Silent Hill: Homecoming
Stillstand
Die Monster schwanken zwischen Vertrautheit und hochauflösender Schreckensüberzeugung. Die berühmte Krankenschwester reizt nun wirklich nur noch als Reminiszenz, die Kultisten verfehlen trotz des „WWI-Grabenkampf plus Senfgas“-Überwurfs jegliche Wirkung und Hunde mit abgezogener Haut… whatever, been there, killed that. Das ist die eine Seite, die andere lässt Euch unruhig erschauern. Insbesondere die neueren Designs wie der Siam, eine riesige Monstrosität mit gewaltigen Armen, oder die pendelköpfigen Schisms erzeugen das alte Kribbeln und die Endgegner übertrumpfen sich an optischer Grausigkeit einer nach dem anderen.
Aber lasst Euch von ihrem Furcht einflößendem Äußerem nicht täuschen. Je schockierender sie werden, desto leichter fallen sie um. So einfach, dass Ihr jegliche Furcht vor diesen im Kampf tapsigen Riesen verliert. Um ein Beispiel zu nennen, kann ich den Kampf gegen den vorletzten Boss anführen - siehe Komplettlösung zu Silent Hill: Homecoming -, der mich gerade mal drei kleine Heiltränke kostete. Und das auch nur, weil es spät und ich zu faul war, seinen Kombos wirklich auszuweichen. Einfaches Draufhacken mit dem Messer reichte vollkommen aus. So wurde aus einem denkwürdigen Design ein trauriger kleiner Schwächling.
Selbst manche der normalen Monster werden Euch mehr ins Schwitzen bringen, vor allem sobald sie Euch zu dritt einkreisen. Was in vorigen Silent Hills allerdings einem Todesurteil gleich kam, artet hier in ein geschicktes Spiel aus Decken, Parieren und Kontern aus. Diesen einen großen Sprung nach vorn wagt Homecoming dann doch. Es wirft das unbrauchbare Kampfsystem der Vorgänger über den Haufen und lässt Euch endlich Spaß beim Kämpfen haben. Fast ein wenig zu viel, schließlich verlieren die Monster deutlich an Schrecken, sobald man mehr als gute Chancen gegen sie hat. Zu einer Massenabfertigung im Stile eines Resident Evil 4 gerät Homecoming aber nie. Munition ist knapp und die Hieb- oder Stichwaffe Euer bester Freund, was ein angenehmes „back to the roots“–Gefühl beim Survival-Gamer hinterlässt.
Bemerkenswerterweise lässt Euch nicht einmal die Kamera im Stich. Es hat zehn Jahre gedauert, aber endlich fängt die Serie das Geschehen so ein, dass der Blickwinkel nicht ständig gegen Euch arbeitet. Lediglich ein einziges Mal in einen Bosskampf stieß ich einige Flüche aus, ansonsten werdet Ihr nie über die Perspektive nachdenken müssen.
Grübeln dürft Ihr bei den Rätseln und erneut zieht sich der Fluch der Routine durch das Design. Nur die wenigsten Kopfnüsse gehen über den bekannten Standard von „Finde zwei passende Embleme“ hinaus. Diese Ausgewählten fordern dann aber durchaus beim Entschlüsseln kleiner Wortspiele, in denen Euch sinnloses Herumrennen nicht weiterbringt. Als Ausgleich für diese Lichtblicke lauert die Verschiebetafel aus der Hölle, um Euch ein paar Stündchen Eures Lebens zu rauben. Ich weiß nicht, was Leute an diesen Tafeln mit Quadraten zum Verschieben finden. Es nervte bei Resident Evil und diese Tafel hier ist größer und gemeiner. Aber wer weiß, vielleicht mögen einige von Euch so etwas ja.
Einig dürften wir uns dafür alle sein, sobald es um das verbürgte Genie Akira Yamaokas geht. Der Soundkünstler findet leider erneut nicht zum minimalistischen Stil des ersten Spiel zurück, aber das sollte niemanden angesichts der phänomenalen 5.1 Ausnutzung zu sehr grämen. Dunkelt das Zimmer ab, kuschelt Euch in das Audio-Zentrum der Anlage und erlebt in Eurem Kopf weit größere Schrecken, als sich auf dem Screen tummeln. Allein durch die dunklen, verstörenden Klänge werden sie dorthin transportiert und graben sich tief ein. Der Soundtrack läuft insbesondere bei den Bosskämpfen zu absoluter Hochform auf, indem er diese nicht peitschend treibt, sondern der Beklemmung des Szenarios angemessen ruhig, fatalistisch und mit morbider Schönheit untermalt. Egal was irgendein Silent Hill falsch machte, Yamaoka leistete sich noch keinen Fehltritt. Und in Homecoming fängt er damit zum Glück auch nicht an.
Jenseits der erneut brillanten Tonkulisse erwartet Euch ein erschreckend konventionelles Spiel, das den großen Namen nicht weiterentwickelt. Silent Hill: Homecoming verharrt in Schreckstarre, es traut sich nicht, das inzwischen durch ein Übermaß an Popularität eng gewordene Korsett des großen Rahmens zu sprengen oder seine Tiefe in der Psyche der Handelnden zu suchen. Ihr folgt einem soliden Plot, der als filmische Fortsetzung, als Comic oder Buch keine schlechte Figur gemacht hätte. Als neuer Impulsgeber aus der Richtung des Ursprungsmediums von Silent Hill taugt Homecoming nicht viel.
Spaß macht es trotzdem und das ist die gute Nachricht. Das Kampfsystem wurde gekonnt und zeitgemäß angepasst, bis auf das Schiebespielchen enttäuschen die Rätsel nicht und selbst wenn der Plot nicht Eure Seele erschüttert, folgt er doch stilsicher den Regeln des Horror-Action-Kinos. Silent Hill: Homecoming ist eine Episode des Survival-Horror-Genres, die Ihr schmerzfrei und gut unterhalten konsumieren könnt. Ein prägendes Erlebnis, an das Ihr Euch lange zurück besinnt, wird es aber nicht werden. Vielleicht setzt sich der nächste Teil ja wieder in Bewegung.
Silent Hill: Homecoming erscheint für PS3, Xbox 360 und PC am 26. Februar. Die deutsche Version wird leicht geschnitten: Einige der brutaleren Finish-Moves fehlen bei menschlichen Gegnern, bei einigen Zwischensequenzen guckt die Kamera ein wenig zur Seite.