Simon the Sorcerer: Chaos ist das halbe Leben
Ein chaotischer Zaubertrip
Und dabei wollte Simon doch nur in aller Ruhe Fernsehen gucken ... Aber nein, sein nerviger Bruder muss ihm nach einer Auseinandersetzung über das TV-Programm die Fernbedienung an den Kopf pfeffern und ihn gewaltsam in den Ruhezustand befördern. In der Welt der Träume begegnet ihm Alix, die einige aus den Vorgängern als Calypsos Enkelin kennen dürften. Sie fleht Simon an, in die Zauberwelt zu kommen - denn sie alle schweben in großer Gefahr! Also aktiviert Simon seinen Dimensionsreise-Schrank und macht sich auf den Weg ...
Im normalen Leben stellt Simon das durchschnittliche Pubertätsopfer dar: Er geht widerwillig zur Schule und verwendet seine ganze Energie darauf, sich vor den schrecklichen Hausaufgaben und -arbeiten zu drücken. Er freut sich euphorisch über jedes Barthaar, das aus seiner zarten Haut sprießt. Sein Zimmer sieht schlimmer als eine Müllhalde aus - eine Pizza, deren Verfallsdatum um geschätzte zwei Jahre überschritten ist und die schon erste Anzeichen einer Mutation aufweist, ist nur die Spitze des Eisbergs. Aber in der Zauberwelt, die er nun zum vierten Mal betritt, ist er ein gefeierter Held. Für die, die ihn gut kennen, zumindest. Als er dort nun Alix begegnet, will die sich an nichts erinnern, sondern macht stattdessen mit ihm Schluss: Er sei einfach zu spießig und langweilig. Beziehung mit Alix? Wann? Interessant, dass Simon davon nichts wusste. Ganz klar also: Irgendwo muss ein Doppelgänger von Simon durch die Gegend spazieren und sein genaues Gegenteil verkörpern: Ordnung, geregelte Tagesabläufe, Höflichkeit. Die nächsten 15 Stunden wird Simon damit verbringen, dieses Rätsel aufzuklären, einen König zu töten und wieder aus dem Reich der Toten zurück zu holen, und schließlich den teuflischen Plan des Oberschurken zu vereiteln.
Die Story bietet eigentlich genügend Raum für kurzweilige Unterhaltung. Allerdings hapert es an der Umsetzung. So klappert man anfangs immer dieselben Orte ab, das wird schnell eintönig. Der Doppelgänger trägt einen grünen, der echte Simon einen roten Mantel - wer soll die denn bitte verwechseln? Im letzten Drittel nimmt das Spiel aber gehörig an Fahrt auf - um am Ende dann leider doch nicht die geweckten Erwartungen ganz zu erfüllen.
Gut bekömmliche Rätselkost?
Auf seinem abenteuerlichen Trip durch die Zauberwelt begegnen Simon allerlei skurrile Gestalten, die wohl nicht mal sein Schulhof zu bieten hat. Da gibt es zum Beispiel einen versifften Wolf, der sich ständig unter den Tisch säuft. In seinem zerfetzten Columbo-Mantel und dem 20-Tage-Bart kann er einem schon leid tun. Für Simon, der seine Mitspieler im Gespräch gerne ausquetscht wie eine Zitrone und sie dazu bringt, Dinge zu tun, die getan werden müssen, kommt diese armselige Kreatur wie gerufen - muss er doch Großmutter und Rotkäppchen beseitigen. Und ein Wolf frisst nun mal Großmütter und Rotkäppchen. Um sich in die bescheidene Hütte der alten Dame zu mogeln, muss nur noch etwas her, das die tiefe Wolfsstimme ein, zwei Oktaven höher und annähernd nach Rotkäppchen klingen lässt. In diesem Fall ist das nicht wie in der Buchvorlage Kreide, sondern, wie es sich für ein modernes Märchen gehört, Helium.
So liebevoll gestaltet das eben genannte Rätsel ist, so eintönig sind einige andere: Zu oft müsst Ihr irgendetwas für irgendjemanden erledigen oder besorgen, um weiter zu kommen. Auf die Dauer fühlt man sich da wie ein gemeiner Dienstbote und nicht wie der heroisch-freche Weltenretter.
Die Rätsel an sich sind dabei durchweg logisch aufgebaut und mit etwas Grips auch zu lösen. Steht man auf dem Schlauch, hilft das Journal weiter - eine kleine, aber feine Funktion, die säuberlich alle zu lösenden Rätsel auflistet. Unter jedem Eintrag befinden sich drei Sterne. Klickt Ihr auf die Schaltfläche, gibt das Journal pro Stern neuen Text preis. Mit dem dritten Stern ist das Rätsel dann fast schon aufgeklärt. Hänger beim fröhlichen Knobeln gibt es also keine. Die Einsteiger freut's, echte Querdenker ärgern sich über den etwas zu leichten Schwierigkeitsgrad. Man kann's halt nicht allen recht machen.
Lach schon!
Gleiches gilt für die Witzeinlagen: Während sich Kollege Fabian über die etwas platten Witze beschwert und von Simon mehr subtilen Humor erwartet, bin ich vollends mit den Gags meines Namensvetters zufrieden. Von einem toten Wildschwein, das anscheinend "mit einem sauberen Headshot eines Sniper" erlegt wurde, über einen Vorschlaghammer +2 (WoW lässt grüßen), bis zu sozialkritischen Killerspielebemerkungen ist alles dabei, was die Seitenhieb-Kiste hergibt. Außerhalb Deutschlands werden einige lustige Anekdoten wohl zum Rohrkrepierer - uns dürfte das aber herzlich wenig stören.
Stören kann man sich allenfalls an der Grafik und an Simons Stimme. Der Zauberer und überhebliche Weltenretter ist leider der einzige, dessen Synchronisation nicht wirklich gelungen ist. Er klingt jedenfalls auf die Dauer einfach einen Tick zu nervig und nicht wirklich so, als würde er auf dem schmalen Grat zwischen Pubertätsmonster und erwachsenem Mann wandeln. Die Grafik hat derweil so ihre Probleme mit der Lebendigkeit der Hintergründe. Alles wirkt zu steif, nur ein paar Animationen wollen vortäuschen, dass die Umgebung nicht abgestorben ist. Darüber hinaus wirkt Simon - Kollege Fabian bemängelte das ja in der Preview bereits - im Wald wie ein Fremdkörper. Mit seinem knallbuntem Aufzug und seinen vielen Bewegungen bildet er das genaue Gegenteil zum grünen, starren Wald. Schade, denn so, und zusammen gezählt mit den anderen kleinen Mankos, reicht es für Simon leider nur zum „guten“ Adventure.
Der pubertierende Zauberer Simon meldet sich nach einer längeren Auszeit recht eindrucksvoll zurück. Mit neuem Humor, verbesserter Grafik, einfacher Steuerung und meist guter Akustik, weiß der vierte Teil der Serie zu gefallen. Das Rätseldesign ist ebenfalls gelungen, auch wenn sich die Aufgabenstellungen teilweise etwas einfallslos gestalten. Der neue Überflieger ist Simon the Sorcerer 4 also nicht, zumal die Story manchmal etwas unlogisch und zu wenig zusammenhängend ist. Schlecht ist das Spiel aber keinesfalls. Wer auf chaotische Protagonisten und deutschen Humor steht, der sollte zugreifen.