Sid Meier's Civilization Revolution
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Revolution = Veränderung, Wandel, Neuerung, Umbruch. Sollte man eigentlich meinen, so kennen sicher die meisten von Euch dieses Wort. Ich auch. Zumindest bis vor kurzem, bevor ich Sid Meier's Civilization Revolution spielte. Nach einigen Runden fragte ich mich dann doch, ob ich die Definition dieses Wortes richtig im Kopf hatte und schlug es mal nach.
Offensichtlich ist Sid ein ganz Schlauer. Als er an die Benennung seines neuesten Werkes ging, scherte er sich nicht darum, wofür das Wort Revolution heute so steht. Die alte Bedeutung kommt von „revolutio“. Das ist lateinisch und bedeutet „das Zurückwälzen“ oder „die Umkehr“. Und das passt hier perfekt.
Sid Meier's Civilization Revolution schaut in die Vergangenheit und vollführt eine Umkehr, ein Zurückwälzen zu ältesten Tagen, lange vor den Schwergewichten Civilization 3, Civilization 4 und all ihren Add-Ons. Genaugenommen zurück bis nach 1992, als Sid das vielleicht beste Rundenstrategiespiel aller Zeiten erdachte.
Damals wie heute startet Ihr mit einer einzelnen Einheit von Siedlern irgendwo in einer unbekannten Welt. Das Jahr ist 4000 vor Christus, die Höhle wurde frisch verlassen, ein paar Hütten bilden die Kernzelle der ersten Stadt und Eures späteren Imperiums. Die ersten Kämpfer sind ein paar fellbehangene Keulenkrieger. Sie erkunden rundenweise die Umgebung und räuchern ein paar Barbaren aus, die eigentlich fast zivilisierter wirken als Euer wilder Haufen.
Wenig später verlassen Siedler Eure inzwischen ein wenig gewachsene Stadt, einige Felder weiter sieht die Landschaft vielversprechend aus. Satte Wiesen, Erze in den Bergen. Hier lässt es sich aushalten, die zweite Stadt wird gegründet. Die Jahrhunderte ziehen ins Land, neue Orte kommen dazu, die Umgebung wird kultiviert, neue Ideen wie Schreiben oder Religion erkundet und angewandt. Tempel, Kasernen und Speicher entstehen. Das Militär macht inzwischen einen geordneten Eindruck. Bessere Waffen helfen dabei.
Und vermitteln ein beruhigendes Gefühl, sobald der erste Mitbewerber um die Weltherrschaft an die Tür klopft. Caesar, Katharina die Große oder Gandhi suchen Audienz und wollen vielleicht handeln, Ideen und Technologien austauschen. Oder sogar einen Krieg anzetteln. Ihr verhandelt und schlittert dabei in den ersten Konflikt. Die Produktion wird umgestellt, die Herrschaftsform vom Despotismus zur Monarchie gleich mit. Nach einigen Scharmützeln nehmt Ihr eine feindliche Stadt ein, irgendwann wird Frieden geschlossen. Weiter geht es durch die Jahrhunderte mit Kriegen, Eroberungen, Entdeckungen, Siegen und Niederlagen.
Das war 1992 so und Revolution vertraut genau auf dieses, im Vergleich zu den nummerierten Nachfolgern fast schlichte, reine Konzept. Revolution begibt sich auf die Suche nach den Wurzeln und findet sie nach einer gründlichen und sicher von harten Taktikern nur begrenzt begrüßten Entschlackung. Diese schätzten es, die Kartengröße auf maximal einzustellen, riesige Landmassen, monströse Barbarenhorden zu ordern und sich dann für eine Woche Urlaub nehmen zu müssen. Dieses Vergnügen suchen sie hier vergeblich.
Der Weg von Höhlenmalerei zu interstellarer Raumfahrt dauert jetzt nur noch wenige Stunden. Die Größe der Welt lässt sich nicht frei bestimmen, sie wurde zwangsgeschrumpft. Die Verteilung von Wasser zu Land ist vorgegeben. Ihr klickt auf Start, wählt einen von fünf Schwierigkeitsgraden und dann ein Volk - alle mit eigenen kleinen Vorteilen in jeder Ära. Diese unterteilen sich in Frühzeit, Mittelalter, Industrialisierung und Moderne.
Als Mongole erhaltet Ihr zum Beispiel den Vorteil, dass die Barbaren zu Beginn Euch gegenüber Sympathien hegen, später gibt es Boni für Eure Kavallerie oder beim Bergbau. Und zum Schluss bekommt Ihr gratis den Kommunismus dazu. Wahrscheinlich ein China-Import. Die Russen müssen zwar ohne Kommunismus leben, dafür verfügen sie über mehr Nahrung, loyalere Truppen, halbierte Kosten auf die Gewehrproduktion. Spione heuern sie ebenfalls zum halben Preis an. Mit Liebesgrüßen aus Moskau. Die Vorteile wurden gut gewichtet und keines davon ist ein solches Killerfeature wie die zwei Siedlereinheiten der Römer im Originalspiel.
Das wars, anschließend geht’s los. Editoren und andere Konfigurationsmöglichkeiten sind nicht vorhanden. Konntet Ihr früher riesige Karten mit kleinen Inselwelten austesten oder eine Art Pangaea zur Spielwiese machen, müsst Ihr diesmal sehen, was auf Euch zukommt. Und das ist immer recht klein, übersichtlich und mit einem gesunden Verhältnis von Land zu Wasser ausgestattet.
Darauf lässt es sich jedoch prima spielen. Ich hatte in meinen Runden nie das Erlebnis, dass ich mit drei Zivilisationen zusammen auf einer winzigen Insel hockte, während eine andere irgendwo auf einem Superkontinent ungestört ein Imperium ins Leben rief. Auch die Verteilung der Rohstoffe fällt wesentlich fairer aus, zumal die Wichtigkeit dieser nicht mehr ganz so dramatisch ist. Ihr dürft auch das Industriezeitalter betreten, ohne auf einem großen Haufen Kohle zu sitzen.
Die Kehrseite der Medaille bleibt natürlich erhalten. Beinharte Civilization-Fans werden über diesen emanzipatorischen Rückschritt nicht nur die Nase rümpfen, sondern sich wohl sogar angewidert abwenden. Es gibt Gruppen, die eigene Einheiten basteln, kilometergenaue Europakarten entwerfen und lange Diskussionen über die Gewichtungen eines T-82 Panzers zu einer römischen Legion führen. Gehört Ihr zu diesem Klientel, nehmt Ihr Revolution entweder als Urlaub vom harten Civ-Alltag mit oder akzeptiert, dass diese Runde sich nicht an Euch, sondern an den ganz großen Massenmarkt richtet. Customizing wird hier klein geschrieben.