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Shredders - Test: Genießt den Gegenentwurf zu EAs lautem SSX!

Wenn sich der Nachfolger zu Ubisofts Steep vom Wintersport abgewandt hat und sowohl EA als auch 2K die Snowboards an den Nagel gehängt haben, muss es eben ein Indie-Team richten.

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Die Story könnt ihr knicken und Filmszenen sind zum Fremdschämen, aber atmosphärisch und spielerisch macht Shredders fast alles richtig.

Jill Perkins? Elias Elhardt? Arthur Longo? Ich hatte keine Ahnung, wer hinter diesen Namen steckt. Mir war ja nicht mal klar, dass es sich um namhafte Snowboarder handelt. Dabei war eine ganze Reihe davon an der Entstehung von Shredders beteiligt - zusammen mit gleich zwei Entwicklerstudios, die sich unter dem Namen FoamPunch zusammengetan haben. Eins davon gehört Marcus Forsmoo, der 2018 bereits das pragmatisch betitelte The Snowboard Game herausgebracht hat. Das andere, I-Illusions, zeichnet hingegen für den VR-Titel Space Pirate Trainer verantwortlich.

Mit anderen Worten, Shredders wurde von Kennern und Aktiven für alle Arten von Fans gemacht. Und das wird spätestens dort klar, wo sich die erwähnten Stars nicht mal in den Filmszenen der Story-Missionen doubeln lassen, sondern ihre Rollen glatt selbst vertonen. Sie alle trifft man nämlich, während man versucht einen Startplatz beim heißesten Event des Jahres zu ergattern. Dafür muss man eine Reihe an Herausforderungen bestehen, die zunächst als eine Art Tutorial dienen und später natürlich immer kniffliger werden.

Prachtvolles Weiß: Shredders ist wie ein verspäteter Winterurlaub.

Mal geht es da um Tricks, mal um eine möglichst schnelle Abfahrt und fast immer können selbst wenig Ambitionierte die Aufgaben ziemlich problemlos abschließen. Ich bin meilenweit davon entfernt ein Experte dieser Art Wintersport-, Skateboard- oder ähnlicher Spiele zu sein, hatte in Shredders aber nicht das geringste Problem. Wer Lust drauf hat, dürfte nur an den Bonuszielen jeder Mission etwas länger knabbern. Übermäßig anspruchsvoll sind aber selbst die nicht.

Das liegt auch an der Steuerung, die The Snowboard Game oder Ubisofts Steep sehr ähnlich und damit angenehm eingängig ist. Über das Ziehen des rechten Triggers bereitet man dabei einen Sprung vor, den man beim Loslassen ausführt. Mit den oberen Schultertasten greift man in der Luft dann nach dem Board, während man über verschiedene Richtungen beider Analog-Sticks Spins und andere Tricks ausführt. Zusätzlichen Schwung bringt es, wenn man beim Anlauf schon über den rechten Stick den Körper eindreht und ihn im Moment des Absprungs in die entgegengesetzte Richtung drückt.

Und das war's schon; die restlichen Tasten spielen fürs Sportliche keine Rolle. Klasse ist allerdings die Möglichkeit den eigenen Skater oder die eigene Skaterin unmittelbar vor den letzten Sprung zurückzusetzen. So lassen sich Fehler frustfrei korrigieren, da man nicht den kompletten Lauf wiederholen muss.

In späteren Gebieten sorgen eine komplexere Geometrie sowie Nebel und andere Elemente für einen erhöhten Schwierigkeitsgrad.

Und man ist selbstverständlich nicht auf die Missionen angewiesen, denn wer will, sucht sich einen der zahlreichen Startpunkte aus, um von dort aus in aller Ruhe durch den Schnee zu preschen. Stehen einem zu Beginn noch nicht alle Gipfel zur Verfügung, schaltet man nach und nach weitere Spawns frei und gelangt dadurch schnell auf die reguläre Piste, in eine ebenso neblige wie stark bewachsene Gegend oder auf ein Fabrikgelände.

