Silent Hill 2: Das Remake sieht genau so aus, wie ihr euch an das Original erinnert
Gleich und doch verschieden.
Das Verflixte an den alten Spielen ist doch, dass man sie so in Erinnerung behält, als hätte man sie gestern erst angefangen. Mit irgendeinem coolen Trick schafft es der Kopf, die Grafik, den Ton und das komplette Spielgefühl von damals so zu konservieren, dass das Bild im Geiste ständig auf den jeweils aktuellen Stand der Technik gepatcht wird – bis man den geliebten Gruselklassiker dann mal wieder aus der Mottenkiste hervorholt und beim Anblick seiner schrecklich altmodischen Klötzchengrafik die Hände überm Kopf zusammenschlägt.
So ähnlich ging es mir jedenfalls, als ich für diese Vorschau noch mal Silent Hill 2 gespielt habe. Klar erkennt man da, warum der Horror-Oldie vor mehr als 20 Jahren wegweisend war: groteske Gestalten, die sich im Nebel verstecken, ein ebenso wehmütiger wie verstörender Soundtrack und natürlich eine Geschichte, die mehr mit Einem macht, als von genetisch kreierten Zombies zu erzählen. Das ist ja alles noch da.
Gleichzeitig ist das starre Panzersteuern aus der Vogelperspektive aber regelrecht unbequem und das müde Schwingen der Holzlatte eher albern als angsteinflößend. Bei allem Respekt dafür fällt es nicht schwer zu erkennen, warum Konami seinen wegweisenden Klassiker dieser Tage neu auflegen lässt – von Bloober Team übrigens, das unter anderem für Layers of Fear und The Medium verantwortlich zeichnet.
Die Sache ist nämlich die: Auch gute Remakes beherrschen diesen Trick, die Grafik, den Ton und das komplette Spielgefühl von damals so zu konservieren, dass das erneuerte Spiel modernen Ansprüchen genügt. Und nachdem ich vier Stunden damit verbringen konnte, bin ich mir sicher, dass Silent Hill 2 ein solch gutes Remake werden könnte! Denkt an Dead Space, System Shock, Resident Evil 4 oder ähnliche Neuauflagen, die ihre Originale zwar verändern, gleichzeitig aber auf den ersten Blick noch als das gleiche Spiel erkennbar sind. In diese Kerbe schlägt auch Silent Hill 2.
Das wird gleich in den ersten Sekunden klar, wenn James an einer abgelegenen Raststätte über den Brief nachdenkt, den er angeblich von seiner verstorbenen Frau erhalten hat. In dem verschlafenen Ort Silent Hill soll sie sich befinden. Also ist er auf dem Weg dorthin und muss nur noch ein paar Schritte durch den Wald, an einer Kirche mit Friedhof und der alten Ranch vorbei machen, um dort anzukommen.
Ein ganz neuer Blick
Da ist sein Gesicht zum ersten Mal als das eines zeitgemäßen Videospielcharakters zu erkennen und wenn er die Tür nach draußen aufstößt, spiegelt sich vom Wind verwehtes Laub in kalten Pfützen. An einem Strommast flattern schlecht geklebte Seiten aus Papier und dass Silent Hill irgendwo hinter dem dichten Wald im Hintergrund liegen muss, ahnt man selbst, falls man nie dort gewesen ist.
Man folgt James jetzt per Schulterblick, anstatt ihn aus der Vogelperspektive zu verschieben. Türen und Tore dienen als nahtlose Übergänge, falls dort nicht gerade eine Filmszene eingeleitet wird. Und was mir sehr gefiel: Wenn man auf dem Friedhof vor der Kirche auf Angela trifft, dann ist der Dialog mit ihr grundlegend zwar der gleiche. Die Sprache der Figuren wirkt aber natürlicher, weniger gestelzt und vor allem gibt Angela nun verschiedene, diesmal nachvollziehbare Antworten, falls man sie danach noch einmal anspricht.
