Shure Aonic 50 Gen 2 Kopfhörer im Test: Verknallt in die Frau in meinem Ohr
Shure kann nicht nur Mikros!
Mit dem ersten Koppeln war es um mich geschehen. “Connected” sagt da eine Frauenstimme eigentlich viel zu süffisant, um keine echte Person zu sein. Fast, als würde auch sie sich darauf freuen, was mir bevorsteht, wenn ich den Shure Aonic 50 Gen 2 aufsetze. So viel verschmitztes “Joie de vivre” hängt man normalerweise nicht in eine technische Ansage und wäre die Dame real, ich bin sicher, wir würden uns gut verstehen.
Gut verstanden habe ich mich auch mit dem Kopfhörer an sich: Einen nicht zu funktional aussehenden, ja sogar eher hübschen Bluetooth-Kopfhörer mit ordentlichem aktivem Noise Canceling, nützlicher Software und genug Selbstbewusstsein, sich nicht allzu beiläufig zu Handgepäck degradieren zu lassen. Das ist das, was man hier in der Hand hat, wenn man ihn aus der schönen Transporttasche holt.
Lieferumfang, Verarbeitung und Passform des Shure Aonic 50 Gen 2
Neben diesem Case, das sich hochwertig anfasst, sind ein USB-C-Kabel zum Laden und ein Klinkenkabel für den passiven Betrieb dabei. Der Aonic Gen 2 ist ein geschlossener Over-Ear Kopfhörer und mit mehr als 330 Gramm kein Leichtgewicht. Die Ohrhörer sind um ihre Längsachse drehbar, etwa, wenn man gerade nicht aktiv etwas hört und sie nur um den Hals hängen hat. Dafür muss man aber ein wenig Kraft aufwenden. Auch falten kann man sie nicht, sollte euch das wichtig sein.
Die Materialien sind durchweg sehr gut gewählt, der Bügel besteht im Kern aus Metall, die Hörer vermutlich aus einer Art Vinyl, das leicht angeraut ist und sehr wertig wirkt. Das Lederimitat am Kopfband ist handschmeichelnd und optisch ansprechend, die Kopfband- und Ohrpolster schmiegen sich angenehm weich an Oberkopf und Ohren beziehungsweise Schläfen. Das müssen sie auch, denn dieser Shure klammert ansonsten ganz ordentlich. Das ist eventuell nicht für jedermann, ich konnte damit sehr gut leben und hatte keine Probleme, ihn länger zu tragen.
Das ist sicher auch ein Grund, dass die passive Isolation (in beide Richtungen) nicht von schlechten Eltern ist. Manchmal wusste ich aufs erste Hören nicht, ob das aktive Geräuschdämmung angeschaltet war. Insgesamt weckt der Aonic 50 Gen 2 sehr wohl den Eindruck eines hochwertigen Hi-Fi-Geräts. Allein die nichts zwangsläufig eleganten Mikrofon-Bohrungen an der Vorderseite links wie rechts sowie die vielen Steuerelemente an dem rechten Lauscher verraten, dass wir es hier eher mit etwas gediegenerer Consumer-Hardware zu tun haben. Und nennt mich ruhig pingelig – denn das ist wirklich eine Kleinigkeit, aber mein Gehirn registriert sie durchaus, diese ein, zwei Stellen, an denen die Nähe nicht komplett gerade sitzen.
Der Funktionsumfang vom Aonic 50 Gen 2: ANC, Codecs und Software
Besonders lobenswert fällt direkt die Bandbreite an Codecs auf, die der Kopfhörer mitbringt. aptX, aptX HD und vor allem das neue aptX Adaptive, das per Qualitätsmodus oder auch mit niedriger Verzögerungszeit in einem Low-Latency-Modus angesteuert werden kann (einen entsprechenden Sender, wie zum Beispiel den Creative BT W-5 vorausgesetzt), machen den Aonic 50 Gen 2 zu einer guten Wahl auch für Videospieler. Neben den standardmäßigen AAC und SBX wird zudem auch Sony’s LDAC unterstützt. Wer es verkabelt mag, nutzt das mitgelieferte Klinkenkabel. Per USB-C streamt ihr Musik sogar mit bis zu 32 Bit/384 kHz.
Die Bluetooth-5-Verbindung schafft auch Multipoint, das man in der App zwischen “Dynamisch” und “Statisch” umstellen darf. Der dynamische Modus sprach beim Wechsel zweier Quellen extrem schnell an, etwa wenn man erst auf dem PC einen Tidal-Track hört und dann auf dem Smartphone einen anderen startet. Ein im Browser am Rechner gestartetes Youtube-Video schien den Wechsel der Quellen dagegen leider nicht anzuregen. Ich blieb dennoch bei der dynamischen Einstellung.
