Maxis Rückkehr nach SimCity - ein El Dorado für Simulanten?
Im Großen wie im Kleinen ein detailverliebtes Comeback.
Ihr baut bereits Städte? Dann schaut doch in unsere Sim City Tipps.
Ein bisschen unterkühlt wirkte es schon, das erste Bildmaterial des neuen SimCity, das Maxis im letzten Frühling mit überraschend wenig Fanfaren-Begleitung vorstellte. Nüchtern, fast ein bisschen dröge und wie am Reißbrett entworfen befürchtete man, könnte die Neuauflage des prototypischen Aufbauspiels ausfallen. Und jetzt zoomt der Vorspieler während der Präsentation des Titels auf Geheiß von Producer Jason Haber wahllos durch die wuselig beschleunigte Spielzeug-Welt und deckt wie im Vorbeifliegen endlos nette Details auf.
Da ist zum Beispiel der Van eines Umzugsunternehmens, der gerade über dieses Fantasiekonstrukt von einer wunderbar schlingerigen und gewundenen Autobahn tuckert, die so auch beinahe aus einem Gegenwarts-WipEout kommen könnte. Ein Klick und die Kamera heftet sich fließend an die Kotflügel des geschäftigen Gefährts, dessen Weg zu seinem Ziel man bis zum Ende mitfahren könnte, so versichert Haber. Der Wagen ist gerade auf dem Rückweg, er kommt vom Haus der Thompsons, informiert uns eine Anzeige am unteren Bildschirmrand. Ich stelle mir gerade vor, wie wohl die frisch bezogene Residenz der Familie Thompson aussieht - Bungalow in Parknähe, weißer Gartenzaun, Frau, zwei Kinder, Hund -, da nimmt die Kamera die Ausfahrt in Richtung Industriegebiet.
Direkt in den morgendlichen Berufsverkehr, wo für unsere Möbelpacker erst einmal Schluss ist, weshalb Habers Kollege die Kamera wieder löst und uns an rußspuckenden Hochofen vorbei ein wenig das Verkehrssystem erklärt. Für mich ist in dem Moment interessanter, wo die Kamera zum Stehen kommt. Es dauert nur einen Augenblick, aber der reichte. Mein Auge fällt auf einen Mini-Herren in Blaumann und Schutzhelm, der gerade auf dem Parkplatz des Kohlewerks vorfährt, aussteigt und sich schnurstracks zum Eingang bewegt, um seinen Dienst anzutreten. Er läuft allerdings gegen eine verschlossene Türe. Er überlegt kurz und hämmert dann, außer sich vor Wut, mit der Faust an den Eingang, bevor er resignierend den Rückweg zu seinem Wagen antritt. Mr. Thompson vielleicht? Ich hoffe, seine Frau muss seine miese Laune nicht ausbaden, jetzt, wo sie doch mit der Einrichtung des Hauses alle Hände voll zu tun hat, und die Jüngste gerade Zähne bekommt.
Maxis kann es halt eben doch. Schon diese wenigen Beispiele belegen zumindest für meinen Geschmack, dass auch dieses SimCity mehr als genug Persönlichkeit besitzt, um die Fantasie ordentlich zum Galoppieren zu bringen. Man hockt nicht als unbeteiligt modellbauender Gott über einem anonymen Geländeteppich aus Filz. Das hier steckt voller Leben und wirkt irre hypnotisierend. Dabei scheint es ganz und gar nicht kompliziert oder mühsam, was ja bekannterweise ein Problem nicht weniger Die-Sims-Versionen ist. Wo mich dort selbst grundlegendste lebenserhaltende Maßnahmen vor eine unlösbare Aufgabe stellten, basiert SimCity einmal mehr auf der heiligen Städtebau-Dreifaltigkeit, mit der schon der erste Teil Komplexität und Eingängigkeit verheiratete: Residential, Commercial, Industrial.
Was damals funktionierte…
Drei Gebäude-Familien - Wohnhäuser, Geschäfte und Industrie -, mehr braucht es im Kern nicht, um die Basis-Funktionsweise dieser virtuellen Siedlungen nachvollziehbar und leicht begreiflich zu vermitteln. Erneut pflastert man Wohnprojekte, dieses Mal komfortabel wie mit einem dicken Wachsstift, an Orte, die man als attraktiv für mögliche Zuziehende erachtet. Ihr erstellt Industriegebiete, am besten ein Stück abseits, damit eure Bürger Geld verdienen können und bietet ihnen mit kommerziellen Bezirken Zerstreuung und Konsum in Geschäften und Casinos. Wenn alles ein wenig zu grau und hässlich wird, legt ihr Parks an und steigert so die Attraktivität bestimmter Gegenden und das Glück der Bewohner.