In Silent Hill dann die bekannten Häuser auf dem vertrauten Grundriss – nur dass der Nebel, so wie er heute durch die Umgebung kriecht, um einiges gespenstischer wirkt. Und mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Ort mehr als eine Tapete ist, da erstaunlich viele Geschäfte, Bars und andere Räume begehbar sind.
Richtig gelesen: Es gibt zahlreiche neue Räume und auch neue beziehungsweise veränderte Aufgaben, die James im Remake dort erledigen muss, bevor er den Schlüssel für das vertraute Apartment-Haus erhält. Das überarbeitete Silent Hill ist ein plastischer, glaubwürdiger Schauplatz, an dem James Scheiben einschlagen kann, um in Gebäude hereinzukommen. An einigen Stellen kriecht er durch flache Öffnungen oder klettert auf beziehungsweise über Hindernisse. Später zwängt er sich zwischen schmalen Aussparungen hindurch und zerschlägt den morschen Mörtel schwacher Wände.
Er tut das nicht nur, um den richtigen Weg zu finden. Er gelangt so auch an Gegenstände zum Lösen kleiner Rätsel sowie Heilmittel für im Kampf zugezogene Verwundungen – manchmal in einem versteckten Raum, den man als Geheimnis werten kann. Tatsächlich erinnert das Erkunden und Durchsuchen der Schubladen und Regale ein wenig an The Last of Us. Auf jeden Fall lohnt es sich also, dass man sich den überall herumschlurfenden Gestalten stellt, um die Gesundheit wiederherzustellen oder einfach nur etwas mehr über Silent Hill zu erfahren.
Tretet lieber noch mal nach!
Es lohnt sich schon deshalb, weil der Kampf wesentlich spannender ist als aus heutiger Sicht im Original. Immerhin agieren die Kreaturen jetzt vielseitiger, während James nicht nur krude ein Stück Holz schwingt, sondern damit auch deutlicher die am Boden kriechenden Wesen direkt attackiert oder mit brachialer Dead-Space-Sohle auf sie tritt. Er kann einen schnellen Schritt zur Seite oder nach hinten machen und hat das alles auch nötig, weil die Biester ähnlich aggressiv zur Sache gehen.
Etwas skeptisch bin ich zwar in Bezug auf ihre Angriffsmuster, da die doch sehr vorhersehbar sind, sodass ich mir recht schnell nur noch genau ansehen musste, was sie gerade vorhatten, um daraufhin den entsprechenden Konter auszulösen. Als dann allerdings vermehrt zwei oder gar drei Gegner vor mir standen, funktionierte das schon nicht mehr. Da war ich irgendwann froh, einen oder zwei davon zunächst per Pistole auszuschalten und ganz ehrlich: Ich habe immer noch mal auf die toten Wesen drauf getreten, um sicher zu gehen, dass sie nicht doch wieder davonkriechen, um erneut anzugreifen.
Das hat richtig Spaß gemacht, zumal die Gestalten freilich auch aus dunkeln Ecken hervorstoßen oder wie die fiesen Mannequins lange regungslos im Raum stehen, bevor sie im Licht der flackernden Taschenlampe plötzlich zucken und sich auf James zu bewegen oder in einem anderen Schatten verschwinden.
Denn noch etwas bekommt Bloober Team richtig gut hin: Der Sound ist erneut hervorragend! Ganze neun Stunden an Musik befinden sich in dieser Neuauflage; neu komponiert beziehungsweise überarbeitet von Akira Yamaoka oder unter seiner Aufsicht. Flüstern, Rascheln und Schritte begleiten James aus allen Richtungen – so unregelmäßig, dass ich nie wusste, wann mich der Ton vor einem Gegner warnt oder einfach nur ein mulmiges Gefühl erzeugen soll. Da schwillt schon mal de Musik an, ohne dass überhaupt etwas passiert, was einen auffallend mulmige Unruhe erzeugt.
