Slitterhead im Test: Die PlayStation 2-Ära ist doch schon vorbei!
Wäre sicher super auf alten Konsolen.
Genau wie Bokeh Game Studio, das mit Slitterhead sein erstes Spiel veröffentlicht, stehe auch ich noch am Anfang meiner Karriere. Weil das neue Spiel des Silent Hill-Schöpfers Keiichiro Toyama schon 2021 in seinem ersten Trailer mit seinem grotesken und verstörenden Monster-Design meine Neugier geweckt hatte, habe ich mich sehr darauf gefreut, dass Slitterhead mein Kritik-Debüt werden würde. Leider muss ich zugeben, dass mir letztlich das Schreiben des Tests deutlich mehr Spaß gemacht hat, als Slitterhead zu spielen. Aber der Reihe nach…
Eine düstere Reise in die Neonwelt von Kowlong
Slitterhead ist ein lineares Action-Horror-Spiel mit Nahkampf-Fokus und einer interessanten Körperwechsel-Mechanik. Ihr übernehmt die Kontrolle über Hyoki, einen Geist, der die Körper anderer Lebewesen besetzen und ihre Fähigkeiten nutzen kann. In dieser Welt lauern die Slitterheads – Monster, die sich als Menschen tarnen und euch ständig herausfordern. Die Geschichte entführt uns in die unheimliche, aber zum Glück fiktive Stadt Kowlong (eine Mischung aus Kowloon und Hongkong), die mit kühler Architektur und grellen Neonlichtern eine eigenwillige, düstere Atmosphäre schafft.
Das zentrale Merkmal des Spiels liegt im eben erwähnten Körperwechsel. Während die meisten übernommenen Körper halbwegs kampferprobte Menschen sind, gibt es besondere Individuen, die sogenannten "Rarities". Diese Menschen verfügen über außergewöhnliche Kräfte, wenn Hyoki sie übernimmt. Ein Großteil des Spiels dreht sich darum, diese Rarities zu sammeln und ihre Fähigkeiten gezielt im Kampf gegen die Slitterheads einzusetzen. Julee, die erste Verbündete des Spielers, ist eine dieser Rarities und spielt eine zentrale Rolle in der Handlung. Ihre Spezialfähigkeiten sind das Werfen von Blut-Shurikens oder das Verwenden riesiger Krallen im Nahkampf, während die meisten normalen Menschen im Kampf gegen die Slitterheads schnell unterlegen sind.
Spannender Charakterwechsel, aber ein Kampfsystem mit Schwächen
Dieser Wechsel zwischen Figuren erlaubt es, unterschiedliche Strategien im Kampf gegen die Gegner anzuwenden. Jede der Rarities hat ihre eigenen Stärken und Schwächen, mit speziellen Fähigkeiten, die für verschiedene Kampfsituationen geeignet sind. Ein packendes Element soll die Steuerung der unterschiedlichen Charaktere und das Wechseln zwischen den Figuren sein. Stimmt auch, doch nur zu Beginn, da die Unterschiede zwischen ihnen oft nur geringfügig sind.
Leider hat das Kampfsystem selbst einige Schwächen. Insbesondere das direktionale Abwehren von Angriffen durch die Kombination von L2 und einer Richtung auf dem rechten Stick ist nicht intuitiv, wirkt geradezu sperrig. Die Steuerung ist oft unpräzise, was schnelle Reaktionen im Kampf erschwert und den Spielfluss unterbricht. Fernkampfmechaniken sind ebenfalls nicht optimal umgesetzt, da das automatische Zielen unzuverlässig ist und es schwierig macht, präzise Schüsse abzugeben. Spieler, die gerne auf Fernkampfwaffen zurückgreifen, werden hier enttäuscht sein.
Auch das Waffenarsenal bietet nur wenig Abwechslung. Einige der Charaktere nutzen Waffen, die sich kaum voneinander unterscheiden, wodurch die Kämpfe monoton wirken. Eine Ausnahme bildet jedoch die Maschinengewehr-Fähigkeit einer Rarity, die besonders auf nähere Distanz effektiv ist und für einigen Spaß sorgt. Dennoch bleibt das Waffenarsenal insgesamt enttäuschend, und die unterschiedlichen Fähigkeiten der Charaktere bieten nicht genug Variation, um mich als Spielerin langfristig zu motivieren.
Neonfarbener Schein ohne Horror-Tiefe
Die Geschichte basiert auf dem Ziel, eine Katastrophe zu verhindern, die die Stadt bedroht, was für Potenzial für spannende Wendungen bietet. Doch bleibt die Umsetzung hinter den Erwartungen zurück. Viele Handlungselemente wirken unausgereift, und der Geschichte fehlt es an Tiefe. Oft wiederholen sich bestimmte Abläufe, ohne dass der Plot nennenswert voranschreiten würde. Zudem macht das Spiel nicht annähernd ein so großes Geheimnis daraus, wer ein Slitterhead ist, wie es gut für die Spannung wäre. Der Spieler weiß direkt, in wem ein Monster steckt und in wem nicht. Dazu kommen noch die flachen Charaktere ohne wirklich spannende Persönlichkeiten. Die Kämpfe, die oft nur als Übergang zwischen den Story-Segmenten dienen, verstärken diesen Eindruck und ziehen die Handlung in die Länge.
Slitterheads Atmosphäre lebt von der düsteren und heruntergekommenen Umgebung Kowlongs, die durch die grellen Neonlichter und die schäbigen Hinterhöfe einen einzigartigen, kaputten Charme entwickelt. Diese Metropole vermittelt ein Gefühl der Trostlosigkeit und erinnert streckenweise an verarmte Slums, was gut zur Handlung des Spiels passt. Da oft die Geschichte unveränderbar wirkt, als ob man das schlechtere Übel hinnehmen muss.
Trotz dieser vielversprechenden Kulisse fehlt dem Spiel jedoch das gewisse Etwas, um echten Horror zu erzeugen. Angst und Unbehagen hatte ich in dem Spiel nicht mal eine Minute, denn Schreckmomente bleiben weg. Man läuft durch die Stadt und weiß direkt, dass nichts passiert. Die Slitterheads, die schon echt grotesk und von ekligen Insekten inspiriert sind, warten an bestimmten Abschnitten schon auf einen und springen nicht wirklich hervor. Sie wirken mehr wie bloße Gegner in einem Actionspiel und weniger wie eine Bedrohung, die den Spieler verängstigt. Magisch wirkte dafür doch die Endsequenz und die stilisierte Darstellung der Stadt, die dem Spiel eine gewisse Anziehungskraft gaben. Man merkt, dass die Entwickler viel Wert auf die Inszenierung der Welt gelegt haben.
Technik, Grafik und Sound: Verschenktes Potenzial und veraltete Elemente
Slitterhead hat außerdem einige technische Schwächen, die das Spielerlebnis trüben. Grafisch erinnert das Spiel eher an Titel aus der PlayStation-2-Ära, mich persönlich sogar ziemlich genau an Die Urbz: Sims in the City. Neon-Osten hatte zwar einen fröhlicheren Vibe als Kowlong, doch erinnern mich die dürren Schultern mancher Frauen an die Figuren aus dem Sims-Ableger, den hier hoffentlich alle gespielt haben. Für einen Horrortitel für moderne Konsolen war das dann doch recht enttäuschend. Texturen wirken platt, während die Animationen der Charaktere steif und kraftlos wirken, was besonders in Dialogen auffällt. Darunter leidet die Glaubwürdigkeit der Interaktionen. In einem Genre, das von der Immersion und der Emotionalität der Figuren lebt, ist dies ein gravierender Mangel.
Der Soundmix lässt ebenfalls zu wünschen übrig: Während die Hintergrundmusik stimmig ist und das düstere Ambiente unterstützt – Akira Yamaoka zeichnete hier verantwortlich und macht seine Sache gewohnt finster –, sind die Effekte regelmäßig zu laut und überlagern wichtige andere Klänge. Besonders die Geräusche der Monster wirken übertrieben und drängen sich in den Vordergrund, was die Atmosphäre eher stört, als bereichert und mich dazu brachte, einfach mal den Ton in Kämpfen komplett abzuschalten, weil mir mein Gehör doch lieb ist.
Slitterhead - Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Slitterhead zwar einige interessante Ansätze und ein spannendes Szenario bietet, jedoch bei der Umsetzung scheitert. Schon die Erzählperspektive des Spiels ist recht trocken, da die einzelnen Charaktere oft nur Monologe abspulen und die Figuren nur wenig untereinander sprechen. Die Handlung ist oberflächlich und wiederholt sich oft, während das Gameplay durch ein schwaches Kampfsystem und wenig abwechslungsreiche Mechaniken enttäuscht. Die Atmosphäre der Stadt Kowlong und die eklige Darstellung der Slitterheads haben trotz der veralteten Technik Potenzial, aber das Spiel schafft es nicht, echten Horror zu erzeugen. Was bleibt, ist ein etwas verkrampftes Action-Spiel mit Horror-Elementen, die nie so recht schrecken oder verstören. Ich hätte meinen PlayStation-5-Controller jedenfalls bei jeder Wiederholung der Endgegner gerne aus dem Fenster geworfen.
Für Horrorfans, die auf eine tiefgründige und unheimliche Spielerfahrung hoffen, dürfte Slitterhead also enttäuschend sein, auch wenn die heruntergekommene Stadt und die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Charakteren zu wechseln, eine gewisse Faszination ausüben.
Slitterhead | |
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PRO | CONTRA |
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