Der Equalizer der App ist vorbildlich (dazu später mehr), während die Spatializer-Settings Musik, Kino und Podcasts eine einfache Individualisierungsmöglichkeit bieten sollen. Wo bei Musik und Kino die entsprechenden Medien durchaus lebendiger klingen, hörten sich zum Beispiel politische Kommentatoren auf Youtube mit zugeschaltetem Raumklang nie ganz richtig an. Wer häufig zwischen verschiedenen Medien wechselt, lässt vielleicht besser die Finger von der Einstellung – oder lässt die App griffbereit im Hintergrund offen.
Sehr gut hat mir der Schieberegler zwischen ANC und Umgebungsmodus gefallen, deren Intensität man unabhängig voneinander in der App sehr fein einstellen darf, sollte man allergisch auf das Grundrauschen sein, dass beide Technologien mitbringen können. Mit der sensiblen Justierung dürfte jeder einen angenehmen Kompromiss zwischen Noice-Cancelling und Hörgenuss finden.
Ein Feature, das ich von jetzt an gerne in jedem anderen Unterwegs-Kopfhörer sähe, nennt sich “Pause Plus”. Schaltet ihr das ein, wechselt der Shure sofort in den Umgebungsmodus, sobald ihr das Playback anhaltet. Das ist fast so logisch, dass es wehtut. Denn oft, wenn man pausiert, tut man das selbstverständlich, weil man kurz Ruhe braucht, um zum Beispiel auf jemand anderes oder Geräusche in der Umgebung zu reagieren. Ein weiteres cooles Feature sind die bis zu 45 Stunden Akkulaufzeit und mit nur 15 Minuten Schnellladen ist der Aonic 50 Gen 2 wieder für fünf Stunden fit.
Wie klingt der Shure Aonic 50 Gen 2?
Herzhafte, wohlklingende Bässe, prominente Höhen und ein bis hin hohe Lautstärken hinauf pegelfestes Klangbild wecken einen soliden ersten Eindruck eines Kopfhörers der nichts zu verbergen hat. Allerdings sind dadurch die Mitten weit weniger präsent als ich sie gemeinhin mag. Mit dem Equalizer der App (wohlgemerkt nicht den Presets des EQ, von denen nur wenige wirklich brauchbar waren) behob ich das Problem allerdings binnen weniger Minuten und war fortan sehr zufrieden damit, wie der Aonic 50 Gen 2 sich anhörte. Im Grunde brachte er dann intimen Singer-Songwriter Kram einer frühen Sharon van Etten ebenso zerbrechlich auf die Muscheln, wie er dichtere Stoffe wie Andrew Birds Break it yourself in seiner aufwühlenden Intensität ganz abbildete.
Schweren Post-Rock mit wandhohen Gitarren (Oceansize) federt der Aonic ebenso nachvollziebar auf, wie er die “dicke Hose” von Metallicas schwarzem Album an beiden Beinen kraftvoll durch meinen Gehörgang zieht. Ich bin nicht sicher, ob das schon echter Genuss ist, über den auch Hi-Fi-Fans ins Schwärmen kämen, aber es ist die Sorte von solide – noch dazu in dem kompetitiven 400-Euro-Segment –, der man einigen Respekt entgegenbringt. Ein Allround-Arbeitstier eben, kraftvoll und geschult in dem, was es tut, gibt es sich keine Blöße.
Shure Aonic 50 Gen 2 – Fazit:
Ja, man muss schon sagen: Dafür, dass sonst alle Welt in diesem Bereich gefühlt nur von Bose oder Sony spricht – was nachvollziehbar ist – überzeugt der Shure Aonic 50 Gen 2 in überraschend vielen Bereichen als vollumfänglich zufriedenstellende Alternative. Vor allem mit seiner Anschlussfreudigkeit – sowohl über Codecs als auch zweierlei Kabel – und seiner Anpassbarkeit dank einer Software, die offenbar an alles gedacht hat, überzeugt dieser hübsche Kopfhörer. Das ANC verrichtet seine Arbeit ausgezeichnet, während smarte Features wie "Pause Plus" und die kecke Ansagerin für ein Produkt sprechen, das mit einiger Freude an Kopfhörern entworfen wurde. Gut gemacht!
Shure Aonic 50 Gen 2 | |
---|---|
PRO | CONTRA |
|
|