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Sniper Elite V2 - Test

Schleichend, kriechend und lauernd durch Berlin, alles im heftigen Kugelregen.

Mit Scharfschützen verbinde ich in Spielen so eine Art Hassliebe. Einerseits lege ich mich gerne mal auf die Lauer, um Gegnern aus sicherer Entfernung eine Kugel zu verpassen. Andererseits kann ich mich wunderbar darüber aufregen, wenn es mich selbst mal erwischt - was natürlich insbesondere für Multiplayer-Titel wie Battlefield und Co gilt.

In Rebellions Sniper Elite V2 muss ich mich zumindest in der Kampagne nicht mit anderen menschlichen Snipern herumschlagen, sondern kann mich ganz und gar darauf konzentrieren, die perfekte Position und den passenden Moment zu finden. Ihr spielt einen Scharfschützen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg und treibt euch in und um Berlin herum. Euer Ziel: Fünf wichtige und am V2-Programm der Deutschen beteiligte Personen aus dem Weg räumen, bevor sie den Russen in die Hände fallen und die sie dann für ihre Zwecke einsetzen können. Die Story ist überwiegend in Ordnung, wird aber jetzt nicht allzu ausufernd präsentiert - lediglich mal mit der einen oder anderen kleinen Zwischensequenz. Das Gameplay steht in Sniper Elite V2 klar im Vordergrund. Und das besteht aus snipern, snipern und nochmal snipern - zwischendurch noch garniert mit schleichen und unauffälligem Agieren.

Elf Missionen umfasst die Kampagne des Spiels und zumindest in den Grundzügen ist deren Ablauf relativ identisch. Ihr müsst euch zu einem bestimmten Zielpunkt begeben, meist an feindlichem Widerstand vorbei, dann eure Aufgabe erfüllen und wieder verschwinden. Ein Beispiel dafür wäre etwa ein Kirchturm, in dem neue Ausrüstung für euch gelandet ist. Also arbeitet ihr euch durch die Ruinen in der näheren Umgebung vor, umgeht oder erledigt feindliche Soldaten und einen Panzer, marschiert in die Kirche, schnappt euch das Scharfschützengewehr, wehrt dann einen deutschen Angriff ab und nehmt die Beine in die Hand. Die Mission ist erfüllt, sobald ihr die Kirche wieder verlasst. Später arbeitet ihr euch wiederum durch einen der gewaltigen und gut bewachten deutschen Flaktürme nach oben, um in eine perfekte Position zu kommen, von der aus ihr wiederum eine der wichtigen Zielpersonen auf einem anderen Turm in einiger Entfernung ins Jenseits befördert.

Es ist nicht so, dass ihr dabei wirklich komplett freie Hand hättet. Ihr müsst die Wege nehmen, die euch das Spiel anbietet, könnt keine eigenen schaffen, indem ihr beispielsweise x-beliebige Türen öffnet - wenn eine Tür zu ist, bleibt sie das auch. Wie offen sich das Ganze gestaltet, hängt aber auch ein bisschen vom jeweiligen Schauplatz ab. Ein Flakturm bietet zum Beispiel abseits der Treppen einfach kaum Möglichkeiten, um nach oben zu gelangen, während ihr in verwüsteten Stadtregionen schon mal durch die eine oder andere Ruine marschieren und so Feinde umgehen oder euch an sie heranschleichen könnt. Es ist von seiner Offenheit sehr weit entfernt von einem Crysis, aber auch nicht so eingeschränkt, dass euch immer nur ein Weg zur Verfügung stünde.

Sniper Elite V2 - Q&A-Trailer

Sniper Elite V2 präsentiert sich dabei ... nennen wir es halbwegs realistisch. Je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad - oder individueller Anpassung - müsst ihr bei euren Schüssen mit dem Scharfschützengewehr die Windstärke und die Entfernung zum Ziel berücksichtigen. Als hilfreich erweist sich dafür die kleine Zielhilfe, die sich - und das lässt sich ebenfalls einstellen - aktiviert und den Einschlagspunkt der Kugel anzeigt, wenn ihr per Tastendruck die Luft anhaltet.

Gleichzeitig gilt es auch, den richtigen Moment abzuwarten und/oder die passende Methode zu wählen. Manche Feinde halten nämlich ihre Positionen, andere wiederum folgen immer und immer wieder ihrer festgelegen Patrouillenroute. Damit ihr sie besser im Blick habt, könnt ihr sie mit dem Fernglas markieren und seht dann zumindest auch die Markierung noch hinter Mauern, Gebäuden oder anderen Objekten, was euch dabei hilft, einen der Widersacher unbemerkt auszuschalten. Zum Teil muss man auch wirklich gut schauen, denn bei einigen Gegnern ist es gar nicht so leicht, diese mit ihrer Uniform vor dem Hintergrund auszumachen.

Ein Schuss bleibt natürlich nicht unbemerkt - wie übrigens auch Laufgeräusche in der näheren Umgebung - und dementsprechend alarmiert ihr meist alle Feinde im Umkreis, wenn ihr einfach so drauflos ballert. Ihr könnt das aber auch tun, wenn ihr wollt. Sniper Elite V2 legt euch hier keine Steine in den Weg, hält euch also nicht gleich den "Game Over"-Bildschirm vor die Nase, nur weil ihr einmal entdeckt werdet. Es verzeiht Fehler und baut so nicht unnötig Frust auf.

Ebenso ist der direkte Weg nicht immer der beste. Wenn ihr aggressiv vorgeht, lockt ihr unter Umständen ganze Gegnergruppen an, die euch je nach eurer Position gerne mal von allen Seiten attackieren. Und da ihr nicht tonnenweise Munition durch die Gegend tragt und nur wenige Treffer einstecken könnt - eure Gesundheit regeneriert sich jedoch von selbst -, wäre das nicht die beste Wahl. Wobei man aber auch sagen muss, dass sich die KI hier nicht immer sonderlich clever verhält. Es kam bei mir mehrfach vor, dass sechs oder sieben feindliche Soldaten munter nach und nach eine Treppe hinauf stürmten, nachdem sie mich entdeckt hatten. Währenddessen kniete ich oben und durchsiebte jeden einzelnen von ihnen problemlos mit meinem Thompson-Maschinengewehr. Und das war auch in anderen Situationen der Fall. Die Feinde stürmen zu oft blind nach vorne und somit direkt in ihr Verderben - von taktisch cleverem Vorgehen kann in solchen Momenten keine Rede sein.

Aber der eigentliche Reiz besteht schließlich darin, eine Mission möglichst leise und unauffällig zu absolvieren - jedenfalls bis auf einige Situationen, in denen ihr gar keine andere Wahl habt. Euch steht etwa die Möglichkeit offen, mit eurer schallgedämpften Pistole feindliche Soldaten aus nächster Nähe bevorzugt mit einem Kopfschuss zu erledigen oder euch von hinten anzuschleichen und einen lautlosen Nahkampf-Kill auszuführen.

In mehreren Missionen gibt es zudem regelmäßig laute Umgebungsgeräusche. Wenn diese ertönen, zum Beispiel eine Kirchenglocke, Artilleriebeschuss oder Donner, könnt ihr selbst mit eurem Scharfschützengewehr Ziele erledigen, ohne dass jemand hellhörig würde. Jedenfalls solange euer Opfer nicht in Sichtweite eines Kameraden stand. Man bemerkt euch übrigens auch, wenn ihr aus der Deckung heraus einen Fehlschuss abgebt - tötet ihr euer Ziel, werdet ihr hingegen nicht sofort entdeckt. Die Feinde gehen dann in eine Art Suchmodus und sind zumindest aufmerksamer als zuvor.

Die neben dem Gewehr zusätzlichen Hilfsmittel bleiben optional, aber praktisch. Sichert mit Minen das Gelände ab oder lockt Wachen mit Steinwürfen in die falsche Richtung, aber rechnet nicht damit, dass der Feind auch so clever wäre. Ihr findet zwar derartiges Material am Gegner, aber nutzen tut er es nicht. Granaten am Feindesgürtel lassen sich übrigens ebenso wie Benzintanks am Panzer als sehr effektive und explosive Zielscheiben nutzen.

Rebellion versteht es dabei, eine Vielzahl der Kills mit dem Scharfschützengewehr effektvoll zu inszenieren. Häufig folgt die Kamera dem Flug der Kugel durch das Areal bis hin zum blutigen Einschlag im Ziel. In manchen Fällen - und auch nur in der Uncut-Version - sieht man durch eine Art Röntgenblick sogar das Innere des Getroffenen, kann beobachten, wie getroffene Knochen oder Organe regelrecht zerfetzt werden. Über Sinn und Unsinn dieses Features könnte man sich sicherlich streiten, Fakt ist, dass diese Röntgen-Cam in der deutschen Fassung gestrichen wurde. Das merkt man leider deutlich, denn bei entsprechenden Treffern bricht die Kill Cam unvermittelt ab, sorgt eher für einen groben, hastigen Übergang im Vergleich zu den normalen Kills.

Was ich oftmals als störend empfand, war das plötzliche Auftauchen neuer Feinde, etwa aus einer Seitengasse, sobald man bestimmte Punkte passierte. Sogar eine MG-Stellung auf einem Platz war plötzlich besetzt, obwohl ich von meiner erhöhten Position Augenblicke zuvor noch alle dort zu sehenden Soldaten erledigt hatte. Oder aber es tauchen immer wieder neue Scharfschützen an Fenstern oder auf Dächern auf, während man selbst gerade über einen kleinen Pfad entlang huscht. Das trübt ein bisschen die Immersion, da man so mit der Zeit auch einfach fest damit rechnet, an dieser oder an jener Ecke auf einmal doch noch einem Widersacher zu begegnen, obwohl man das Gebiet zuvor schon gesäubert hatte. Es ist keine wirkliche Überraschung mehr und man wird somit in gewisser Weise auch nicht belohnt, wenn man vorher etwa alle still und heimlich aus dem Weg räumt.

Je besser und effektiver ihre eure Feinde erledigt, desto mehr Punkte bekommt ihr übrigens. Wie hoch diese Zahl ausfällt, hängt unter anderem davon ab, welche Waffe ihr benutzt, ob es ein heimlicher Kill war, ob ihr gleich mehrere Feinde auf einmal ausgeschaltet habt und so weiter und sofort. Das Ergebnis wandert letzten Endes in die Leaderboards - für jeden Level gibt es eins. Und das kann auch ein weiterer Ansporn sein, einen Level möglichst effektiv zu lösen. Nebenbei hat man übrigens noch eine ganze Reihe Sammelobjekte in jedem Abschnitt verteilt. Einerseits Goldbarren, die ihr einfach aufnehmt, und andererseits Weinflaschen, die ihr mit dem Scharfschützengewehr zerschießen müsst. Ein gewisser Wiederspielwert ist also durchaus vorhanden, wenn ihr zu den Besten gehören oder alles einsammeln wollt.

Ein freies Speichern ist währenddessen jedoch leider nicht möglich, es gibt ausschließlich Kontrollpunkte. Für mich nicht unbedingt ideal bei einem solchen Titel. Wenn man zum Beispiel den lautlosen Weg wählt, was grundsätzlich schon mal mehr Zeit in Anspruch nimmt, und dann kurz vor einem Checkpoint erwischt wird oder einen dummen Fehler macht, darf man einen ganzen Abschnitt gleich noch mal absolvieren.

Sniper Elite V2 - Trailer

Technisch gesehen kann Rebellion zwar qualitativ nicht mit Größen wie Crysis mithalten, auf den Ultra-Einstellungen ist Sniper Elite V2 aber dennoch sehr ansehnlich und detailliert. Den Entwicklern gelingt es, glaubwürdige und stimmige Schauplätze auf den Bildschirm zu zaubern. Man nimmt es dem Spiel ab, dass es ein Kriegsgebiet darstellt, oftmals bewegt man sich durch zerbombte und zerfallene Ruinen voller Schutt, verwüstete Straßenzüge und so weiter. Hier und da sogar mal mit etwas Licht- und Schattenspielen, auch wenn man diese gerne hätte häufiger einsetzen dürfen - auch spielerisch.

Des weiteren steht euch noch ein Koop-Modus für die Kampagne zur Verfügung, die ihr dann mit einem Freund angehen könnt, und es gibt einen Horde-ähnlichen Herausforderungsmodus. Der Multiplayer ließ sich in unserer Testversion leider nicht ausprobieren. Die Spielzeit in der Kampagne liegt bei rund zehn Stunden - ist aber auch stark abhängig von eurer Vorgehensweise.

Letzten Endes ist Sniper Elite V2 ein überraschend gutes Produkt geworden. Ich muss ehrlich gestehen, dass meine Erwartungen niedriger waren. Es macht Spaß, sich auf die Lauer zu legen und den bestmöglichen Weg durch einen Level oder den perfekten Zeitpunkt zum Zuschlagen herauszufinden. Wer hingegen Titel vom Kaliber eines Call of Duty oder Medal of Honor bevorzugt, wird hier eher weniger glücklich. Man kann sich zwar durchballern, doch das ist nicht der Reiz des Spiels und es macht zumindest so auch langfristig weniger Spaß, als wirklich seine grauen Zellen ein wenig anzustrengen. Insofern: Gute Arbeit, Rebellion. Ich nehme gerne mehr davon - was das Spiel übrigens mehr oder weniger direkt andeutet -, dann aber auch mit besserer KI, etwas abwechslungsreicheren Missionen und noch offeneren Arealen.

7 / 10

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Benjamin Jakobs Avatar
Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Sniper Elite V2

PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U, PC

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