Shock Tactics - Test: Speichern ist überbewertet?
Mit tiefgründigem Gameplay und schnellen Toden eher eine gewagte Kombination.
Ich mag Rundenstrategiespiele schon lange, ich würde sagen seit History Line, also etwa 1992. Da war ich elf. Nun bin ich aber ein bisschen älter geworden und weiß die Komfortfunktionen moderner Spiele durchaus zu schätzen. Die Fähigkeit etwa, permanent zu speichern, die es zumindest im normalen Modus, der jüngsten beiden XCOM-Iterationen gab. Und die bei Shock Tactics sehr fehlt, einem stark von XCOM inspirierten Rundenstrategiespiel. Speicherfunktion, du wirst sehnsüchtig vermisst.
Auch weil die Missionen durchaus vergleichbaren Umfang haben, soll heißen: Wenn ihr euch locker durchspielt, sitzt ihr zwischen zehn und zwanzig Minuten vor dem Bildschirm. Dabei gibt's aber durchaus Überraschungen. Manchmal bekommt der Gegner plötzlich Nachschub und fällt euch damit in den Rücken, wodurch schon mal die gesamte bisherige Taktik kaputtgehen kann. Ihr seid also steten Veränderungen ausgesetzt und was macht ihr? Ihr sterbt! Und spielt dann die letzten zehn Minuten der Geschichte nochmal neu, oft mehrfach. Das frustriert allerdings gar nicht mal so sehr, denn tatsächlich entfaltet Shock Tactics diese entspannte Flair, das vielen rundenbasierten Spielen innewohnt. Beine hochlegen, in Ruhe über den nächsten Zug nachdenken, vor dem geistigen Auge Optionen durchspielen. Das funktioniert auch hier und macht selbst bei mehrfacher Wiederholung einer Mission noch Spaß, es wäre eben nur trotzdem schön, wenn ich gegen Ende einer Mission mal etwas Neues ausprobieren könnte ohne daraufhin eine Viertelstunde Spielfortschritt zu verlieren.
Die Geschichte verspricht zu Beginn übrigens einiges, hält langfristig aber nicht so viel. Der Sprecher erwähnt gerne mal mystische Artefakte und thematisiert wage, wozu diese gut sein sollen - dann werden sie nie wieder aufgegriffen. Im Wesentlichen befindet ihr euch als Söldnertruppe im Weltall im Krieg mit einer anderen Söldnertruppe, erfahrt aber nie so richtig warum überhaupt. Das ist schade, hat doch gerade XCOM gezeigt, dass da mehr geht. Ich verlange ja keine absolut genial ausgefeilte Geschichte, nur eine etwas tiefere Sci-Fi-Erzählung über den Kampf der Menschheit im Weltall. Und weil ich eben schon den Sprecher erwähnt habe: So sehr die sich bemüht haben mögen, klingen sie meistens wie Laiendarsteller, die Sätze falsch betonen und deshalb unnatürlich klingen. Das ist aber wohl dem Budget geschuldet und im Laufe der Zeit habe ich dafür schon fast eine gewisse Sympathie entwickelt.
Dafür funktioniert das Gameplay aber gut. Ihr baut euch eure Party aus Kämpfern aus, rekrutiert neue, gebt ihnen passende Gewehre und Rüstungen. Ihr erkundet einen fremden Planeten, findet dabei neue Außenposten, erbeutet Ressourcen und baut so eure eigenen Fähigkeiten aus. Ihr erforscht neue Waffen, freut euch, sie einzusetzen, schießt neue Gegner über den Haufen und entdeckt dann wieder neue Stützpunkte. Ihr versagt oft, ihr sterbt viel. Ich behaupte von mir nun nicht, dass ich ein Rundenstrategie-Genie bin, aber meine History-Line-Erfahrung muss sich doch irgendwo niederschlagen? Muss sie offenbar nicht. Glaubt nicht, ihr wisst irgendwas, nur weil ihr gut in XCOM wart. Oder bei Battle Isle. Oder bei Panzer General. Oder bei Might & Magic Heroes. Ihr werdet sterben. Wieder und wieder. Aber meistens wisst ihr dann auch warum.
Shock Tactics ist eines der Spiele, in denen man zu Beginn wie ein blutiger Anfänger wirken muss und dann sehr langsam lernt um schließlich zu verstehen, worum es geht: Es gibt für jeden Gegnertyp eine besonders geeignete Waffe. So verwendet ihr gegen Schilde beispielsweise am besten Energiewaffen, und explosive Munition gegen ungeschützte Gegner. Zwei Waffen-Slots gibt es pro Figur, wodurch auch flexible Taktiken möglich werden. Zudem gibt es klassenspezifische Fähigkeiten, die zusätzliche Abwechslung auf das Schlachtfeld bringen. Allein der Einstieg ist schwer, denn in den ersten paar Missionen stehen euch lediglich gesichtslose Durchschnitts-Soldaten zur Verfügung - die Stärke von XCOM, sich mit seinen Soldaten zu identifizieren, geht Shock Tactics hier ein wenig ab. Ein paar unterschiedliche Gesichter hätten hier wohl Wunder gewirkt, auch da krankt das Spiel aber wohl an seinem Budget.
Viel Gemecker, ich weiß. Aber Shock Tactics ist kein schlechtes Spiel, es ist eben nur nicht so stark wie sein großes Vorbild und dessen Fortsetzung. Dabei bietet es durchaus spannende Neuerungen, die ebendiesem Original gutgetan hätten. So bleiben die Soldaten beispielsweise automatisch stehen, wenn sie auf dem Fußweg durch einen Level einen Feind erspähen. Das spart viele sinnlose Tode, aber es ersetzt eben gleichzeitig nicht den Komfort einer freien Speicherfunktion. Bei Shock Tactics kann ich auf Knopfdruck Dächer und Brücken ausblenden. Das ist gut. Es ersetzt eben nicht übersichtlich gestaltete Levels, bei denen man nicht oft zweimal hinschauen muss, weil die Spielgrafik in einem Matsch aus rot, braun und grau versinkt. Zwischen den Missionen könnt ihr aus deutlich mehr verschiedenen möglichen Missionen wählen als bei XCOM, aber das sorgt eben auch dafür, dass ihr öfter blind in euer Verderben rennt.
Und so ist Shock Tactics ein Ende vor allem ein Spiel für diejenigen, die XCOM und seinen Nachfolger schon gespielt haben und viel Lust auf Nachschub haben. Es ist kein Einsteigerspiel, es ist eines für Genre-Liebhaber, die die Spielmechanik schätzen, nicht die Geschichte - und die Lust haben, sich in ein Spiel zu vergraben. Shock Tactics ist ein Indie-Titel und das ist spürbar. Aber es ist sauber gemacht und es spielt seine besten Karten auch konsequent aus: Strategische Tiefe und vielfältiges Gameplay. Eine Speicheroption fehlt mir trotzdem immer noch.
Entwickler/Publisher: Point Blank Games/EuroVideo Medien - Erscheint für: PC - Preis: 19,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: PC - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein