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Slender Threads: Horror mit zarter Gänsehaut und schalem Gelächter

Eine verheißungsvolle Adventure-Demo vom Steam Game Festival

Die letzten Wochen waren bei mir wild. Ich musste dem Beschuss feindlicher Invasoren standhalten, hab meinen Vater unter Drogen gesetzt und mich durch beklemmende Alpträume gequält... und nein, damit meine ich jetzt nicht mein merkwürdiges Privatleben, sondern das Steam Game Festival: Fünf Tage lang voller spannender Demos und in meinem Fall als Adventure-Närrin, vor allem brandneuer Point-and-Click-Abenteuer.

Bei so manche unsicheren Kandidaten brauchte ich da vielleicht eine Prise Mut und doch habe ich mich quer durch die Welt der Adventure-Demos auf Steam gezockt - sogar live im Stream. Und so skeptisch ich bei dem einen oder anderen unbekannten Abenteuer-Kandidaten war: es hat sich gelohnt und ich entdeckte einige Highlights.

Zu den Abenteuern, die mir auf dem Festival besonders ins Auge stachen, gehört Slender Threads. Dabei handelt es sich um einen absurd-gruseligen Point-And-Click-Thriller im halb-3D-Look, entwickelt und veröffentlicht vom Indie-Studio Blyts aus Argentinien. Hier schon einmal ein kleiner Einblick, was euch in Slender Threads erwarten könnte - zwischen Gänsehaut und der immer brennenderen Frage nach dem "warum".

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Der Traum-Tod eines Handlungsreisenden

In Slender Threads begleiten wir den ausgebrannten Handlungsreisenden Harvey Green, der eigentlich viel lieber Schriftsteller wäre, in die düstere Kleinstadt Villa Ventana und... naja, mehr Rahmenhandlung gibt es gar nicht. Wir kommen einfach dort an und es passieren komische Dinge. Klingt eher langweilig, ist aber stimmungsmäßig ganz gut gelungen, wie auf einmal das Abnorme in die Normalität einfällt - umrahmt von merkwürdigen Alpträumen des melancholischen Harvey (der dem Trailer zufolge auch Linkshänder ist, wie ich, yay! Ein nettes, kleines Detail).

Können wir unseren Augen trauen? Verliert Harvey schlichtweg den Verstand? Passiert das alles überhaupt wirklich? Fragen über Fragen, die die Demo noch nicht beantworten konnte - zum Glück, denn die Neugierde macht Lust auf mehr unfreiwillige Schriftsteller-Inspiration für den geplagten Hauptdarsteller. Laut Blyts hat die Handlung Einflüsse von Twin Peaks und orientiert sich zudem an einem bekannten Lied... welches wollte man uns aber natürlich noch nicht verraten, soll ja spannend bleiben.

Harveys wiederkehrender Albtraum macht ihn zu einer toten Trophäe an der Wand

Bewegliche Hüllen in einer oberflächlichen Welt...

So unheimlich das Szenario des Spiels ist, vor der Spielmechanik muss man sich nicht fürchten: Das simple Point-And-Click-Prinzip ist angenehm reibungslos und punktet mit gleichermaßen schicken, aber auch funktionalen Interfaces. Goldene Icons und ein schiefer Holzkoffer als Inventar passen zum Beispiel gut in das heruntergekommene Szenario, ohne zu sehr herauszustechen.

Die Benutzeroberfläche funktioniert in Slender Threads also schon einmal einwandfrei und auch der Rest der Optik kann sich sehen lassen. Die Grafik erzeugt eine irritierende Mischung aus witzig und beklemmend, aber woran liegt das eigentlich genau?

"Slender Threads stellt zweidimensionale Charaktere und Objekte in einer dreidimensionalen Umgebung dar, um das Aussehen von Papierschnitten in einem Diorama zu imitieren", so Blyts zum Stil des Spiels. Die Figuren sehen immer ein wenig aus, als wären sie Pappaufsteller in einer substanzlos-flachen Welt. Voilà: Gelungene Irritation für das Auge.

Das dürre, leicht ausgemergelte Gesicht der Hauptfigur oder das überspitzt-riesige Kinngrübchen des Polizisten (und hier kann man "überspitzt" sogar buchstäblich sehen) erinnern an Karikaturen - wieder eine geschickte Gratwanderung zwischen charmant und grotesk.

Schweigen im Walde

Gut, das war jetzt alles wirklich nicht übel, aber gibt es auch Mankos? Nun ja, in der Demo schöpft Slender Threads an Atmosphäre noch nicht alles aus, was es ausschöpfen kann. Das könnte aber auch an der bisherigen Vertonung liegen, denn zwar gibt es das eine oder andere Geräusch, aber noch keine Sprechrollen. Die Figuren blieben vorerst stumm.

Nach einem eindrucksvoll vertonten Trailer zum Spiel ist man vielleicht etwas verwundert, dass in der Demo nicht gesprochen wird. Aber kein Grund, sich getäuscht zu fühlen, denn das wird sich noch ändern: "Ja, das komplette Spiel wird eine englische Sprachausgabe haben", bestätigt Blyts.

Nette kleine Jumpscares: Abgehakt. Die hat das Spiel schon einmal.

Aber was gibt es denn dann überhaupt zu meckern? Es bleiben nur zwei ungewollte Gruselfaktoren. Zum Ersten wäre da die übertriebene Geschwindigkeit, mit der die Schrift durchs Bild rast. Das treibt einem beim Lesen schon dann und wann den Angstschweiß in die Stirn. Bei vertonten Dialogen sollte das für viele kein Problem mehr darstellen, zum Beispiel für Gehörlose wäre es aber zum Beispiel ganz gut, wenn die Schrift weniger schnell verschwinden würde.

Zweitens ist es noch ein wenig still in Villa Ventana und damit meine ich jetzt nicht die Synchronisation oder absichtliche Momente des unheimlichen Schweigens. Es gibt nämlich generell nur wenig Geräusche im Spiel: Man hört kaum Schritte auf dem Gehsteig oder mal ein Rascheln, wenn man durch ungemähtes Gras streift. Wofür wären verstörende Laute wie das Knarren einer Tür oder ein Knacken im Gebüsch denn prädestinierter als für einen unheimlichen Thriller? Da könnte Blyts noch eine schaurige Schippe drauflegen.

Insgesamt schafft Slender Threads allerdings schon in der Demo eine bizarre, surreale Atmosphäre mit ein paar weniger gut platzierten "Was zur Hölle?"-Momenten, die große Lust darauf machen, das Mysterium von Villa Ventana zu entschlüsseln. Bislang hält das Abenteuer wunderbar die Waage zwischen Schreck und Spaß, Grinsen und Fürchten. Wenn da nur dieser verdammte Cliffhanger am Demo-Ende nicht wäre. Man, man, man, ich will doch wissen, wie es weiter geht!!! Da werde ich mich wohl noch gedulden müssen, einen genauen Termin ist uns Blyts nämlich noch schuldig.

Slender Threads erscheint digital auf Steam im Laufe 2021 - ein genaues Releasedatum gibt es noch nicht.

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Judith Carl Avatar
Judith Carl ist Volontärin für News und Social Media bei Eurogamer.de. Judith hat Medienwissenschaften studiert. Sie streamt begeistert am liebsten Rollenspiele und Adventure Games auf Twitch. Ihre weiteren Leidenschaften sind LARP, Pen and Paper, und Trash-Filme.
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