Skull and Bones erscheint am 8. November und ich will mehr Grog! Viel mehr Grog!
Das Anti-Sea-of-Thieves.
Skull and Bones ist nach Jahren im Entwicklungs-Bermudadreieck wieder aufgetaucht und präsentiert sich bis zum Mastkorb vollgestopft mit Spielsystemen, die ein Freibeuterleben simulieren sollen. Als Stichtag wurde der 8. November auserkoren, einen Tag vor God of War Ragnarök. Ich gebe zu, ich war nach der Vorab-Präsentation, der die Presse letzte Woche beiwohnen durfte, nicht sicher, was ich hiervon halten sollte. Sicher ist für mich schon jetzt: Skull and Bones ist nicht nur optisch ein Anti-Sea-of-Thieves.
Damit meine ich aber nicht, dass Ubisofts Freibeuter-Quasi-MMO zwangsläufig realistischer wäre. Natürlich ist die Optik entschieden geerdeter (abgesehen von einigen Inselformationen in dieser Fantasie-Version des Indischen Ozeans, die statisch schlichtweg unmöglich sind), authentischer ausgeleuchtet und seine Piraten natürlicher dimensioniert. Leute, denen der Comic-Stil von Sea of Thieves nicht so liegt, dürfte das sehr freuen. Aber insgesamt wirkt Skull & Bones auf den ersten Blick irrsinnig mechanisch und weniger auf Immersion in der Fantasie bedacht, selbst ein Pirat zu sein.
Das MMO schlägt in diesem wahlweise auch rein als (Koop-)PvE spielbaren Piratensimulator optisch voll durch. Skull and Bones rollt seine Spielregeln mit vielen, vielen HUD-Elementen und -Anzeigen sowie sichtbar über der Spielumgebung liegenden Begrenzungen, wenn man zum Beispiel in der Nähe einer einzunehmenden Festung bleiben muss, jederzeit offen vorm Spielenden aus. Man vergisst zu keiner Sekunde, dass man hier ein systemverliebtes Kämpf-, Sammel- und Crafting-Videospiel erlebt und schaut bisweilen mehr auf die visuellen Hilfen als auf alles andere. Ich muss sagen, das hat mich atmosphärisch herausgerissen und die Freibeuterromantik, die die Pressebilder erweckten und erwecken, ein wenig erdrückt. Zumindest, sofern ich das nach einer Videopräsentation sagen kann.
Vielleicht liegt das auch daran, dass man seinen Piraten zwar irrsinnig kleinteilig individualisieren darf, ihn aber eigentlich nur in den Siedlungen selbst steuert. Sobald man sein Schiff betritt (ebenfalls stark individualisierbar), verschmilzt man mit dem Kahn, darf sich nicht mehr frei bewegen. Um Ausschau nach Feinden zu halten, schaltet ihr durch die verschiedenen Stationen eures Schiffes, bis ihr einem Matrosen im Mastkorb über die Schultern schaut (wo mir das aggressive Sausen des Windes in den Ohren sehr gefiel), anstatt selbst dort hinaufzuklettern.
Und das zieht sich eben durch: Beim Beschaffen von Ressourcen schippert ihr an Küstenpalmen heran und befiehlt der Crew, sie zu fällen. Werdet ihr geentert oder lasst ihr entern oder greift ihr eine Festung an, kämpft ihr nicht selbst. Eure Crew erledigt das für euch, beziehungsweise kämpft sich einen Erfolgsbalken am oberen Bildrand entlang durch verschiedene Phasen der Konfrontation, bis diese eines von zwei Enden nimmt. Natürlich nehmt ihr Einfluss auf den Verlauf, allein schon durch die Zusammensetzung eurer Mannschaft, aber auch, indem ihr die Bewaffnung eures Schiffes gut einsetzt, und zum Beispiel Verteidigungsanlagen und empfindliche Infrastruktur unter Feuer nehmt. Aber es wirkt trotzdem alles etwas "Hands-off" und indirekt, während ich bei Wellengang auf Rares "Meer der Diebe" schon mal beinahe selbst seekrank wurde. Skull and Bones scheint dagegen weniger erpicht, euch seine Gewässer als echte Welt zu verkaufen.
Das ist jetzt wohl die Stelle in dem Artikel, an dem ich sagen sollte, dass Skull & Bones gleichzeitig keinerlei Anzeichen dafür liefert, dass irgendetwas hiervon schlecht gemacht oder spaßbefreit wäre – darüber kann ich nach einer Präsentation schlicht keine Aussage treffen. Es ist nur eben eine Frage, ob das, was Skull and Bones sein will, für euch nach Spaß klingt? Stören euch Spiele, in denen man mehr auf Anzeigen blickt als auf die Welt, oder liebt ihr diese Hilfen und das systemische Aufdröseln des Geschehens auf dem Screen? Mögt ihr, dass ihr gewissermaßen das Schiff spielt, sobald es zur See geht, oder würdet ihr lieber direkter mit eurer Spielfigur eingreifen?
Das sind die Fragen, die jeder bei der Wahl seines persönlichen Piratensimulators für sich beantworten muss. Für den Moment habe ich den Eindruck, dass Skull and Bones ein Spiel ist, das sich aus der Entwicklungshölle heraus gedacht hat. Eines, das über Mechaniken und Systeme wieder seetüchtig gemacht wurde, um den Weg zurück in die sicheren Gewässer der Öffentlichkeit zu finden. Mir wäre lieber, es hätte auf der Fahrt den einen oder anderen Schluck Grog genommen und ein wenig auf seinen Bauch gehört.
Aber das hier ist immer noch Ubisoft. Wir haben schon mehrfach gesehen, wie dieses Unternehmen seine Live-Service-Spiele nach mäßigem Start mit umfassenden Updates kräftig in die Spur zog. Zu wünschen wäre es Skull and Bones, denn das mit dem “Anti-Sea-of-Thieves” stimmt noch in einer anderen Hinsicht: Nicht jeder mag seine Piraten so albern und verspielt wie bei Rare und nicht jeder will seine Schatzkisten selbst schleppen müssen. Manch einer will einfach nur Kapitän sein und andere die Drecksarbeit erledigen lassen. Für ein solches Spiel ist mehr als genug Platz im Segment der virtuellen Freibeuterei. Ob Skull and Bones dieses Spiel sein kann, wird sich aber erst nach einem Anspieltermin klären.