Silent Hill: Downpour - Vorschau
Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser? - Zu tief und du bist schon weit draußen...
Nach der letzten Gamescom war ich ja schon guter Dinge, was den kleinen "Reboot" von Silent Hill, Silent Hill Downpour, anging, aber nach dem ersten Drittel des Spiels weiß ich es. Ich kann mich noch vor einem Spiel fürchten. Nachdem er in Teil 5 fast vollständig fehlte, gibt es ihn also doch noch, diesen alten Silent-Hill-Reflex, sich vor jedem Schritt ins Unbekannte zu ängstigen, obwohl eigentlich gar nicht viel passiert. Wie wundervoll! Was hab ich schlecht geschlafen letzte Nacht.
Und das ist eigentlich immer ein richtig gutes Zeichen für ein Horror-Game, zudem für eines, auf das ich lange warten musste. Diese innere Unruhe, nachdem der TV einige Stunden lang eine Mischung aus dezent eingesetzten Schock-Effekten und einer schlicht beunruhigenden Umgebung zeigte. Schlechte Träume, an die man sich nicht mehr so genau erinnert. All das, was man normalerweise eine schlechte Nacht nennen würde, aber für das man eigentlich ja auch bezahlt, wenn man Horror kauft. Silent Hill kann es noch.
Was ist jetzt anders im Gegensatz zu den Vorgängern, die Stück um Stück abbauten? Erst einmal ist die Prämisse klassisch und nicht so unnötig verwirrend wie in the Room. Der "Held" - wieder mal ein loser Begriff im Rahmen von Silent Hill - gerät in die Nähe des berühmte Örtchens und seltsame Dinge geschehen. Dies passiert weit geschickter aufgebaut und ausgekostet, als es im banalen Homecoming der Fall war. Nicht so schwermütig wie in Teil 2, sucht Downpour für den Start den klassischen Horror.
Dass dies alles eine tiefere Bedeutung für den Helden hat, der wie jeder andere in Silent Hill seine eigenen Dämonen bekämpft, zeichnet sich bis zu dem Punkt, an dem ich derzeit bin, langsam ab. Bis dahin jedoch scheint es erst einmal eine Art Alan Wake auf noch mehr Horrortrip zu sein. Das Einstiegszenario außerhalb der Stadt wurde gut gewählt und verhindert das zu schnelle Hineinstolpern in die bekannte Kleinstadt. An dem Punkt, als man das erste Mal Silent Hill betritt, werdet ihr dankbar dafür sein. Nicht zu lange, denn Sicherheit gibt es hier auch nicht viel zu finden. Die beiden wechselnden Szenarios befreien jedoch von viel Ballast, mit dem bisher alle Nachfolger zu kämpfen hatten. Außer The Room vielleicht.
Ein echtes Problem des Vorgängers Homecoming wird hier auf eine Weise angegangen, die so nur in Silent Hill funktionieren kann, weil das Problem definitiv serienexklusiv sein dürfte. Das Kampfsystem war zu gut. In Homecoming gab es Lock-Ons auf die Gegner, schnelle, elegante Ausweichmanöver, viele Schusswaffen. Die Feinde ließen sich wie einem Action-Game bekämpfen und verloren, da ein halbwegs geschickter Spieler ihnen haushoch überlegen war, schnell ihren Schrecken. Die ganz neutral betrachtete Qualität des Spielens der Kämpfe hat sich in Downpour verschlechtert. Aber es war das Beste, was dem Spiel passieren konnte.
Es soll hier keinen Spaß machen zu kämpfen. Der Held soll kein starker Überflieger sein. Er soll, gerade gegen eine Übermacht, sein Heil in der Flucht suchen, statt voller Enthusiasmus Massenschlachten auszutragen. Um dieses Gefühl zu erreichen, braucht man kein System, das den Spieler im Kampf praktisch tanzen lässt, sondern eines, das die Figur stolpern und auch mal verfehlen lässt. Kein sicherer Lock-On, kein schnelles Abrollen und Kontern zwischen zwei Dämonen hindurch. Das war nie der Sinn von Silent Hill. Homecoming machte es falsch, Downpour nun richtig.
Das soll nicht heißen, dass der Kampf unspielbar wäre. Die eigene Figur ist halt nur kein Shaolin-Mönch mit einer Eisenstange in der Hand, sondern ein ganz normaler Typ, der damit auf ein sich schnell bewegendes Ungeheuer aus den niederen Vorhöllen eindrischt. Er soll unterlegen sein und in diesem Zusammenhang stimmt hier die Balance aus Bewegungen, die Spaß machen, zu spielen und der Unterlegenheit der eigenen Figur. Ihr wollt in Downpour nicht kämpfen, wenn es nicht sein muss. Aber aus genau den richtigen Gründen.