Je nachdem, wie sehr eure Stadt sich entwickelt, ändert sich mit der Zeit auch ihr Gesicht. In Gutverdiener-Vierteln verwandeln sich bescheidene Einfamilienhäuser in Villen, während florierende Sündenmeilen sich in die Disneyland-Ausgabe von Las Vegas verwandeln und von Kriminalität geschüttelte Problemviertel schnell auch optisch den Bach runtergehen - freilich nicht in der perfekten Vorführ-Welt der Maxis-Spezialisten, die man uns auf EAs Londoner Herbst-Showcase präsentierte. Besonders interessant ist dabei, dass es stets euch überlassen bleibt, ob ihr auf der riesigen Weltkarte mehrere autonom, also für sich schon gut funktionierende Städte und Dörfer errichten wollt, oder ob ihr euch daran versucht, jede einzelne Ortschaft auf einen Bereich zu spezialisieren, um die Region als gut geöltes Uhrwerk zum Ticken zu bringen.
Es soll problemlos möglich sein - und wenn man mal ehrlich ist, vermutlich auch das höchste der Gefühle in einem Spiel dieser Art - einen pittoresken, dicht besiedelten und sicheren Vorort als reinen Lebensraum zu bauen. Von hier würden die Sims sich dann morgens gut erholt in ihre Spielzeugautos setzen, um in eure Entsprechung von Eisenhüttenstadt zu fahren und nach Feierabend im Entertainment- und Einkaufs-Moloch ein paar Kilometer weiter ihren hart verdienten Zaster zu lassen. Wer seine Region für das Zusammenspiel mit Freunden öffnet, um zusammen die perfekte Infrastruktur auszutüfteln, dem stehen möglichweise endlose Stunden erfüllenden Teamspiels bevor.
Mitspieler und andere Katastrophen
Es sei denn der Kollege war schon im Sandkasten von Schippchen-Erdbeben und Eimer-Sintfluten fasziniert, denn natürlich wäre auch dieses SimCity nicht komplett, wenn die Spieler nicht Ufos, Wirbelstürme und Erdbeben auf ihre eigenen Kreationen loslassen dürften. Fremden Spielern, die in einer eurer offenen Partien derartiges Unheil stiften wollen, will Maxis übrigens keinen Riegel vorschieben. Dies sei nun Mal die Natur dieses Spiels, so Haber. Sicher wird es aber wohl noch vor Spielbeginn reichlich Optionen geben, zu filtern, wen man denn nun in seine Welt hineinlässt und wen nicht.
Schön zu sehen war auch, wie das Spiel die komplexen Vorgänge und Berechnungen, die hinter dem belebten Treiben dieses Baukastens ablaufen, visualisiert. Auf Knopfdruck legen sich Heatmaps und übersichtliche Statistiken informativ, hübsch gestaltet und in Echtzeit über eure Schöpfung und lassen euch auf einen Blick sehen, wo Nachbesserungsbedarf herrscht oder den Bewohnern der Schuh drückt. Und auch die Handhabung sieht bislang gelungen aus. Die neue Glasbox-Engine mag nicht das auffällig schönste Stück Middleware sein, aber wenn man schon ein paar Simulationen dieser Art gespielt hat, wird man sehr zu schätzen wissen, wie man in SimCity Straßen vollkommen mühelos mit dem Cursor in die Landschaft betoniert. Jegliche Art von Kurve ist möglich, ein 50 Meter hoher Highway, der einen dreifachen Brezel beschreibt? Kein Problem. Umso erstaunlicher, dass sich Wohngebiete, Industrie und Kommerz-Bezirke selbst an krummste Straßen-Kreationen noch lückenlos anfügen.
Auf einer Veranstaltung voller lauterer, schnellerer und spektakulärerer Titel war SimCity der in sich ruhende Riese, den ich gerne noch besser kennengelernt hätte. Der Wiedererkennungswert war nach kurzer Gewöhnung an die neue Grafik enorm und der Blick fürs große Ganze, den Maxis schon immer irgendwie verlangte, verspricht eine Simulation, die sich nicht in Kleinigkeiten und Mikromanagement verliert. Ganz wie damals, ein Spiel komplex und einfach zugleich, immer nur so aufregend, wie man selbst es will. Kaum zu glauben, dass wir hierauf so lange warten mussten.