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Sleep is Death (Geisterfahrer)

Hellwach

Die Lage hat sich gebessert, inzwischen gibt es über eine Stunde an YouTube-Videos, in denen Rohrer sich durch alle wichtigen Funktionen dampfplaudert. Das Zuschauen mag Funktionen aufklären, aber wirklich gelernt wird nur durch ausprobieren. Um ein paar gute Szenen und Objekte zu entwerfen, brauche ich mindestens ein paar Stunden.

Das ist das zurzeit größte Problem von Sleep is Death und der Grund, warum ich nicht sagen kann, was es taugen wird - jede Spielrunde ist nur so gut wie ihre Spieler. Speziell dem Controller fällt ein ganzes Paket voller Herausforderungen in die Hände. Das zu stemmen erfordert Training, für das man unbedingt den entsprechenden Modus einsetzen sollte.

Eine gute Geschichte im Kopf zu haben reicht nicht. Schon die Erstellung der Inhalte verlangt ein klares Verständnis, wie aus Sprites Objekte und aus Räumen Szenen werden. Die einfache Grafik ermöglicht zwar ausgeklügelte Pixelkunstwerke, mir gelingen aber bisher nur hässliche Strichmännchen.

Bin ich schön?

Den Größenmaßstab muss man im Blick behalten, sonst sind Stühle doppelt so groß wie Menschen. Musik komponieren kann ich hier genauso wenig wie anderswo. Solche Herausforderungen muss man meistern, bevor man sich mit den Details der Tiefensortierung oder dem Stempelwerkzeug vertraut machen kann. Ist die Fleißarbeit durchgestanden, beginnt der Stress. 30 Sekunden sind wenig Zeit für einen Zug. Das schafft man als Controller nur, wenn man das Interface sicher beherrscht.

Sonst will man einen Charakter verschieben, hat stattdessen noch das Sprechblasentool ausgewählt und zieht die Aussage eines Menschen quer durch den Raum, während er stehen bleibt. Und nach 30 Sekunden wird das Ergebnis zwangsabgeschickt, egal wie es aussieht. Das Zeitlimit kann man umstellen, aber minutenlanges Warten auf eine Antwort wird für den Spieler schnell langweilig.

Aber ganz so schlimm ist es nicht. Spaß hat man nämlich fast automatisch. Die erste Geschichte in 640 x 416 Pixeln ist immer noch deutlich schneller erstellt als der erste Hindernisparcours in LittleBigPlanet. Und wenn alles schief geht und die Wand versehentlich zu sprechen anfängt, dann wird das eben zur surrealistischen Wendung. Wenn man keine spannende Geschichte erfinden mag, dann erzählt man Bücher, Filme und Spiele nach. Wenn Geduld oder Sinn für das Zusammenbasteln schöner Szenen fehlen, importiert man die Werke anderer.

Sie haben doch gehört, was die Kachel gesagt hat.

Altmodisch und abweisend mag Sleep is Death auf den ersten Blick wirken, ist es aber nicht. Das Interface ist hässlich, Einstellungen lassen sich nur mit (einfachen) Änderungen im Texteditor vornehmen und für erfolgreiche Spielrunden über das Internet sollte man wissen, was Router und Firewall sind. Die Community organisiert sich auf Englisch, nicht einmal Umlaute unterstützt die aktuelle Sleep-is-Death-Version. Trotzdem ist es einsteigerfreundlich, vor allem für Spieler, die auf geübte Controller treffen. Jede Geschichte wird auf dem Rechner des Spielers als funktionsfähige Diashow abgelegt und lässt sich im Browser rekapitulieren. Alle verwendeten Inhalte werden dem Spieler kopiert, damit der die Geschichte nacherzählen oder neu erfinden kann. Vom Start weg hat man eine kleine Bibliothek einleuchtender und verstörender Objekte verfügbar, von idyllischen Bauernhöfen bis hin zu verblutenden Kindern. Jetzt schon haben sich die ersten Communityseiten gegründet. Ressourcen, Hilfestellungen und Geschichten schießen wie Pilze aus dem Boden; alles vor dem allgemeinen Erscheinungstermin.

Wohin der Weg für Sleep is Death führen wird, kann ich genauso wenig ergründen, wie die Bedeutung des Titels. Aber das Spiel kostet 14 Dollar für zwei Personen, läuft praktisch auf jedem Rechner, hat Rückenwind durch die zahlreichen Fans von Rohrer und besitzt ungeheures Potential. Das alte Problem, dass virtuelle Welten von Robotern bevölkerte Studiokulissen sind, umgeht Sleep is Death auf einem Trampelpfad.

Die Angst vor dem leeren Raster.

Romantische Komödien, psychologischer Horror und Nacherzählungen des letzten Tatorts sind damit problemlos machbar. Insbesondere dann, wenn man mit Freunden im selben Raum sitzt und sich die Bälle zuspielt, ist das ein einmaliges Erlebnis. Aber dahin kommt man nur mit Einsatz. Und die größte Aufgabe hängt gar nicht am Spiel - eine offene, gute Geschichte zu konstruieren, auf der einem Spieler bereitwillig entgegenkommen. Vorab gestaltete Räume, Gegenstände und Personen sind vielleicht leichter zu handhaben als freies Vortragen im Pen-&-Paper-Rollenspiel. Und den erzählerischen Status Quo der Spieleindustrie dürften auch Teenager schnell knacken, aber das darf kein Maßstab sein. Die offene Frage ist, wie viele Controller auf wie viele Spieler kommen werden und was sie sich einfallen lassen. Ich zumindest will weiter lernen. Für die nächste Runde mit meiner Freundin baue ich besser noch ein Möbelhaus und einen Supermarkt und vielleicht ein Café. Der Sicherheitsmann hat ihr gesagt, dass die Benutzung der Toilette 50 Cent kostet, da geht sie nicht mehr rein.

Sleep is Death erscheint heute und wird für 14 Dollar über die offizielle Seite verkauft.

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