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Slender - Test (Beta-Version)

Wie ein simples Spiel größte Wirkung erzielt und euch dabei als winselndes Bündel zurücklässt.

Ich gebe zu, ich habe ein wenig Angst. Es ist gerade kurz nach Mitternacht. Vor mir liegt mein Laptop, dessen seichte Beleuchtung die einzige Lichtquelle in dem ansonsten stockfinsteren Zimmer bildet. Vor ein paar Tagen erhielt ich einen Link zu einem Indie-Spiel, das den Namen Slender trägt, und bin nun kurz davor meine Kopfhörer aufzusetzen, um einen ersten Versuch zu starten.

Mit Absicht habe ich mit keinerlei Bilder oder Videos angesehen, um die Erfahrung so rein wie möglich zu halten. Bereits bei Amnesia: The Dark Descent hatte ich mir dadurch einige Momente und Überraschungen verdorben. Ich besitze nur die Informationen zu der Figur des "Slender Man", die in der Beschreibung im ursprünglichen Beitrag auf Reddit - einer leicht chaotischen Internet-Super-Gerüchtebox- veröffentlicht wurden und als Figur der Fantasie eines Benutzers von Something Awful entsprang.

Es begann mit der Entwicklung von "paranormalen" SW-Bildern. Ursprünglich sollte die Bearbeitungen der Bilder nur dazu dienen, leichtgläubige Personen in anderen Foren hinters Licht zu führen. Doch die Idee des Slender Mans war so überzeugend, dass sie in zahlreichen Bildern, Geschichten und sogar Internet-Serien verarbeitet wurde und nun diverse Versuche gestartet wurden, sogar einen Film aus ihm zu machen. Wer ist der "Slender Man"? Er soll eine große, dürre Person ohne Gesicht darstellen und kann seine Gliedmaßen beliebig weit strecken. Zudem ist sein Rücken teils von Tentakeln bewachsen, die er ebenso kontrollieren kann. Mehr wusste ich nicht.

Nun kennt ihr also die Ausgangsituation, mit der ich an das Spiel heranging, und könnt meine Befürchtungen vielleicht sogar verstehen, wenn überall Vergleiche mit Amnesia gezogen werden. Bei dem hatte ich mir auch schon ordentlich ins Hemd gemacht. Noch ein letztes Mal nachsehen, ob sich in den Ecken etwas bewegt, Kopfhörer aufsetzen und los.

Das Titelbild allein jagt mir Grauen ein.

Bevor ich nun meinen Erfahrungsbericht darlege, rate ich jedem Interessierten dazu, sich Slender selbst anzusehen. Hört hier auf zu lesen, ladet euch das Spiel herunter, dunkelt den Raum ab und wagt das Abenteuer. Das gesamte Erlebnis wird stark gemindert, wenn ihr mit dem Ablauf vertraut seid. Danach könnt ihr ruhig wiederkommen.

Nun zur Sache. Das Spiel Slender ist wunderbar simpel und grausig zugleich. Ihr startet und nach ein paar Sekunden vor einem schwarzen Bildschirm findet ihr euch am Rand eines eingezäunten Waldbereichs wieder. Sofort erscheint eine kurze Nachricht, die euch das Ziel erklärt. Insgesamt acht Seiten müsst ihr finden, die zufällig an bestimmten Positionen auf der Karte versteckt sind.

Bei den ersten Schritten fiel mir sofort das lahme Lauftempo positiv auf. Euer Charakter tut sich bei jeder Bewegung schwer und kommentiert das Ganze mit einem schweren Atmen sowie steigendem Herzrasen. Die komplette Welt vor euch ist dunkel und ihr könnt nur mit eurer Taschenlampe für etwas Licht sorgen, deren Batterie mit der Zeit den Geist aufgibt. Und seid euch sicher: Auf gar keinen Fall wollt ihr in vollständiger Dunkelheit stehen. Da ihr bei euren ersten Versuchen keinen Plan habt, wo es lang geht, müsst ihr sparsam mit der Lampe umgehen und sie ständig ausschalten.

Die erste Anlaufstelle für die meisten Spieler.

So wanderte ich die erste Minute ziellos nach vorne an ein paar Bäumen vorbei. Die Gestalt des Slender Man kannte ich schon von den zahlreichen Bildern. Somit verstehe ich den Grund, warum man sich einen Wald als Schauplatz aussuchte, da hier jeder Stamm beim Vorbeihuschen an die dürre Gestalt ohne Gesicht erinnert. Schnell wurde ich paranoid und blickte mich leicht zu meinen Seiten hin um. Dennoch blieb ich fokussiert auf einen großen, blätterlosen Baum, der vor mir frei positioniert stand und mich förmlich zu sich hinzog.

