Silent Hill HD Collection - Test
Totenstille
Es konnte nicht ewig so weitergehen. Der Trend tadelloser HD-Umsetzungen einstiger Lieblingsspiele - von diversen God of Wars und Metal Gear Solids bis hin zu Perfect Dark und Ico sowie Shadow of the Colossus - musste irgendwann bequeme Nachahmer dazu provozieren, ebenfalls ihre Keller nach gut klingenden Marken zu durchforsten. Mit möglichst wenig Aufwand versteht sich. Aber musste es ausgerechnet Konami sein, zudem noch mit dieser Marke?
Nun gut, in vollem Bewusstsein klein gehaltenen Aufwand will ich in diesem Fall nicht einmal unterstellen. MGS HD war von Konami den fähigen Händen Blue Points anvertraut worden. Dem auserkorenen Silent-Hill-Polierer, Hijinx Studios, scheint es einfach an der gebotenen Fingerfertigkeit gefehlt zu haben, diese einschneidendsten interaktiven Albträume der letzten Konsolengeneration technisch in die Neuzeit zu holen. Diese mit lediglich dem zweiten und dem dritten Teil inhaltlich ohnehin etwas halbherzig bestückte "Collection" (die Anführungszeichen in diesem Fall bitte beim Lesen aussprechen oder mit den Fingern in der Luft markieren), lässt jede Sorgfalt vermissen.
Und nicht nur das. Es wurden auch ganz bewusst einige Entscheidungen getroffen, die definitiv mit Arbeit verbunden waren und dem allgemeinen Erleben des Spiels trotzdem zum Nachteil gereichen. Das betrifft vor allem Silent Hill 2, bis heute der im besten Sinne unangenehmste Beitrag zum Thema psychologischer Grusel, den dieses Medium je hervorgebracht hat. Die ursprünglichen Entwickler hüllten das Örtchen aus dem Titel in dichtesten, volumetrischen Nebel, auch um der PS2 keine allzu strapaziösen Sichtweiten zuzumuten. Damit machten sie aus einer technisch bedingten Notlage eine Stil-spendende Tugend, der das Spiel viel von seiner beunruhigenden Stimmung und der deprimierenden Ästhetik zu verdanken hat. Davon ist in der HD-Neuauflage (ich testete die 360-Fassung) einiges buchstäblich verflogen.
Hijinx hat weite Teile des dichten Dunstes kurzerhand entfernt. Dieser war schon im Original in drei Schichten angelegt. Die wichtigste, nämlich die in der Mitte, die auch James Sunderland auf der Suche nach seiner totgeglaubten Frau umgibt, fehlt in der Neuauflage aber einfach. Das resultiert darin, dass weiterhin im Vordergrund entlang der Innenseite eurer Mattscheibe eine flache, transparente Nebel-Textur ihre Bahnen zieht. In ziemlich genau acht Metern Entfernung schiebt eure Spielfigur unterdessen eine unbeirrbare und wie mit dem Lineal gezogene Nebelwalze vor sich her, als befände er sich in einem perfekt klimatisierten, gläsernen Schuhkarton. Anstatt dass sich die Umgebung, Bäume und verlassene Fahrzeuge wie damals sanft aus tieffliegenden Wolken schälen, werden sie synchron zu euren Schritten mit mathematischer Präzision aus einem massiven, grauen Blob herausgeschnitten.
Vielleicht lagen diese Effekte in keiner brauchbaren Auflösung mehr vor, vielleicht - hoffentlich nicht - dachte sich Hijinx, man müsste mal etwas an der Sichtweite unternehmen, um heutigen Maßstäben gerecht zu werden. So gerät die Optik in Außenszenarien zum absoluten Trauerspiel, das den Titel viel von seiner bedrückenden Atmosphäre und letztlich auch Grusel kostet. Zumal der Nebel, wie eingangs erwähnt, ja auch dazu gebraucht wurde, um optische Unzulänglichkeiten zu verschleiern. Jetzt sieht man an den Rändern der Map von Silent Hill, wenn die Kamera etwas hoch schaut, schon mal das Ende der Welt, wie sie sich Yamaoka und Co. seinerzeit dachten. Besser gefällt da schon, dass viele der Texturen getauscht wurden, was stellenweise dafür sorgt, dass man nun einige Schilder, Reklametafeln und andere Dinge viel deutlicher lesen kann.
Wer allerdings dafür verantwortlich war, in diesem verfallenen Örtchen die Straßen mit dem frischesten Teer diesseits der A2 zu versehen, hat auch den Sinn des bemitleidenswerten Zustandes des Städtchens nicht verstanden. Zumal diese neuen, "gesäuberten" Bodentapeten auch noch hier und da ungestüm auf ältere stoßen. Und dann ist da das Wasser. Wundert man sich anfangs auf dem Friedhof nach dem Treffen mit Angela noch darüber, dass auf dem Grund des Teichs, der an die letzte Ruhestätte grenzt (und mir zuvor nie aufgefallen war), scheinbar eine Discokugel umherrollt, hat das Wasser vom Toluca Lake mittlerweile im Netz traurige Berühmtheit erfahren, siehe die animierten Gif-Bilder auf dieser Seite des entsprechenden NeoGAF-Kondolenzthreads.
