wenn nicht, lässt sich vieles auch durch Button-Mashing klären, sobald ihr erst einmal das Timing - nicht so kompliziert - und die Entfernungen zum Gegner - schwieriger, als man meinen sollte - verinnerlicht habt. Ein wenig Frust, aber auch viel Lust kam bei den Bosskämpfen auf, die euch durch mehrere Phasen hindurch malträtieren und teilweise deutlich präziseres Timing erfordern. Es ist reizvoll genug auszuknobeln, wie es am besten laufen kann, aber mehr als einmal fühlte ich mich an meinem Ableben weitestgehend unschuldig. Ich bin rechtzeitig ausgewichen, egal was dieses Spiel sagt! Trotzdem, es ist ein insgesamt solides System, ihr habt immer ein wenig was zu tun und neue Fertigkeiten wie neue Gegner kommen in Abständen, dass ich den Kämpfen ganz sicher mit weit mehr Freude entgegensah als der nächsten Dialogsequenz.
Die Erkundung der Welt hängt zwischen diesen Polen. Ihr habt genug Auslauf, es gibt überall zumindest eine paar Dinge zu entdecken - wenn auch sehr selten etwas von Relevanz - und die visuelle Schönheit des Ganzen lädt schon zu ein paar Ausflügen ein. Das Freischalten von neuen Wegen zeigt jedoch, dass bei den Rätseln der gleiche Ansatz wie bei den Dialogen vorherrschte. Es gab keine Idee für ein einziges gutes, also warf man eine Tonne an beliebig austauschbaren Schalter- und Lichtbogenpuzzles in die Welt und hoffte das Beste. Nun, das Beste ist hier, dass euch die lahmen Puzzles nicht ausbremsen. Dazu sind sie einfach zu platt. Es hilft nicht mal, dass manche Charaktere dies und andere das tun können, um verschiedene Objekte zu nutzen. Sofern ihr nicht komplett vergesst, wer was konnte, würde ich das Meiste nicht mal als Puzzle, sondern als überflüssige Bremse sehen, die rein mechanische Abläufe erfordert, aber keine zusätzliche Gehirnaktivität. Sehen wir es mal positiv: Ihr könnt euch so zügiger die schöne Welt anschauen und seid schneller bei der nächsten Dialogsequenz, durch die ihr euch zügig klicken könnt.
Technisch ist Shiness für ein so ambitioniertes Projekt in der Hand eines relativ kleinen Studios weit besser geendet, als ich zunächst befürchtet hatte. Ja, es kommt schon mal vor, dass die eigene Figur halb im Flussufer hängt, das eigentlich nur eine feste Grenze sein sollte und nicht mehr. Manche Animation glitchen gelegentlich ein wenig vor sich, aber nichts davon ist dramatisch und Abstürze hatte ich keinen einzigen. Die einzigen echten Mängel waren die Wechsel zwischen den Figuren im Kampf. Oft genug reagierte das Spiel erst auf den dritten oder vierten Knopfdruck, und das keineswegs, während ich in einer gegnerischen Kombo hing, sondern frei herumstand. Ansonsten jedoch, es mag nicht zu aufregend sein, aber Extrasteine legt euch Shiness nicht in den Weg.
Shiness: The Lightning Kingdom hat genug Ambitionen für drei Spiele, das merkt man schnell. Ein eigenes Kampfsystem, eine Spielwelt, die eigentlich eine neue Anime-Serie sein möchte, ein eigener Look ein klein wenig neben, aber auf der guten Seite der üblichen Anime-Spur. Was dem Spiel jedoch noch besser bekommen wäre, ist diese Ambitionen ein wenig einzufangen und zu fokussieren. Die Geschichte wäre mit der Hälfte der Dialoge auch gut ausgekommen und man hätte mehr Zeit gehabt, diese lesbar zu schreiben. Vielleicht wäre sogar genug Zeit geblieben, eine gute Geschichte zu finden, statt was auch immer es ist, das an generischer Belanglosigkeit hier vorbeizieht. Das Kampfsystem hätte sicher auf ein paar Finessen verzichten können, wenn man diese in eine etwas bedeutungsvollere Erkundung der schönen Welt gesteckt hätte. So dümpelt alles auf eine Art fast schon verzweifelt bemühter Rollenspielgrandiosität vor sich hin, die man dem Spiel einfach nie wirklich abkaufen kann. Es geht weit schlechter und ich möchte, dass dies der Startpunkt für dieses Studio - Enigami - ist. In Shiness steckt mehr Gutes als Schlechtes und wenn sie all die Energie, die sie offensichtlich haben, in die richtige Richtung lenken, erwarte ich große Dinge für die Zukunft.
Entwickler/Publisher: Enigami / Focus - Erscheint für: PS4, Xbox One, Switch - Gespielt auf: Xbox One - Preis: ca. 30 Euro - Erscheint am: 28.04.2017 - Sprache: Englisch (Ton), Deutsch (Text) - Mikrotransaktionen: Nein