Dort angekommen sah ich meinen ersten Zettel, auf den mit Bleistift jemand ein Abbild des Slender Man gekritzelt hat. Im gleichen Augenblick ertönte ein lautes Geräusch. Zum ersten Mal schreckte ich kurz auf und drehte mich um. Nichts zu sehen. Also ging ich weiter, bis ich ein kleines Haus sah. Ich warf einen kurzen Blick in die engen Gänge, wackelte mit dem Kopf und lief an der Seite weiter auf ein paar Tanks oder Container zu. Wenn ich schon hilflos umherirre, dann wenigstens auf einem freien Feld. Hier konnte ich die zweite Seite in Empfang nehmen.

Selbst mit Taschenlampe ist euer Blickfeld stark eingeschränkt.

Nun wurde ich nervös. Noch immer konnte ich noch nichts von dem Monster sehen. Aufgeregt leuchtete ich zwischendurch beim Wandern in den Wald hinein. Plötzlich erkannte ich Slender Man. Eine Schrecksekunde voller Todesangst. Schnell zog ich die Maus zur Seite, hielt meinen Finger zum Sprinten gedrückt und lief los. Denn Slender Man kann euch nur töten, indem ihr ihn direkt anguckt.

Damit begann die zweite Phase des Spiels, in der ihr ständig die Präsenz des Phantoms in Nacken spürt. Gleichzeitig trifft euch die Gewissheit, dass er trotzdem jederzeit irgendwo neben euch auftauchen kann. Er kann überall sein. Plötzlich wollte ich nicht mehr zur Seite sehen. Mein Weg folgte strikt der Blickrichtung und nur selten schwenkte ich die Kamera zur Seite, um mögliche Orte für weitere Seiten zu finden.

Eure Paranoia steigt in einer solchen Gegend in unergründete Höhen an.

Zu diesem Zeitpunkt wollte ich wirklich einfach nur noch meinen Bildschirm zuklappen, den Laptop verbrennen und die nächste Stunde unter meinem Tisch an Regenbogen denken. Doch die innere Neugier zwang mich, weiter zu laufen. Schließlich konnte ich in der Entfernung einen Truck ausmachen. Hier lag die dritte Notiz an einer Seite. Hektisch stellte ich mich vor das Papier, sodass auf meinem Bildschirm nichts weiter zu sehen war. Und gerade als ich mich umdrehte, stand er genau vor mir. Keinen Meter mehr entfernt. Ein lauter Angstschrei begleitet von einer schreckhaften Wende sorgte für eine vorzeitige Flucht. Gerade als sich meine Atmung wieder einen gesunden Level erreicht hatte, ließ mich ein Kreischen nach hinten schnellen. Keine Sekunde später wurde das Bildrauschen auf der Mattscheibe immer stärker, bis das leere Gesicht des Slender Man den Monitor einnahm. Game Over - dank Beinahe-Herzinfarkt fast auch im 'Real Life'.

Es ist eine geniale Idee. Ihr habt keine Möglichkeit zur Verteidigung, könnt euch in dem Meer aus Bäumen kaum orientieren und dürft das Monster nicht einmal angucken. Dadurch verliert ihr selbst nach mehreren Versuchen nicht die Angst vor dem Monstrum. Slender gehört eindeutig zu den intelligentesten Spielen seiner Art und nimmt trotz der Ähnlichkeit zu Amnesia eine ganz andere Form des Terrors an, die sich heimlich über euch legt und ohne Vorwarnung die Luft abschnürt.

Aktuell befindet sich das Projekt noch in der Beta-Phase, was sich eindeutig in Form technischer Fehler zeigt. Doch selbst wenn sich von diesem Stand ausgehend nicht mehr viel verändern sollte, könnt ihr bei einem kostenlosen Spiel, das aktuell regelmäßig Updates erhält, kaum mehr erwarten. Die Erste und damit sicherlich beste Erfahrung dauert keine zehn Minuten, doch wird das vielen sicherlich schon reichen. Ich würde mich nicht wundern, wenn sich nicht wenige nach ihrem ersten Tod keine zweite Runde zutrauten Und das muss man auch gar nicht. Slender erfüllt auch so voll und ganz seinen Zweck. Es erschreckt euch zu Tode und injiziert auch abseits der überaus effektiv platzierten "Jumpscares" eine ständige Angst in eurem Körper - vor einem Monster, das man auf keinen Fall sehen darf, aber unweigerlich wird. Mehr davon bitte!

Slender ist auf der offiziellen Seite momentan nicht erhältlich. Benutzt daher folgende Links für PC oder Mac.

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Björn Balg Avatar
Björn Balg: Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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