Wie schon bei den Nebeleffekten stellt sich auch bei den FMV-Filmen die berechtigte Frage, ob diese noch in einer brauchbaren Auflösung für ein HD-Update vorlagen. Es sieht jedenfalls nicht danach aus. Obwohl ich mich schwer damit tue, diesen Malus den Entwicklern anzukreiden: Die gerenderten Filmsequenzen sehen einfach furchtbar aus. Nicht die Animationen oder Modelle der Figuren. Nein, die gehen auch heute, elf Jahre später, noch vollkommen in Ordnung. Sie sehen nur ungemein verschwommen aus, als hätte jemand ein Glas Milch darüber verschüttet, und sind obendrein von unschönen Nachzieh-Effekten verunstaltet. Hier wurde offenbar nur das Material aus der PS2-Version unverändert auf die größeren Diagonalen heutiger Bildschirmtechnologie aufgeblasen. Wie gesagt: Sie mussten mit dem arbeiten, was sie hatten, aber genau wie der aus unerklärlichen Gründen gelichtete Nebel kommt hier einfach das Gefühl auf, dass dieses Werk nicht mit der ihm gebührenden Sorgfalt behandelt wurde.
Die Performance des zweiten Teils ist auf der Xbox 360 hingegen vollkommen akzeptabel - auch wenn ich mich schon ein bisschen wundere, im Artikel über den Port eines so alten Spiels überhaupt darüber zu sprechen. 60 Bilder pro Sekunde wären nett gewesen, gibt es aber nicht. Hier und da stottert es sogar einen Augenblick, wenn mal wieder etwas nachgeladen wird. Im Großen und Ganzen bleibt es aber spielbar und sieht - vor allem in den Innenräumen - schon noch brauchbar aus. Sobald man ein Dach über dem Kopf hat, könnte man beinahe die Schlamperei von draußen vergessen, erinnerten einen nicht die unerklärlichen Sound-Eigenarten des Titels daran.
Zum einen sorgt die wahlweise neue Vertonung der Stimmen mit brauchbaren Schauspielern - denn machen wir uns nichts vor, so gut war besonders James im Original wirklich nicht - für auffällig asynchrone Lippenbewegungen der Figuren in Zwischensequenzen. Andererseits faucht die neue Stimme des Protagonisten nach einem kurzen Sprint wie ein verstopfter Blasebalg. Als ich das Vader-eske Inhalieren das erste Mal bemerkte, drehte ich James mehrmals erschrocken auf dem Absatz herum. Ich erkannte schlicht nicht, dass das Geräusch aus seinen bionischen Lungenflügeln entfleuchte, die mir ihr trauriges Lied pfiffen. Auch das Radio, das Gegnerpräsenz durch ein verstörendes Rauschen signalisiert, hat auf dem Weg in die Next Gen offensichtlich einen Schlag wegbekommen. Die niedrigste Stufe des Knisterns loopt in kurzen Intervallen unschön vor sich her wie eine kaputte Schallplatte.
"Direkt, nachdem man den Start-Knopf gedrückt hat, wird man allerdings daran erinnert, was für ein gewaltiger Sprung Silent Hill 3 damals gegenüber dem Zweiten darstellte."
Heather Mason hat es da im dritten Teil schon besser, auch wenn man hier unerklärlicherweise nicht mehr die Wahl hat, sich das Spiel mit den Originalstimmen zu geben. Die Neu-Vertonung geht in Ordnung, trotzdem ist das Fehlen der ursprünglichen Tonspur ein echter Klopper. Direkt, nachdem man den Start-Knopf gedrückt hat, wird man allerdings daran erinnert, was für ein gewaltiger Sprung Silent Hill 3 damals gegenüber dem Zweiten darstellte. Gesichter, Texturen und Umgebungsdetails sehen hier trotz nur zwei Jahren jüngeren Geburtsdatums im HD-Transfer auch heute noch wirklich ansprechend aus. Besonders das feine Schattenspiel profitiert von der gesteigerten Bildpunktezahl. Leider konnte Hijinx offensichtlich dem gesteigerten Gegneraufkommen noch weniger Herr werden als die zarte Teenagerin, die dem Höllenschlund Silent Hills zu entkommen versucht. Die Szenen, in denen ihr vor mehreren der grotesken Body-Horror Monstrositäten besser die Beine in die Hand nehmt, werden regelmäßig zum zähen Zeitlupenspaziergang.
Den fast desolaten Zustand des zweiten Teils, des Spieles, wegen dem die meisten Silent-Hill-Apostel im Vorfeld Feuer und Flamme für diese Neuauflage waren, entschuldigt auch der immerhin noch passabel umgesetzte dritte Serieneintrag nicht. Beide Spiele sind von vorne bis hinten noch problemlos durchspielbar, Silent Hill ist selbst in dieser Form noch eine Reise wert. Bis heute sind diese Titel das wohl treffendste spielerische Äquivalent zu Fingernägeln auf der Schultafel, schaut doch gerade der zweite Teil in Ecken des Unterbewusstseins, in die man bei klarem Verstand nie einen Blick werfen wollen würde. Es ist dennoch ein starkes Stück, dass Hijinx es hinbekommen hat, phasenweise das Original zu unterbieten.
Ich habe keine Ahnung, was sich hier im Rahmen eines Patches noch geradeziehen lässt und die PS3 hat es Berichten im Netz zufolge sogar noch schlimmer getroffen. Aber so wie sich diese Klassiker des Genres hier präsentieren, tut Konami weder sich noch der zuletzt arg gebeutelten Marke einen Gefallen. Bitter, dass man wohl nie sehen wird, was Bluepoint Games (Ico & Shadow of the Colossus Doppelpack, MGS HD) aus diesem Material gemacht hätte.