Schade finde ich nur, dass man zwar auf viele Dächer springen kann, andere Objekte aber nicht mal über keine Kollisionsabfrage verfügen. Durch Metallstützen, auf denen dicke Rohre lagern, "geistert" man deshalb einfach hindurch und auch manch massiver Betonpfeiler kann einem nichts anhaben. Hin und wieder ärgere ich mich außerdem darüber, dass sich die Kamera nicht schnell genug hinter mein Alter Ego dreht, weshalb ich dann nicht sehe, wo es eigentlich lang geht.

Umso mehr mag ich dafür die unaufgeregte Art, mit der FoamPunch seinen Wintersport inszeniert, denn hier gibt es wirklich nur den Berg mit ein paar Rails und Rampen, den angenehm chilligen Soundtrack von Jennifur sowie ein paar Symbole zum Anspringen bzw. drüber Grinden, um neue Farben für Klamotten und Board freizuschalten. Eine mit Schnee bedeckte Winterlandschaft gehört ohnehin zu den schönsten Motiven in und außerhalb des Videospiels und Shredders fängt diese beruhigende Anmut gekonnt ein. Dazu trägt auch bei, dass Sprünge und Tricks nicht maßlos überzogen sind, sondern in ihrer Ausprägung recht bodenständig wirken.

Durch das Aufsammeln solcher Symbole schaltet man Kleidung und Boards frei.

Wenn man es dann noch schafft, während der Missionen die Kommentare der Snowbaord-Stars zu überhören... An denen merkt man doch überdeutlich, dass es sich nicht um ausgebildete Schauspieler handelt. Wenn man nach einer gelungenen Drehung mit einem maximal monotonen "siiiiiiick" in den Schlaf gelullt wird, ist das jedenfalls minimal motivierend. Auch in den Filmszenen - egal ob mit oder ohne die Stars - ist mir der alberne und oft selbstironische Trash ja durchaus sympathisch. Unterm Strich war ich allerdings froh, dass man diese Sequenzen überspringen darf.

Und noch so ein "nett gedacht, aber...": der Multiplayer. Immerhin kann man das Spiel so einstellen, dass man außerhalb der Missionen gemeinsam mit Anderen auf dem Berg unterwegs ist, wahlweise per Cross-play zwischen Xbox und PC. Dabei kommen zwar nicht allzu viele Teilnehmer zusammen, störend sind aber erst die recht häufig starr am Fleck verharrenden "Spieler-Reste" samt der zahlreichen hin und her zappelnden Figuren. Sprich, den aktuellen Netzcode kann mal wohl vergessen. Vor allem fehlt mir aber die Möglichkeit in Highscorelisten gegeneinander anzutreten - von spontan aktivierbaren Rennen mit in der Nähe befindlichen Kontrahenten ganz zu schweigen. Gäbe es das beides, könnte einen das coole Snowboarden nämlich viel stärker auch auf lange Sicht auf den Brettern halten.

Zum Glück kann man die nett gemeinten, aber doch trashigen Filmszenen überspringen.

Shredders - Test-Fazit:

Shredders ist eben ein kleines Spiel, das diese eine Sache richtig gut hinbekommt, drum herum aber Federn lässt. Die magere und fehlerhafte Online-Anbindung ist etwa nicht der Rede wert und auch auf Filmszenen, die man selbst mit verschlossenen Augen und Ohren kaum ertragen kann, wäre der Mantel des Schweigens ganz gut aufgehoben. Und dass man durch etliche Stahlkonstruktionen und viel Mauerwerk einfach hindurch rutscht, stört sogar das eigentliche Snowboarden.

Trotzdem finde ich die entspannte Abfahrt klasse, da die Steuerung ebenso eingängig wie vielseitig ist und die Pisten mit ihren sehr unterschiedlichen Abschnitten sowie gut platzierten Schanzen und Rails alle Wünsche nach Abwechslung erfüllen. Ein schnelles Zurücksetzen vor den letzten Sprung verhindert dabei Frust, während ein paar dutzend Missionen zum Kennenlernen aller notwendigen Finessen motivieren. Alles in allem könnte Shredders also genau dann euer Ding sein, wenn ihr gerne mit ein paar Tricks auf der Sohle zu softer Elektronik dem weißen Horizont entgegen rast.

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