Shogun wagt im Finale seinen größten Trick
Was für ein Ende dieser besonderen Serie!
Spoiler zum Finale von Shogun. Lest das hier erst, wenn ihr mit der Serie durch seid.
Unfassbar, was da in in Episode 10 dieser Ausnahmeserie passierte. Und zwar nicht, wie man vielleicht denken würde, wenn man diese Zeilen liest, die so nach dem Spektakel bombastischer Erwartungen klingen. Nein, die letzte Folge Shogun, die wir jemals sehen werden, war komplett anders als wohl viele erwartet hatten.
Und obwohl sich diese Art von Ende im ersten Moment - und vor allem nach den irrsinnig intensiven letzten beiden Folgen - reichlich antiklimaktrisch anfühlte, liebe ich doch mittlerweile, wie diese großartige Serie zu Ende ging. Wer hätte das erwartet?
Nun ja, Leser des Buches zum einen. Es sagt sicher auch einiges über unsere Sehgewohnheiten, dass man irgendwie eine aufbrausende Schlacht im Game-of-Thrones-Format erwartet, wie sie heute zum guten Ton zu gehören scheint. Stattdessen realisieren wir überwiegend in Gesprächen, dass der eigentliche Krieg bereits gewonnen ist, noch bevor sich Toranaga und die Truppen, die Ishido auf seiner Seite wähnte, in Sekigahara aufeinandertreffen.
Ein Finale ohne großen Knall
Der große Knall bleibt aus, weil wir ihn schon am Schluss der letzten Folge gehört haben. Die eigentliche "Schlacht" hieß "Crimson Sky" und hat sich bereits in Episode 9 zugetragen. Sie gipfelte in Lady Marikos kalkuliertem Aufbegehren gegen die Quasi-Geiselhaft in Osaka, die sie damit zugleich aufdeckte. Jahrelang hatten sich allzu viele "Gäste" damit arrangiert, ohne dass es einer auszuprechen oder auf einen Test ankommen zu lassen. Letztlich schand damit die Macht Ishidos, lösten sich damit die Bande, die ihn und seine Verbündeten zu einer Zweckgemeinschaft zusammenzurrten.
Okay, ein bisschen Knalleffekt ist schon dabei, als wir drei Viertel durch die Folge hindurch begreifen, dass bereits die Ereignisse der vorletzten Folge das Bündnis von Toranagas Gegnern zerbrechen ließen - und dass auch wir, die wir ein Schlachtenspektakel erwartet hatten, Toranagas brillanten Winkelzügen aufgesessen sind. Das war der eigentliche Geniestreich eines Finales, das eher eine Coda hinter der eigentlichen abgeschlossenen Geschichte war. Der alte Fuchs hatte es nicht nur seinen Feinden gezeigt, sondern auch uns.
Ich bin ziemlich sicher, dieses Ende wird nicht jeder mögen und vor allem mit den Szenen eines nicht allzu gut auf alt geschminkten John Blackthorne auf seinem Sterbebett nach seiner Heimkehr nach England riskierte man ein gutes Stück Immersion. Aber auch hier war beachtlich, wie die Autoren der Serie das Schicksal des Blickwinkelcharakters schon zu Beginn der Episode vorwegnehmen, was ich ebenfalls ziemlich mutig fand. Ein anderer Kritikpunkt wäre wohl, dass man gerne auführlicher gesehen hätte, wie Toranagas Gegner bekommen, was sie verdienen, aber auch diesem niederen Trieb gibt sich das Team um Justin Marks und Rachel Kondo nicht hin. Irgendwie möchte man ihnen für diesen Mut gratulieren.
Was mache ich denn jetzt Dienstags um 9:00 Uhr?
Insgesamt ist Shogun für mich eine der stärksten Serien der letzten Jahre. Ein vergleichbares Vertrauen in Dialogbuch und Darsteller haben nur wenige Produktionen. Hier war kein Wort zu viel, jeder mikroskopische Gesichtsausdruck hatte Adressat und Zweck und die Kamera war stets wachsam genug, um uns nah an die Figuren heranzutragen. Damit wir genauso viel in den Gesichtern lesen, wie in den Untertiteln, die uns das Japanische übersetzen sollten. Die wenige Action war maximal effektiv und wie man das alte Japan bis zum Schluss aus westlicher Perspektive zugleich absurd-befremdlich und doch bewundernswert und höchstentwickelt inszenierte, ist ein Kunststück, von dem ich immer noch nicht sicher bin, wie es gelingen konnte.
Eine ganz beachtliche Serie, die ich jetzt schon vermisse. Meine Dienstage werden nie mehr dieselben sein.