Überhaupt ist es eine Rückkehr zu einem dezenten Auftreten. Dem ersten und zweiten Silent Hill gelang es über weite Strecken ohne ernsthafte Kämpfe oder eine echte spielerische Game-Over-Gefahr eine Atmosphäre einer tiefgehenden, unbestimmten Bedrohung und des Unwohlseins im Spieler aufzubauen. Das, indem sie eben nicht alle zwei Meter ein Monster hinsetzten, sondern sparsam mit Effekten und viel mit Sounds arbeiteten. Wiederum, genau dies gelingt Downpour. Das erste Monster taucht erst nach langer Zeit auf, sogar erst nach dem ersten Wechseln in die ebenso dezent eingesetzte, inzwischen ja berühmte, Parallelwelt aus Stahl, Maschinen und Rost. Aber keine Sorge, wohl fühlt ihr euch nie, das sollt ihr auch nicht. Ihr sollt Angst haben, ein Gebäude zu betreten. Und werdet sie haben. Warum eigentlich? Ist doch nur ein altes Restaurant am Straßenrand. Was soll schon sein? WAS WAR DAS FÜR EIN GERÄUSCH?! Eigentlich nichts, trotzdem seid ihr kurz zusammengezuckt.
Downpour ist auch eine Rückkehr zu kleinen, unheimlichen Szenen, die nicht immer in direktem Zusammenhang mit der Geschichte stehen. Räume, die genau das ausstrahlen, was auch immer es ist, das in einem Menschen Beklemmung auslöst. Dabei hilft auch die Zurückhaltung mit Schusswaffen und Licht. Homecoming, aber auch The Room waren viel zu hell, viel zu weitläufig. Downpour gibt euch streng begrenzte Ressourcen. Waffen, an denen ihr keinen Mangel habt, sind Steine auf dem Boden, ein Brett oder euch mal eine Axt, aber diese halten nie zu lange und ihr fühlt euch mit ihnen, wie ihr es sollt. Verletzlich und schwach gegen das, was die Hölle in diese Stadt gespuckt hat.
Diese Schrecken sind augenscheinlich auch endlich wieder Repräsentation der tiefsten Ängste und Schuldgefühle des Helden. Hier geht es gegen ganz persönlichen Dämonen. Ob das hier in jedem einzelnen Fall zutrifft oder ob manche Monster einfach nur Monster sind, da bin ich mir noch nicht sicher, aber es gibt weder Pyramidenkopf noch Krankenschwestern.
Ein erster Blick auf die Rätsel zeigt, dass sich ihre Dichte im Vergleich zu Homecoming erhöht hat und dass ihr für die meisten euren Kopf brauchen werdet. Für manche gibt es sogar verschiedene Herangehensweisen. Geduldiges Ausprobieren führt zum Ziel, Nachdenken oder Erforschen. Keines war bisher ein ganz großer Aha-Moment, keines enttäuschte wirklich. Für ein Survival-Horror-Game sind sie schlüssig genug - logischer als so manches aus Resident Evil - und unterhaltsam.
Was mich jedoch störte ist ein Umstand, der nicht Downpour-exklusiv ist. Häufig genug tat ich etwas, was keinen Sinn in dem Moment machte, sich im direkten oder zumindest nahen Anschluss als Teil der Lösung herausstellte. Ich will kein Rätsel spoilern, daher stellt euch ein kleines Apartment voller ganz normaler Dinge vor. Fernseher, Küchengeräte, Bett, Tisch, Kommoden und so weiter. Ihr benutzt einen bestimmten Gegenstand und kommt so weiter. Ihr habt ihn aber nicht benutzt, weil es klar oder nachvollziehbar war, dass sich so etwas lösen lässt, sondern weil es schlicht der einzige benutzbare Gegenstand im Raum war. Habt ihr das dann getan, erschließt es sich, aber es bleibt das unbefriedigende Gefühl, dass ihr kein Rätsel gelöst, sondern nur zufällig etwas Richtiges gemacht habt. Bisher hält sich die Zahl dieser Momente zum Glück noch in Grenzen, aber man merkt sie. Hoffentlich häuft sich das in den späteren Abschnitten nicht.
Entschädigt werdet ihr durch die Neben-Figuren, die in all ihrer verrückten Glorie durch Einzelszenen wandern, die meist mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Insbesondere die weibliche Nebenrolle scheint hier ein paar echte Probleme mit sich und vor allem dem Helden zu haben. Ich bin sehr gespannt, das Ende dieser Geschichte zu hören. Und fürchte mich ein wenig davor.
"Aus Nebel wird Regen. Und der wäscht ja bekanntlich alle Sünden weg."
Aus Nebel wird Regen. Und der wäscht ja bekanntlich alle Sünden weg. Zumindest für Silent Hill scheint sich das zu bewahrheiten. Downpour ist das erste Spiel seit einer ganzen Weile, das mich um den Schlaf brachte, weil es mich bis in meine Träume verfolgte. Es gelang mir nicht, die bedrohliche Atmosphäre, so dezent und so schrecklich zugleich, einfach abzuschütteln. Konami scheint mit seiner inneren Einkehr und Meditation darüber, was Silent Hill mal so schrecklich und so gut machte, erfolgreich gewesen zu sein.
Es mag keinen Nebel mehr geben, aber durch den Regen, die Zurückhaltung und eine Zurückbesinnung auf viele einzelne, kleine Aspekte, die Silent Hill im Laufe der Zeit verloren gingen, könnte Downpour das Spiel werden, das am nächsten an die Tradition der ersten Spiele anknüpft. Wider den Erwartungen vieler - zählt mich dazu - steckt noch Leben in der Serie. Weil ich mich fürchte, die Konsole einzuschalten und nach Silent Hill zurückzukehren. Aus genau den richtigen Gründen
Silent Hill: Downpour erscheint am 23. Februar für Xbox 360 und PS3