Signalwirkung für Sportspiele: NBA 2K16 und die Zusammenarbeit mit Regisseur Spike Lee
"Do the right thing", Sportspielhersteller!
Nun ist also auch das nächste NBA 2K ein "Spike Lee Joint" und reiht sich damit mehr oder weniger nahtlos in die Filmografie eines der kontroversesten und politisch engagiertesten Regisseure der Neuzeit ein. Sicher, heiße Sozialthemen zwischen Arm und Reich, Straße und Establishment, Schwarz und Weiß wird NBA 2K16, wenn überhaupt, wohl nur mit spitzen Fingern anfassen, und es ist vermutlich besser so. Aber man kommt nicht umhin, dies hier als eine der interessantesten intermedialen Zusammenarbeiten zu begreifen, die man in diesem Feld bisher erlebte.
Derartige Crossover gibt es seit einer ganzen Weile und selten sind sie wenig mehr als werbewirksames Namedropping. Das beginnt ganz nett und harmlos mit dem von Hip-Hop-Star Pharrell Williams kuratierten Soundtrack zum letzten NBA 2K, wird dann befremdlich, wenn Snoop Dogg für Tekken wirbt, und bleibt immerhin lustig, wenn Justin Roiland die Adult-Swim-Cartoon-Stars Rick and Morty Dota 2 kommentieren lässt. Der Mehrwert für die Spiele im eigentlichen Sinne hält sich aber in jedem Fall in engen Grenzen. Und genau das könnte diesmal anders sein.
Zugegeben, ich habe NBA 2K16 noch nicht gespielt, und nächste Woche werde ich euch sagen können, ob ich diese Zeilen komplett umsonst geschrieben habe. Aber für den Augenblick finde ich den Gedanken unerhört aufregend und die Ankündigung alleine schon ein wichtiges Zeichen für die so drögen und anonym wirkenden Karrieremodi, die Sportspiele für gewöhnlich so auffahren. Visual Concepts sagt hier: "Schaut her, wir wissen, was wir noch besser machen können" statt "Welcher Künstler ist gerade angesagt und macht sich gut auf der Packung und in Werbespots?"
Denkt mal darüber nach: Der Karrieremodus - die Geschichte eures eigenen Spielers von der High-School bis zur NBA, entstanden unter Mitautorenschaft oder zumindest dem kontrollierenden Einfluss einer der markantesten Stimmen des amerikanischen Kinos. Was kann uns da bevorstehen? Die NBA-2K-Reihe stellt seit Jahren auch so schon eine der interessanteren Karrieren im Sportspielsegment. Schon länger gibt es Zwischensequenzen und Multiple-Choice-Dialoge mit Mitspielern, Managern und Wegbegleitern, kürzere und längere Plotfäden, die sich hier und da überschneiden. Aber es war alles immer zu klischeevoll geskriptet und behelfsmäßig dargeboten. Trotzdem waren selbst diese Ansätze immer persönlicher und spannender als die beliebigen Tabellenkalkulationen, die in anderen Sporttiteln als virtuelle Spielerlaufbahnen herhalten müssen.
Spike Lees Beitrag, sofern er sich kommende Woche als messbar herausstellt, könnte diese Stärke an den richtigen Stellen ausbauen und Visual Concepts für die kommenden Jahre ebenso wichtige Impulse geben wie der Sportspielbranche als Ganzes. Es ist ein alter und schon damals nicht besonders guter Dauerscherz unter Spieleredakteuren, dass "das neue Sportspiel X ja ganz gut ist, aber die Story...", doch mich beschäftigt der Gedanke eines Karrieremodus von jemandem, der sich mit Dramaturgie und Erzählmitteln auskennt, tatsächlich schon länger. Und Lee ist als Dauergast am Court-Rand der New York Knicks eine Wahl, die eigentlich zu gut ist, um wahr zu sein. Der erste Trailer zur Geschichte (siehe unten) ist vom Ton her bereits spürbar finsterer und besser gespielt als alles, was bisher von 2K kam. Man merkt, hier war jemand vom Fach am Werk.
Ob Spiele wie dieses überhaupt eine Geschichte brauchen, darüber scheiden sich auch nach diesem Spiel sicher weiter die Geister. Ganz wie die Realweltvorlage, die sie abbilden, stützen sich Sportspiele für gewöhnlich allein auf ihr Regelwerk sowie die Interaktion mit Spielgerät und Akteuren. Dieser Fokus ist gut und richtig gesetzt, immerhin entstehen auf dem Platz einige der coolsten Geschichten wie von selbst und die systemische Reinheit der besten Spiele dieser Gattung war schon immer bewundernswert. Aber - und das hat Visual Concepts mit seinen ersten Versuchen in Sachen "Erzählung im Sportspiel" schon ganz richtig erkannt - wenn man zwischen dem Ballgeschmeiße noch eine ganz persönliche Geschichte erzählt, verleiht man den prinzipiell auf stumpfer Wiederholung basierenden, zentralen Spielzyklen wertvollen Kontext.
Das Projekt "virtuelle Karriere" fühlt sich dadurch - wenn es gut erzählt ist - weit mehr wie eine lange, bewegte Laufbahn mit Höhen und Tiefen an, statt wie eine fast endlose Serie von Spielen mit euch als topscorender Double-double-Maschine, die nur allzu schnell miteinander zu verschwimmen drohen. Ich freue mich, in den kommenden Tagen zu erfahren, ob und wie Spike Lees Einfluss den Unterschied machen wird, und wenn ja, welche Wellen das in der Branche schlägt.