Ein verrücktes Wochenende in Silent Hill
Im Grunde gibt es nur einen Aspekt, von dem ich nach dem Spielen der frühen Version nicht vollends überzeugt war, und das ist die Tatsache, dass auch die Inszenierung zwar vollständig modernisiert wurde, dass aber niemand wirklich das krasse Szenario kommentiert, in dem sie sich James und die anderen Personen befinden.
Ich meine: Da kreuchen abstruse Kreaturen durch eine vermeintlich doch normale Kleinstadt, auf deren Straßen aber Leichen liegen – und das ist alles erst der Anfang. Die Bemerkung, dass da „irgendwas nicht zu stimmen scheint“, ist mir in der heutigen Zeit einfach zu wenig, um eine Figur auf glaubwürdige Art in einem solchen Albtraum zu verorten.
Abgesehen davon kann es passieren, dass sich James mit Eddie über eine Leiche unterhält, die er in meinem Spiel noch gar nicht gesehen hatte. Das ist nicht allzu ärgerlich, trotzdem hätte ich mir an dieser Stelle eine Variation im Text oder eine besser geführte Reihenfolge direkt davor stattfindender Ereignisse gewünscht.
Im Gegensatz dazu gefielen mir die Rätsel, von denen einige zumindest im Wesentlichen natürlich vertraut, andere aber auch neu waren. Vieles dreht sich dabei um das Verstehen kleiner Hinweise und in einem Fall hatte das gar etwas Lyrisches an sich, ohne irgendwie verkopft zu sein.
Interessant finde ich dabei, dass man die Schwierigkeit der Rätsel vor Beginn des Ausflugs nach Silent Hill ebenso in drei Stufen wählen kann wie unabhängig davon auch die der Kämpfe. Um mit der Vorschau halbwegs flott voranzukommen, hatte ich mich jeweils für die jeweils reguläre, mittlere Einstellung entschieden, und beide als sehr anständige, aber auch machbare Herausforderungen empfunden.
Vorbildlich ist nicht zuletzt, dass man das Spiel über zahlreiche Einstellungen an verschiedene Vorlieben anpassen darf, und dass man auf PlayStation 5 die Wahl zwischen einem Qualitäts- und einem Performance-Modus hat. Für mich kam nur Letzterer infrage, auch wenn manche Spiegelungen in einigen der Pfützen dadurch recht krümelig und unruhig wirkten. Abgesehen davon kann man die Farbgebung auf „90’s“ stellen, um das Bild in Anlehnung an das Original in ein auffallendes Grau zu tauchen.
Die Zukunft kann kommen
Bloober Team hatte im Vorfeld mal gesagt, dass die Spieler mit dieser Neuauflage sehr zufrieden sein dürfen, nachdem die letzten Spiele des Studios nur eingeschränkt zu begeistern wussten, und ich habe Lead Producer Maciej Glomb deshalb nach dem Anspielen gefragt, woraus die Entwickler dieses Selbstvertrauen ziehen. Seine Antwort: Es liege daran, dass sich Bloober sowohl technisch als auch inhaltlich ständig weiterentwickelt hat, um mit Silent Hill 2 schließlich ein Spiel zu erstellen, das quasi alle Bausteine dessen enthält, was guter Horror dieser Bauart nötig hat.
Und wenn ich auf den Einstieg, auf diese ersten vier Stunden zurückblicke, dann ist das Vertrauen in seine Neuauflage absolut berechtigt. Denn sowohl grafisch als auch akustisch erwartet euch ausgesprochen stimmungsvoller Grusel, während das nach wie vor vertraute Erkunden der finsteren Kulissen so erweitert wurde, dass es auch dank des modernen Kampfsystems fesselnd ist, noch tiefer darin einzutauchen – um zum Schluss übrigens nicht nur den bekannten Ausgang der Geschichte, sondern auch ganz neue zu erleben. Ich freue mich jedenfalls sehr auch auf den Rest dieses neuen alten Silent Hill 2! Denn nach dem, was ich bis jetzt gesehen habe, hätte ich nichts dagegen, neben dem Original auch dieses Remake lange in Erinnerung zu behalten.